Generisches Maskulinum
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Von generischem Maskulinum wird immer dann gesprochen, wenn die grammatisch männliche Namensform für die Bezeichnung gemischter Gruppen benutzt wird. Dies gilt auch für Personen, deren Geschlecht unbekannt ist oder nicht weiter spezifiziert wird.
- Beispiel: Die Wanderer gingen den Berg hinauf.
Daneben gibt es in der deutschen Sprache auch generische Feminina und Neutra für Lebewesen verschiedenen biologischen Geschlechts (die Gans, die Katze, die Hexe, die Geisel, die Waise, das Opfer, das Geschwister, das Kind), wobei ggf. die maskuline Form hier durch Ableitung aus der femininen Form gebildet wird. Zudem werden etwa Verkleinerungsformen (Diminutive) von Personenbezeichnungen durch grammatisch neutrale Nomina ausgedrückt (das Mädchen, das Knäblein). Deshalb ist also von einem Abweichen zwischen Genus (grammatikalisches Geschlecht) und Sexus (biologisches Geschlecht) zu sprechen, wobei die generische Form oft, jedoch nicht immer, ein Maskulinum ist. Grammatisch besteht also kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Genus und Sexus, sondern dieser ist rein psychologisch bedingt.
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[Bearbeiten] Problematik
Die Verschiedenheit zwischen generischem und spezifischem Maskulinum, insbesondere wenn jeder Zusammenhang fehlt, führt dazu, dass bei den meisten Menschen die kognitive Präsenz (Vorstellung) weiblicher Personen bei Verwendung des generischen Maskulinums bedeutend geringer ist als bei neutraler Formulierung oder Beidnennung (so genannter „Male Bias“). Diverse Untersuchungen der umstrittenen feministischen Linguistik im deutschsprachigen Raum haben diese ursprünglich aus dem englischen Sprachraum stammenden Untersuchungsergebnisse bestätigt. Obwohl es also in der Grammatik keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Genus und Sexus gibt, stellten die Menschen in der Praxis demnach eine solche Verbindung her. Inwieweit diese Verbindung allerdings durch andere Praxen entsteht, z. B. dadurch, dass bestimmte Berufe überwiegend von Personen eines Geschlechts ausgeübt werden, ist unklar.
Für die Befürworter des generischen Maskulinums macht die Schreibweise mit Beidnennung die Texte lang und unübersichtlich und eignet sich mehr für politische Proklamationen und Festtagsreden, als für sachliche Texte. Sie wirke auf manche Menschen fremd. Zudem werde die Verbindung von grammatischem Geschlecht und sexuellem Geschlecht durch die Verwendung von Binnen-I oder Schrägstriche und ausdrücklicher Verwendung auch des weiblichen Genus weiter verstärkt, da das eigentlich geschlechtsneutrale generische Maskulinum seltener auftrete.
Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Verbindung zweier Funktionsbezeichnungen zu einem Kompositum: So müsste etwa der Begriff „Schülervertreter“ in „Schülerinnen- und Schüler-Vertreter sowie Schülerinnen- und Schüler-Vetreterinnen“ oder „Schülerinnen- und Schülervertreterinnen und -vertreter“ umgeformt werden.
Andere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Lesbarkeit von Texten: „Ein(e) geeignete(r) Schauspieler(in) musste die Rolle übernehmen.“ Es ist nahezu unmöglich, diesen Satz auf Anhieb korrekt laut vorzulesen.
In Texten zu historischen Begebenheiten ist unklar, ob sich etwa keltische Krieger oder Priester nur auf Männer oder auf Frauen und Männer beziehen. Es sind Kenntnisse erforderlich über die gesellschaftliche Situation, auf die sich der Text bezieht.
Die Emanzipation der Frau oder der beiden Geschlechter findet einerseits durch die Sprache statt (Bewusstmachung von Möglichkeiten durch deren explizite Nennung, Bewusstmachung der Präsenz von Männern respektive Frauen in geschlechtsuntypischen Bereichen). Anderseits finden die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahren auch in der Sprache ihre Resonanz. So gab es bis vor einigen Jahren zum Beispiel keine männliche Bezeichnung für „Hebamme“ (männl.Form - Entbindungspfleger -eigentl.: Entbindungspfleger/in) oder „Politesse“ (-eigentl.: Parkraumüberwachende).
