Frei Otto
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Frei Paul Otto (* 31. Mai 1925 in Siegmar, heute Chemnitz, Sachsen) ist ein deutscher, promovierter Architekt, Professor und Architekturtheoretiker. Seine große Erfahrung mit Leichtbau, Seilnetzen, Gitterschalen und anderen zugbeanspruchten Konstruktionen macht ihn zu einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Er zählt neben Buckminster Fuller und Frank Gehry zu den führenden Vertretern einer biomorphen Architektur.
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[Bearbeiten] Leben und Werk
[Bearbeiten] Die Anfänge
Sein Vorname „Frei“ geht auf seine Mutter zurück, die darin ihr Lebensmotto zum Ausdruck brachte. Ottos Eltern waren Mitglieder im Deutschen Werkbund. Ursprünglich wollte Frei Otto auch ein Bildhauer und Steinmetz wie sein Vater und Großvater werden. Doch auf der Handelsschule lernt Otto von seinem Lehrer das Segelfliegen und den Modellbau kennen. Beim späteren Erwerb des Segelflugscheins kann er seine Kenntnisse über Leichtbauweisen und rahmengespannte Membrane vertiefen. 1943 tritt er sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg an. Noch im selben Jahr wird er gegen Ende des zweiten Weltkriegs als Kampfpilot ausgebildet und eingesetzt.
[Bearbeiten] Studienjahre
Er gerät in französische Gefangenschaft. Dort kann er bei der Gestaltung eines Kriegsgefangenlagers mit mehreren Bauten in einer kostengünstigen Leichtbauweise sein Talent unter Beweis stellen. Eine Inspiration war für ihn der tägliche Anblick der steinernen Leichtbauweise in Gestalt der berühmten Kathedrale von Chartres. Von diesen Erfolgen ermutigt, nimmt Otto 1948 wieder das Studium an der Technischen Universität Berlin auf. Trotz seiner eigenwilligen Ansichten wurde er 1950 als Stipendiat von seiner Fakultät ausgewählt, um für ein halbes Jahr in den Vereinigten Staaten fahren und studieren zu können. Auf seiner Amerikareise lernt er die führenden Architekten seiner Zeit und ihre Bauten kennen: Erich Mendelsohn, Ludwig Mies van der Rohe, Richard Neutra, Frank Lloyd Wright und Fred Severud. Daraus erwächst eine lebenslange Freundschaft mit Mies van der Rohe. Später korrigiert er auf Anfrage Rohes die Statik der Neuen Nationalgalerie in West-Berlin, indem er die vier Hauptstützpfeiler um zwei unscheinbare Streben an jeder Seite ergänzt. 1954 erscheint seine Dissertation über "Das hängende Dach", das zum ersten Male die Bautechnik zugbeanspruchter Flächentragwerke zusammenfassend darstellt.
