Fritz-Rudolf Güntsch
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Fritz-Rudolf Güntsch (* 27. September 1925 in Berlin), deutscher Computer-Pionier, Erfinder des Virtuellen Speichers, Industrie- und Wissenschaftsmanager.
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[Bearbeiten] Person
Güntsch ist verheiratet mit Andrea-Carola Güntsch, Vater von sechs Kindern (zwei Söhne, vier Töchter).
[Bearbeiten] Leben
Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft nahm Fritz-Rudolf Güntsch 1947 das Studium der Physik an der Technischen Hochschule Karlsruhe auf, das er an der Technischen Universität Berlin 1954 als Dipl.-Ing., Fachrichtung Theoretische Physik, abschloss. Güntsch wurde Assistent und Oberassistent an der TU Berlin. Zu seinen Arbeitsgebieten gehörten:
- Entwicklung und Bau eines Prozessrechners („Magnetbandrechner“) für ASKANIA zur Kino-Toedolithen-Auswertung
- Mitarbeit an der Entwicklung der Z22 bei der Zuse KG in Neukirchen
- Softwareentwicklung für die Z22 (Assembler, Anwendungsprogramme)
- Aufbau und (praktische) Leitung des TU-Rechenzentrums
- Planung des Hahn-Meitner-Institut-Rechenzentrums
- Planung eines großen TU-Rechners (Realisierung konnte nicht finanziert werden)
- Darüber 1957 Promotion bei den Professoren Haack und Stiefel (ETH Zürich) mit der Dissertation „Logischer Entwurf eines digitalen Rechengerätes mit mehreren asynchron laufenden Trommeln und automatischer Schnellspeicherbetrieb“. Wichtigste Erfindung im Rahmen dieser Arbeit: Virtueller Speicher
- Computeranwendungen in der Flugsicherung (automatische Flugidentifikation und -verfolgung, Planung kollisionsfreier Flugpläne und -verläufe).
In die Berliner Zeit fallen auch Gastaufenthalte bei Prof. Walther (TH Darmstadt) und Prof. Stiefel und Rutishauser (ETH Zürich). An der TU Berlin hielt Güntsch Vorlesungen zu Hard- und Software programmgesteuerter Rechenanlagen. 1958 wechselte Güntsch in die Industrie zu AEG Telefunken, in den neu gegründeten Geschäftsbereich „Informationstechnik“ in Konstanz, wo er nachfolgend die Leitung der Fachgebiete „Elektronische Rechner“ und „Großrechner“ übernahm. In dieser Zeit baute er aus kleinen Anfängen leistungsfähige Unternehmenseinheiten mit Hunderten von Mitarbeitern auf. Die wichtigsten Projekte der von Güntsch geleiteten Fachgebiete waren
- die Großrechner TR 4 und TR 440
- der Postscheckrechner TR 5
- der kleine kommerzielle Rechner TR 10
- der Kleinrechner TR 86 (in Varianten als Prozessrechner, Feuerleitrechner und peripherer Rechner in TR 440-Anlagen)
- Analogrechner in großer Typenvielfalt
- Zahlreiche Systemlösungen (Postscheckdienst, Flugsicherung, militärische Führungssysteme)
- Parallele und polymorphe Rechner (hier blieb es bei Studien, mangels Finanzierungsmöglichkeiten).
1969 wechselte Güntsch in das Bundesministerium der Verteidigung und übernahm die Abteilung „Wehrtechnische Forschung“, mit den Arbeitsgebieten
- ABC-Abwehr
- Elektronik und Informatik
- Geophysik
- Werkstoffe, Energietechnik
- Luft- und Raumfahrt
- Schiffe
- Ballistik, Sprengphysik
1971 (bis zu seinem Dienstende 1990) übernahm Güntsch im Bundesministerium für Forschung und Technologie die Förderung der Datenverarbeitung, der Technischen Kommunikation und Elektronik, und – jeweils über längere Zeiträume – die Luft- und Raumfahrt, Fachinformationssysteme, Physikalische Technologien, Chemische Technologien, Humanisierung des Arbeitslebens, Fertigungs- und Verfahrenstechnik, innovative Firmengründungen, Medizinische Forschung, Biologische Forschung und Technologie, Umweltforschung und -technologie, Materialforschung, Mikrosysteme.
In diese Zeit fallen unter anderem die verschiedenen DV-Programme des Bundes, das Programm Technische Kommunikation und das Informatikprogramm zum Aufbau von vierzehn Informatik-Schwerpunkten an deutschen Universitäten, aus denen sich die heutigen Fakultäten, Fachbereiche und Institute für Informatik entwickelten. Mit dem Deutschen Forschungsnetz erhielt die deutsche Wissenschaft eine moderne Kommunikationsinfrastruktur.
[Bearbeiten] Herausragende Leistungen
Güntschs wichtigste Leistung war sicher die Erfindung des Virtuellen Speichers (1956), vgl. Literatur. Virtuell heißt ein Speicher, der realisiert wird durch einen kleinen, aber schnellen Speicher, der die gewünschte Zugriffszeit bietet, und einen großen, aber langsameren Speicher, der die gewünschte Kapazität bietet. Zwischen beiden werden automatische Daten so ausgetauscht, dass möglichst viele Zugriffe aus dem schnellen Speicher befriedigt werden. Güntsch entwickelte 1956 dieses Konzept im Rahmen eines Rechners mit 10 asynchron laufenden Trommeln als „großem“ Speicher.