Manche ordnen eine geschlechtsneutrale oder auch Frauen explizit nennende Wortwahl der „politischen Korrektheit“ zu, und vertreten die Ansicht, dass damit dem eigentlichen Anliegen mehr geschadet, als dem Ziel der Gleichberechtigung gedient würde.
Im Gegensatz dazu nehmen unter anderen Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny von der Universität Mannheim für sich in Anspruch in mehreren Studien nachgewiesen zu haben, dass Frauen, wenn sie nicht explizit erwähnt werden, das heißt wenn das generische Maskulinum benutzt wird, auch nicht „mitgedacht“ werden: Bei einem Experiment, bei dem etwa 100 Personen teilnahmen, lagen Fragebogen in drei unterschiedlichen Sprachversionen vor: die männliche, geschlechtsneutrale und weibliche Sprachform. Es wurde beispielsweise nach Lieblings-Romanhelden gefragt. Wurden beide Geschlechter in der Frage angesprochen, so wurden mehr weibliche Romanfiguren genannt als in der Fragestellung mit der rein männlichen Form.
Damit meinen sie Studien aus dem angelsächsischen Raum zu bestätigen, die – obwohl es im Englischen die Spaltung in Genus und Sexus nicht gibt – einen so genannten Male Bias feststellten. Ob dies aber auch daran liegt, dass das generische Maskulinum zurückgedrängt wird, wurde bisher nicht untersucht, gilt jedoch als unwahrscheinlich, da im angelsächsischen Raum mit vermehrter Erwähnung von Frauen in frauenuntypischen Bereichen der male bias rückläufig ist und nicht zunehmend. Für den deutschsprachigen Raum können Folgerungen über mögliche Ursachen und Wirkungen des bei Verwendung des generischen Maskulins auftretenden male bias erst dann getroffen werden, wenn vergleichbare Untersuchungen über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.
[Bearbeiten] Anwendung geschlechtsneutraler Formulierungen
Die linke Schweizer Wochenzeitung WOZ und die Berliner Tageszeitung taz verwenden in ihren Beiträgen die abgekürzte geschlechtsneutrale Schreibweise mit dem Binnen-I (LehrerInnen, SozialpädagogInnen, MinisterialrätInnen usw.). Die Verwendung des Binnen-I bzw. großen I im Wortinnern entspricht weder den alten noch den neuen Rechtschreibregeln. Es wird angeführt, dass es den geschriebenen vom gesprochenen Text trennt. Auch der Ursprung dieser Schreibweise aus der links-alternativen Szene wirkt in der Alltagspraxis bei manchen abschreckend. Das Binnen-I stieß überwiegend auf gesellschaftliche Ablehnung. Dadurch, dass in vielen Fällen die maskuline Form im Wort nicht mehr erkennbar ist, handelt es sich eher um ein verstecktes generisches Femininum. Nicht zuletzt sei die ungewohnte Verwendung von Großbuchstaben inmitten von Wörtern sprachästhetisch problematisch.
Die Redaktion des Duden empfiehlt in ihrer Zeitschrift Sprachspiegel, in bestimmten Fällen das generische Maskulinum in seine geschlechtsspezifischen Formen aufzulösen [1]. Das gelte insbesondere bei der direkten Ansprache („Bürgerinnen und Bürger“) oder in Formularen und Stellenausschreibungen. Bei letzteren kämen aus Platzgründen meist die Kurzformen zum Zuge (Lehrer/-innen). Die Duden-Redaktion erklärt das generische Maskulinum nicht für abgeschafft, erkennt aber an, dass eine „Breitenwirkung der feministischen Sprachkritik“ eingesetzt habe, und beim Verfassen vieler Texte niemand mehr um die „Frage der angemessenen sprachlichen Berücksichtigung von Frauen“ herumkäme. Gemäß Duden Band 9 („Richtiges und gutes Deutsch“) ist das „große I“ rechtschreibwidrig. Der Band gibt jedoch Hilfestellungen zur geschlechtergerechten Formulierung (Splitting).