[Bearbeiten] Praktiker, Gründer und Visionär
In Berlin-Zehlendorf macht er sich 1952 mit seinem ersten Architekturbüro selbständig und 1957 gründet er eine "Entwicklungsstätte für den Leichtbau". Ab 1958 ist er als Gastdozent an der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm tätig und leitet dort mehrere Projekte. An der TU Berlin gründet er schon 1961 die Forschungsgruppe "Biologie und Bauen". Frei Ottos nächste Gründung war 1964 das Institut für Leichte Flächentragwerke (IL) an der TU Stuttgart, das zum Modell für den deutschen Pavillon bei der Weltausstellung in Montreal wurde. In seinem Institut entwickelt er im Austausch mit Biologen wie Johann-Gerhard Helmcke, Medizinern und Paläontologen natürliche Konstruktionen, die auf pneumatischen und biologischen Konstruktionsprinzipien basieren. So etwa gestaltet er 1960 einen solitären Glockenturm einer Kirche in Berlin-Schönow / Zehlendorf nach dem Skelett einer Kieselalge. 1969 wird er zum Leiter des Sonderforschungsbereichs 64 Weitgespannte Flächentragwerke der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
[Bearbeiten] Dachkonstruktionen
Am bekanntesten wurde Otto mit seinen zeltartigen Dachkonstruktionen. Die optimale Form seiner Dächer entwickelte Otto anhand von Experimenten mit Drahtmodellen, die er in Seifenlauge tauchte und dann von Seifenblasen mit der geringstmöglichen Kohärenz überspannt wurden. Diese Grundform stellt jedoch nur einen Teil seiner Ideen und Bauten dar, als weitere elementare Formen sind der Pneu, Gitterschalen und Seilnetze zu nennen. Er übertrug jenes natürliche Formungsprinzip dann auf die Seilnetze, indem er diese Netze aufhängte, deren Form stabilisierte und sie schließlich umkippte. Nach diesem Verfahren der Formgebung gestaltete er auch Gitterschalen aus langen Holzlatten wie weltweit erstmalig mit der Multihalle in Mannheim. Schwerkraft und nicht etwa Computersimulation schufen diese leichten und schwebenden Formen.
Mit Günter Behnisch und Partner verwirklichte er von 1968 bis 1972 die legendär gewordene Überdachung des Hauptsportstättenbereichs am Olympiagelände in München. Die gewählte Dachkonstruktion basiert letztlich auf seinen Entwürfen, nachdem sich Behnisch aufgrund unerwarteter Schwierigkeiten an den Ideengeber selbst wandte. Das Architekturmagazin "Häuser" 2003 wählte dieses Ensemble zum wichtigsten deutschen Gebäude aller Zeiten. Dennoch fiel Otto die Dachkonstruktion wegen der Befürchtungen der Baustatiker viel zu massiv aus. Viel eher entspricht dagegen die luftige und fast unsichtbare Groß-Vogelvoliere im Münchner Tierpark Hellabrunn seinen Vorstellungen vom leichten Bauen. Diese Anlage ist mittlerweile zu einem Wahrzeichen des Tierparks geworden. [1] Mit der Vergänglichkeit und Schönheit seiner Werkstoffe illustrierte er 1977 auch eine Tournee von Pink Floyd in Form von riesigen umgestülpten Schirmen.
[Bearbeiten] Frei Ottos Visionen für die Zukunft
Es gibt nicht viele Bauwerke, für die er alleinverantwortlich zeichnet, da er immer die Zusammenarbeit und den Austausch mit Kollegen (und Bewohnern) gesucht hat. Otto sieht sich vor allem als Ideengeber und Inspirator für ein leichtes und umweltangepasstes Bauen. „Ich habe wenig gebaut. Ich habe viele 'Luftschlösser' ersonnen.“ [2]
Frei Otto ist heute noch als Architekt in seinem "Atelier Warmbronn" bei Leonberg zusammen mit seiner Frau Ingrid und seiner Tochter Christine Kanstinger tätig. Seit den 1970er Jahren realisiert Otto mit seinem Schüler Mahmud Bodo Rasch und dessen Architekturbüro Rasch + Bradatsch u.a. Zeltdachkonstruktionen im islamischen Raum. Sein Rat und seine Unterstützung im Bereich Leichtbau werden heute mehr denn je von Architektenbüros aus der ganzen Welt gesucht.
