Folia (Musik)
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Bei der Folia handelt es sich um ein melodisch-harmonisches Satzmodell, das vor allem im Barock als Vorlage etlicher Variationswerke diente.
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[Bearbeiten] Allgemeines
Der Begriff Folia (auch Follia, Folies d'Espagne) stammt aus dem Portugiesischen (folia - lärmende Lustbarkeit, übermütige Ausgelassenheit), existiert aber auch im Italienischen (follìa - Wahnsinn, Tollheit), im Französischen (la folie) und Spanischen (la folía). Folia bezeichnet neben dem Satzmodell noch einen portugiesischen Tanz aus dem 16. Jahrhundert, einen Gedichtstypus des 17. Jahrhunderts und Lieder spanischer und portugischer Herkunft des 17. Jahrhunderts. Inwiefern und ob überhaupt diese Folias und das Foliasatzmodell zusammenhängen, ist noch ungeklärt.
[Bearbeiten] Die Folia in der Musikgeschichte
[Bearbeiten] Früheste Entwicklung der Foliamusik
Aus dem 15. und 16. Jahrhundert existieren Musikstücke, die zwar nicht den Namen Follia tragen, jedoch schon einige Charaktermerkmale des melodisch-harmonischen Satzmodells der späteren Follia aufweisen: Drei- bis vierstimmige Lieder aus der spanischen Sammlung Cancionero de Palacio (ab 1494), Pavanas aus Tres libros de Música en cifras para vihuela (1546) von Alfonso Mudarras und Ricercare von Diego Ortiz aus dem Jahr 1553. Die "Foliazugehörigkeit" ist umstritten und von Stück zu Stück neu zu bewerten, da trotz Gemeinsamkeiten oft gravierende Unterschiede zum Folia-Satzmodell bestehen (Taktart, Form, Charakter usw.).
Wegen ihres ungezügelten Charakters soll der Folia-Tanz in seiner Frühzeit immer wieder verboten worden sein.
[Bearbeiten] Die frühe Folia
1577 erscheint zum ersten Mal die Bezeichnung Folia für die typische Foliamelodie in Salinas' De musica libri septem. In der weiteren Entwicklung taucht das foliatypische Akkordschema vor allem in Tänzen auf und die Foliastücke weisen nun viele Gemeinsamkeiten mit der späten Folia auf: Dreiertakt, homophon, 16-taktiges Thema (2x8 Takte), ähnliches harmonisches Schema. Allerdings ist die frühe Folia im schnellen Tempo und existiert sowohl in Moll als auch in Dur und es zeigt sich, dass die Form vor allem in Rhythmus und Harmonie noch wesentlich flexibler ist als die der späten Folia. Eine der frühesten (erhaltene) Folias stammt aus den Tabulaturen für die spanisches Gitarre von Girolamo Montesardo von 1606. (Nuova inventione d'intavolatura). Zu dieser Zeit entstehen die ersten Foliavariationen. Die früheste stammt von Girolamo Kapsberger von 1604 (19 Variationen über das Foliathema für Chitarrone)
[Bearbeiten] Die späte Folia
Nach einem Übergangszeit löst die späte die frühe Folia ab. 1672 schreibt Lully die Air des hautbois Les folies d'Espagne und sie gilt als die erste Komposition der späten Folia. Dieses Variationsstück über das Foliathema besitzt alle charakteristischen Mermale der späten Folia: Das Mollstück steht im langsamen Dreiertakt, hat eine ostinate Harmoniefolge, weist die Foliamelodie und den Rhythmus einer Sarabande auf. In dieser Zeit hat bei der Folia das Harmonieschema, also die Basslinie, eine größere Bedeutung als die Melodie; die Follia gehört daher im weitesten Sinne zu den Passacaglien bzw. Chaconnen.
In den nächsten Jahren breitet sich die Folia in der Barockzeit über ganz Europa aus und eltiche Foliakompositionen, vor allem Variationen über das Foliathema entstehen. Die wohl bekanntesten und sehr anspruchsvollen Variationen stammen von Arcangelo Corelli. Es handelt sich dabei um eine Variationsreihe mit wechselnden Tempi für Violine mit Generalbassbegleitung. Das Werk wurde von Geminiani als Concerto grosso instrumentiert. Weiterhin bekannt wurde es in einer 1702 bei Walsh in London erschienenen Bearbeitung für Blockflöte und b.c. (z.B. durch eine Aufnahme mit Frans Brüggen Anfang der 1970er Jahre), die teilweise von der Corelli'schen Vorlage abweicht. Eine Überarbeitung dieses Werks durch Hans-Martin Linde ist bei B. Schott's Söhne, Mainz, erhältlich (OFB121). Andere Variationssätze stammen zum Beispiel von Farinelli, Antonio Vivaldi (op. 1/11) oder Johann Sebastian Bach (Bauernkantate).
[Bearbeiten] Notenbeispiel der späten Folia
[Bearbeiten] Die Folia von der Klassik bis zur Neuzeit
Auch nach der Hoch-Zeit der Folia um 1700 gelangt sie bis heute nicht in Vergessenheit. Zum einen werden Foliavariationen geschreiben, die neben dem historischen Rückgriff auf das Foliamodell eigenständige Werke ihrer Zeit sind. Einige dieser Kompositionen sind
- 1778: Carl Philipp Emanuel Bach: 12 Variationen auf die Folie d'Espagne in d mineur für Klavier (Wq 118 Nr. 9)
- 1815: Antonio Salieri: La Follia di Spagna - 26 Variationen für Orchester
- 1863: Franz Liszt: Rhapsodie espagnole
- 1932: Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow: Variationen für Klavier über ein Thema von Corelli
- 1986: Matthias Maute: How I love you, sweet Follia! für Tenorblockflöte solo
Zum anderen wird das Foliamodell, vor allem das harmonische Schema in anderen Stücken mit eingebaut, ganz, ausschnittsweise oder als Anlehnung. Einige Beispiele sind:
- 1808: Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 5, c-Moll op 67, Andante con moto (Takte 166-174)
- 1828: Franz Schubert: Doppelgänger aus dem Zyklus Schwanengesang
- 1992: Vangelis: Conquest Of Paradise
sowie Giovanni Antonio Pandolfi Mealli, Francesco Geminiani, Domenico Gallo, Giovanni Reali, Reinhard Keiser, Luigi Cherubini, Max Reger
[Bearbeiten] Website
http://members.chello.nl/folia/index.html La Folia, a musical cathedral
[Bearbeiten] Literatur
- Francisco Salinas: De musica. Bärenreiter, Kassel 1968 (Nachdruck der Ausgabe Salmanticae 1577)
- Timo Jouko Herrmann: Eine klingende Instrumentationslehre - Antonio Salieris „26 Variationen über La Follia di Spagna“. Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Mannheim 2003/04 (Diplomarbeit)
- Richard Hudson: The Folia, the Saraband, the Passacaglia, and the Chaconne, the Historical Evolution of Four Forms that Originated in Music for the Fivecourse Spanish Guitar, Bd. 1: The Folia, Neuhausen-Stuttgart 1982