Die Dudenredaktion formuliert folgende Empfehlungen für den Fall, dass geschlechterneutral formuliert werden soll:
- Doppelnennung: Lehrerinnen und Lehrer
- Bei Bedarf nach Verkürzung eine dieser beiden Kurzschreibweisen:
- Schrägstrich: Mitarbeiter/-in. Die Schrägstrich-Schreibweise ist nur zusammen mit dem Bindestrich korrekt. Sie ist nur in solchen Fällen korrekt, bei denen die feminine Form nur durch Hinzufügen von Buchstaben an die maskuline Form am Wortende gebildet wird, also nicht bei Kollege/Kollegin und auch nicht bei Arzt/Ärztin, weil hier ein Umlaut gebildet wird.
- Klammerbenutzung: Sie ist im Gegensatz zur Schrägstrich-Variante auch dann möglich, wenn zur Bildung des Femininum Buchstaben im Wortinneren hinzugefügt werden: Kolleg(inn)en.
- Falls sich im Wortinnern Buchstaben ändern, also z. B. bei Ärztin/Arzt, ist keine dieser beiden Kurzschreibweisen korrekterweise möglich.
- Bei Umformulierung eines Satzes in den Plural bieten sich oft Möglichkeiten, eine Kurzschreibweise zu benutzen, die sich im Singular nicht oder nicht so einfach bietet: Den Satz Jeder Autofahrer kennt dieses Problem kann man im Singular nur durch Doppelung sowohl von jeder als auch von Autofahrer so ausdrücken, dass beide Geschlechter genannt werden. Formuliert man ihn um in den Plural, kann man elegant eine Kurzform verwenden: Alle Autofahrer(innen) kennen dieses Problem.
- Beim Vorlesen sollten die genannten Kurzformen als Doppelnennungen ausgesprochen werden.
- Ersatzformulierungen mit geschlechtsneutralen Wörtern, gebildet durch Adjektive, Partizipien und neue Zusammensetzungen:
- Verwitwete statt Witwen und Witwer
- Studierende statt Studentinnen und Studenten
- Lehrerschaft statt Lehrerinnen und Lehrer
- Redaktion statt Redakteure und Redakteurinnen
- Ärztlicher Rat statt Rat des Arztes
Auch bei Berücksichtigung dieser Empfehlungen bleibt in Form von Komposita das generische Maskulinum erhalten. Das betrifft Wortzusammensetzungen, bei denen das generische Maskulinum an erster Stelle steht, z. B. „Fußgängerüberweg“, „Leserbrief“ oder auch „Bürgermeister/-in“ (hier auf den Bestandteil „Bürger“ bezogen, nicht auf „Meister/-in“).
Durch die Verwendung von Ersatzformulierungen können jedoch in seltenen Fällen auch unbeabsichtigte Mehrdeutigkeiten oder Bedeutungsverschiebungen erzeugt werden, da sie selten strikt synonym, sondern meist nur bedeutungsähnlich sind.
[Bearbeiten] Anwendung des generischen Femininums
Die Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin verwendet das generische Femininum und führt die Dienstbezeichnungen grundsätzlich in der weiblichen Form, die grammatisch männliche Form darf aber auch verwendet werden. Diese Regelung orientiert sich an § 91a Ausländergesetz, der dasselbe für die Dienstbezeichnung der Ausländerbeauftragten anordnet. Der Name des Versorgungswerks wurde jedoch nicht geändert.
[Bearbeiten] Literatur
- Senta Trömel-Plötz: Vatersprache Mutterland. Beobachtungen zu Sprache und Politik. Frauenoffensive, München 1993, ISBN 3881042199
- Senta Trömel-Plötz: Frauensprache. Sprache der Veränderung. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3596237254
- F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen (Beitrag in Zeitschrift für Germanistische Linguistik) (1998)
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Martin Braun, Wien: „Zum movierten Femininum auf “-in"“ – Antwort auf einer Mailingliste zur deutschen Sprache