[Bearbeiten] Bauten (Auswahl)
- 1955: Bundesgartenschau Kassel, Vierpunktsegel als Musikpavillon
- 1957: Tanzbrunnen (Sternwellenzelt), Rheinpark Köln
- 1963: St. Lukaskirche in Bremen-Grolland mit Carsten Schröck
- 1967: Deutscher Pavillon für die Weltausstellung in Montreal (abgebaut)
- 1968: bewegliche Überdachung der Stiftsruine Bad Hersfeld
- 1971: Bonhoeffer-Gemeindezentrum in Bremen-Huchting mit Carsten Schröck
- 1972: Olympiadach München (Seilnetzdächer)
- 1974: Konferenzzentrum in Mekka mit Rolf Gutbrod
- 1975: Multihalle in Mannheim
- 1980: Vogelvoliere über 5000 m² im Tierpark Hellabrunn
- 1985: Tuwaiq Palace in Riad, Saudi-Arabien; Behörden- und Kulturzentrum
- 1988: Produktionspavillons für die Möbelfirma Wilkhahn [3]
- 2000: Mitarbeit am japanischen Pavillon für die EXPO 2000 in Hannover
- 2000: Mitarbeit am Großprojekt Stuttgart 21, dem Stuttgarter Hauptbahnhof
- 2000: 24m Rundzelte in Leonberg, mehrlagige Membrankonstruktion
- 2004: Vorschlag für wandelbare Schirme für den Schlossplatz Stuttgart
[Bearbeiten] Auszeichnungen
- 1967: Berliner Kunstpreis für Architektur
- 1974: "Thomas Jefferson Medal in Architecture" von der University of Virginia und der Thomas Jefferson Foundation
- 1980: Aga Khan Award for Architecture [4]
- 1990: Honda-Preis / Tokio (dotiert mit 120.000 DM)
- 1996: Großer Preis des Deutschen Architekten- und Ingenieurverbandes
- 1996/97: Wolf-Preis für Architektur
- 1998: Aga Khan Award for Architecture [5]
- 2000: Ehrenbürgerwürde der Stadt Leonberg
- 2000: Sonderpreis der VII. Internationalen Biennale für Architektur für sein Lebenswerk
- 2003: Olympiadach - wichtigstes deutsches Bauwerk aller Zeiten nach einer Umfrage des Architekturmagazins HÄUSER
- 2005: Royal Gold Medal vom »Royal Institute of British Architects« (RIBA) für sein Lebenswerk
- 2005: Ehrendoktorwürde der Fakultät für Architektur der TU München wegen seiner "außergewöhnlichen Leistungen auf dem Gebiet des leichten und ökologischen Bauens"
- 2005: Ausstellung zu seinem Lebenswerk im Architekturmuseum der Technischen Universität München [6] in der Pinakothek der Moderne (Frei Otto - Leicht bauen, natürlich gestalten 26. Mai - 28. August 2005)
- 2006: Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durch den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger
- 2006: Praemium Imperiale („Nobelpreis der Künste“) in der Sparte Architektur
[Bearbeiten] Monographien
- Otto, Frei (1982): Natuerliche Konstruktionen. Formen und Konstruktionen in Natur und Technik und Prozesse ihrer Entstehung. Stuttgart: Dt. Verlags-Anstalt, 136 S., Ill.
- über Baubionik - (1985): Leicht. Eine Arbeit des Teilprojektes C1 "Entstehungsprozesse von Objekten in Natur und Technik" im Sonderforschungsbereich 230 "Natürliche Konstruktionen". Text und Skizzen von Frei Otto. Stuttgart [u.a.]: Univ. Stuttgart, Sonderforschungsbereich 230. 143 S., Ill.
- Bach, Klaus (1988): Seifenblasen. Eine Forschungsarbeit des Instituts für Leichte Flächentragwerke über Minimalflächen = Forming bubbles. Hrsg. von Frei Otto. Stuttgart: Krämer. 400 S., zahlr. Ill. Mittlg. des Inst. für leichte Flächentragwerke ISBN 3-7828-2018-5
- Otto, Frei (1988): Gestaltwerdung. Zur Formentstehung in Natur, Technik und Baukunst. Köln: Müller 79 S., zahlr. Ill. u. graph. Darst.