Der Prozessor dieser Maschine greift nicht direkt auf die Trommelspeicher zu, sondern auf einen Schnellspeicher mit einer Kapazität von insgesamt 600 Wörtern (6 Blöcken, Abb. 1). Ein wichtiges Motiv für diese Struktur war sicher die Synchronisation des Prozessors mit 10 (unter sich) asynchron rotierenden Trommeln, vom heutigen Standpunkt ist aber viel bedeutender, dass hier erstmals durch das Zusammenspiel des Schnellspeichers mit den Trommelspeichern ein virtueller Speicher realisiert wurde. Jeder Zugriff des Prozessors in den Adressraum von 100 000 Wörtern hat als Ziel entweder eines der Register bzw. die Ein-/Ausgabe, oder er führt auf den Schnellspeicher. 2 Blöcke des Adressraumes werden hierbei fest auf 2 Blöcke des Schnellspeichers abgebildet, während die Abbildung der übrigen Blöcke des Adressraumes dem Zugriffsprozess folgt. Hierfür stehen 2 Doppelblöcke im Schnellspeicher zur Verfügung. Sooft ein Befehl nicht im Schnellspeicher angetroffen wird, wird er mit dem ihn umgebenden Doppelblock von der Trommel in den ersten Doppelblock des Schnellspeichers geladen. Entsprechend führt ein Zugriff auf ein nicht im Schnellspeicher vorhandenes Datenwort zur Ersetzung des Inhaltes der beiden nächsten Schnellspeicherblöcke (Abb. 1). Auf diese Art gelingt es, den Befehlzugriffsprozess und den Datenzugriffsprozess voneinander zu trennen, und man kann ausnutzen, dass jeder für sich eine bessere Lokalität als der Gesamtprozess hat. In dem Doppelblock des Adressraumes, der fest dem 3. Doppelblock des Schnellspeichers zugeordnet ist, kann der Programmierer häufig gebrauchte Befehlsfolgen und Daten unterbringen. Um zu verhindern, dass selten zugegriffene Befehlsfolgen oder Daten zu einer schädlichen Ersetzung im Schnellspeicher führen, ist die Maschine mit einigen Befehlen ausgestattet, die den Schnellspeicher umgehen und den Prozessor direkt auf die Trommel zugreifen lassen. Damit war der virtuelle Speicher geboren, und Güntsch schrieb zu Recht in seiner Dissertation von 1957: „Der Programmierer braucht auf das Vorhandensein von Schnellspeichern keine Rücksicht zu nehmen (er braucht nicht einmal zu wissen, dass solche vorhanden sind). Denn es gibt nur eine Sorte von Adressen, mit denen programmiert werden kann, als wäre nur ein Speicher vorhanden.“
Der unter der Leitung von Güntsch entwickelte Großrechner TR 440 (1970) war der schnellste bis dahin in Europa gebaute Computer und stellte mit 45 installierten Maschinen auch einen wichtigen unternehmerischen Erfolg der deutschen Computer-Industrie dar. Die Maschine verfügte über bahnbrechende Compiler und ein sehr innovatives Betriebssystem, das Aufträge im Stapel- und im Teilnehmerbetrieb über dieselbe Benutzer-Schnittstelle zu führen gestattet.
Zu den weitreichenden Leistungen von Güntsch gehört auch das Überregionale Forschungsprogramm Informatik, in dem Bund und Länder den Aufbau von vierzehn Informatik-Schwerpunkten an deutschen Universitäten ermöglichten, woraus sich die späteren Fachbereiche und Fakultäten für Informatik entwickelten. Ohne dieses Programm wäre es nicht möglich gewesen, in den 70er Jahren die notwendigen Kapazitäten aufzubauen, um in der Forschung, insbesondere aber der Lehre den rapide wachsenden Anforderungen der deutschen Wirtschaft gerecht zu werden.
[Bearbeiten] Ehrungen
Güntsch ist Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, Offizier des Nationalen Französischen Verdienstordens, Ehrenbürger von Huntsville, Alabama, und Honorarprofessor an der Universität Karlsruhe. Er ist Dr.-Ing. E.h. der TU Berlin.
[Bearbeiten] Literatur
- F.-R. Güntsch: Logischer Entwurf eines digitalen Rechengeräts mit mehreren asynchron laufenden Trommeln und automatischem Schnellspeicherbetrieb. TU Berlin, 1957 (Dissertation)
- F.-R. Güntsch, R. Lukas: Magnetbandrechner der Technischen Universität Berlin. In: Elektronische Datenverarbeitung. 2/1959. S. 33–46
- F.-R. Güntsch: Einführung in die Programmierung digitaler Rechenautomaten. de Gruyter, Berlin 1960/1963
- F.-R. Güntsch: Zur Simultanarbeit bei Digitalrechnern, Elektronische Rechenanlagen. August 1960, S. 3–14
- F.-R. Güntsch: Über digitale Spezialrechner. In: Telefunken-Zeitung. 33/1960, Heft 127 S. 4–12
- E. Jessen, E. Ulbrich: TR 440 als Teilnehmerrechensystem in: Datenverarbeitung mit Mehrfachzugriffssystemen, Haus der Technik Essen. Vulkan-Verlag, Essen 1967
- E. Jessen: Origin of the Virtual Memory Concept. IEEE Annals of the History of Computing. Band 26. 4/2004, Seite 71 ff.
[Bearbeiten] Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Güntsch, Fritz-Rudolf |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Computer-Pionier, Erfinder des Virtuellen Speichers, Industrie- und Wissenschaftsmanager |
GEBURTSDATUM | 27. September 1925 |
GEBURTSORT | Berlin |