- Otto, Frei (1990): Das hängende Dach. [Gestalt und Struktur]. Mit Nachworten von Frei Otto, Rainer Graefe und Christian Schädlich. Stuttgart: Dt. Verlags-Anstalt, 166 S. Ill. Nachdr. der 1954 im Bauwelt-Verlag ersch. Dissertation
- erste zusammenfassende Darstellung zugbeanspruchter Flächentragwerke - Dunkelberg, Klaus (1996): Bambus - Bauen mit pflanzlichen Stäben. Bamboo. Dt.-Engl. Hrsg. von Frei Otto. Stuttgart: Krämer, Mittlg. des Inst. für leichte Flächentragwerke Uni Stgt. 31, 432 S., 1500 Abb. ISBN 3-7828-2031-2
- Otto, Frei (Hrsg.): Zugbeanspruchte Konstruktionen. Gestalt, Struktur und Berechnung von Bauten aus Seilen, Netzen und Membranen. Frankfurt, Berlin: Ullstein.
[Bearbeiten] Literatur über Frei Otto
- (1973): Tragende Häute. Hrsg. vom Verband Freierwerbender Schweizer Architekten. Red.: Lisbeth Sachs. Niederteufen: Niggli. 54 S., zahlr. Ill., graph. Darst. archithese 1973, Heft 6
- (1988): Architekten - Frei Otto. Bearb. von Dieter Hezel. Stuttgart: IRB Verlag ISBN 3-8167-1817-5
- Wilhelm, Karin (1985): Portrait Frei Otto. Berlin: Quadriga. 184 S., zahlr. Ill.
- (2001): Geplante Poesie. Ausgewählte Arbeiten von Frei Otto und seinen Teams 1955-2000. Bearb. von Christina Ossowski. Verlag: Stadt Leonberg, 44 S., 40 Abb. ISBN 3-933636-07-8
- Nerdinger, Winfried (2005): Frei Otto, das Gesamtwerk. Leicht bauen - natürlich gestalten. Basel: Birkhäuser, 400 S., 200 s/w, 200 farb. Fotos, 200 s/w Zeichnungen ISBN 3-7643-7233-8
[Bearbeiten] Film
- Frei Otto. Von Seifenblasen und Zelten. Buch und Regie: Louis Saul. 60 Min. Erstausstrahlung: ARTE, 22. April 2005 [7]
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Frei Otto – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Frei Ottos Homepage
- Literatur von und über Frei Otto im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ausstellung zu Ottos Lebenswerk, alle Bauten und Projekte, Biographie u.v.a.
Biographien
- Werkbiographie Ottos, sehr gut illustriert und ausgezeichnete Einführung der Universität Stuttgart
- Werkbiographie Frei Ottos und seine Technik der leichten Flächentragwerke
- Webseite über Frei Otto bei archINFORM
- Dokumentarfilm anlässlich seines 80. Geburtstags
Artikel und Interviews
- Interview mit dem BR-Wissenschaftsmagazin, 23. September 2003
- Interview über seine Konstruktionsprinzipien, werkundzeit, 2002 April, Heft 1, Zeitschrift des Deutschen Werkbundes
- „Bedürfnis nach Halt“, Die Welt, 30. Mai 2005
- „Ingenieurporträt. Frei Otto. Architekt, Konstrukteur und Visionär, Förderer der Leichtbauweise“, db deutsche bauzeitung, 139. Jg., Nr. 6, 2005, 72 - 77, Portrait mit Ill. (pdf-Datei)
Bauten
- Nah- und Großaufnahmen der Multihalle Mannheim (it.) im Herzogenriedpark nördlich vom Stadtteil Neckarstadt - eine Weltneuheit: die Tragkonstruktion dieser großen offenen Halle besteht aus mehrfach gebogenen, gitterförmig verbundenen Dachlatten (Lattengitter).
- Fotogalerie von einigen Bauten
Personendaten | |
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NAME | Otto, Frei |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Architekt, Architekturtheoretiker und Professor |
GEBURTSDATUM | 31. Mai 1925 |
GEBURTSORT | Siegmar / Chemnitz |