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Georg Renno - Wikipedia

Georg Renno

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Georg Renno (13. Januar 1907 in Straßburg; † 4. Oktober 1997) war ab 1940 als stellvertretender ärztlicher Leiter der Tötungsanstalt Hartheim mitverantwortlich für die Tötung von 28.000 Menschen im nationalsozialistischen Euthanasieprogramm T4.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Herkunft und Karriere

Georg Renno wurde als einziges Kind eines Angestellten in Straßburg/Elsass geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er gemeinsam mit seiner Familie aus der Stadt vertrieben und kam nach Ludwigshafen, wo er die Grundschule und Oberrealschule besuchte. Nach bestandener Reifeprüfung studierte er Medizin in München und Heidelberg und promovierte 1933 über „Die Gefahren der Tonsillektomie“. Bereits 1930 war er der NSDAP beigetreten und 1931 der SS.

[Bearbeiten] Mitarbeit an der Tötung Behinderter

Im November 1933 wurde er als Assistenzarztes an der Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen eingestellt. Dort entwickelte er 1940 gemeinsam mit Prof. Nitsche eine unauffällige Mordmethode, das sogenannte Luminal-Schema, bei der durch die Überdosierung von Luminal, einem Barbiturat und Antiepileptikum, der Tod der Opfer nach einigen Tagen eintrat.

[Bearbeiten] Tötungsanstalt Hartheim

Im Mai 1940 wechselte Renno im Auftrag der Aktion T4 zur Zwischenanstalt Niedernhart, die mit der Tötungsanstalt Hartheim gekoppelt war. Ärztlicher Leiter beider Anstalten war der aus Linz stammende Nervenarzt Dr. Rudolf Lonauer. Im Juni 1940 wurde Renno stellvertretender Leiter der Tötungsanstalt Hartheim, die als gemeinnützige Anstalt und „Erholungslager“ firmierte.

Daneben war Renno auch „T4“-Gutachter und besuchte über 50 öffentliche und kirchliche Heil- und Pflegeanstalten, Altersheime und Siechenanstalten im Bereich der „Ostmark“, um mit Hilfe von Meldebögen die Personen auszuwählen, die anschließend in den Tötungsanstalten vergast werden sollten.

In Kooperation mit Lonauer und dem Büroleiter der Aktion T4, Christian Wirth organisierte Renno die Ermordung geistig Behinderter in Hartheim. Zu seinen Aufgaben zählte auch die Vergasung, bei der er eigenhändig das Gas in die Gaskammer einleitete. Anschließend unterzeichnete er standardisierte „Trostbriefe“ an Angehörige und die Sterbeurkunden.

Im Sommer 1941 nahm Renno gemeinsam mit seinem Vorgesetzten, in Gusen, dem Zwillingslager des KZ Mauthausen, eine Selektion an kranken und arbeitsunfähigen KZ-Häftlingen vor, die dann in Hartheim ermordet wurden.

Renno blieb bis zum offiziellen Ende der Aktion T4 im August 1941 in Hartheim. Anschließend war er Leiter der Kinderfachabteilung Waldniel (Rheinland-Pfalz), einer Zweiganstalt der Heil- und Pflegeanstalt Süchteln (Nordrhein-Westfalen). Im folgenden Jahr erkrankte Renno an einer Lungentuberkulose. Nach Kuraufenthalten im Schwarzwald und in Davos kehrte er im Sommer 1943 nach Hartheim zurück, wo er den zum Kriegsdienst einberufenen Lonauer vertrat. Jetzt war er zuständig für die „Sonderbehandlung“ „Aktion 14f13“, bei der Tausende kranker, arbeitsunfähiger oder missliebiger KZ-Häftlinge aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen in Hartheim gebracht und dort ermordet wurden. Ab Februar 1945 musste sich Renno wegen seines Lungenleidens erneut zu einer Kur in Davos entschließen.

[Bearbeiten] Leben nach Kriegsende

Nach Kriegsende übernahm Renno unter falschen Namen Dr. Georg Reinig Arztvertretungen und wurde dann wissenschaftlicher Mitarbeiter der pharmazeutischen Firma Schering AG.

Ab 1955 trat er wieder unter seinem richtigen Namen auf, obwohl die österreichischen Behörden wegen der Mitwirkung bei der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatten.

Erst am 25. Oktober 1961 ließ ihn der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Untersuchungshaft nehmen.

[Bearbeiten] Der Prozess

Am 7. November 1967 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen Hans-Joachim Becker, den geschäftsführende Leiter der Zentralverrechnungsstelle der „T4“-Organisation in Berlin, Friedrich Robert Lorent, seit 1942 Hauptwirtschaftsleiter der „T4“ und Beschaffer der Tötungsmaterialien wie Giftgas und Medikamente, und Georg Renno Anklage wegen Mordes.

Für den Prozess wurden Hunderte von Zeugen, Beschuldigten und Sachverständigen vernommen, die Aussagen bereits verstorbener Zeugen oder Beschuldigter aus früheren Verfahren herangezogen und die Namen vieler Opfer ermittelt und deren biografischer Hintergrund erforscht. Dabei kam es auch zu einem intensiven Austausch mit österreichischen Behörden. Unter anderem wurden die Aussagen des geistig beschränkten „Brenners“ Vinzenz Nohel verlesen, der zugegeben hatte, die Ermordeten verbrannt zu haben und deshalb 1946 im Mauthausen-Prozess zum Tode durch den Strang verurteilt worden war. Auch der ehemalige Büroleiter der Anstalt Franz Stangl, der spätere KZ-Kommandant der Vernichtungslager Sobibor und Treblinka, wurde ausgiebig vernommen.

Renno leugnete eine Beteiligung an den ihm zur Last gelegten Taten und versuchte die Verantwortung auf die bereits verstorbenen Dr. Lonauer und Christian Wirth abzuwälzen. Im Übrigen sei der „an der geschilderten Prozedur nicht beteiligt“ gewesen. „Wie lange die Patienten nach Einströmen des Gases in dem Vergasungsraum blieben, weiß ich nicht. Da ich den Vorgang nie selbst miterlebt habe, kann ich hierzu nähere Angaben nicht machen. Soweit ich unterrichtet bin, war an der unmittelbaren Vergasung der Patienten kein Arzt beteiligt; ich selbst auf keinen Fall. Ob Dr. Lonauer stets oder gelegentlich den Gashahn bedient hat, weiß ich nicht, da ich nur selten in Hartheim war.“ Die eigentliche Vergasung sei vom sogenannten „Brenner“ vorgenommen worden. Er habe im Schloss lediglich gewohnt und Flöte gespielt. Als ihm Gegenteiliges nachgewiesen wurde, gab er immer nur soviel zu, wie bekannt wurde. Als er nach Personen befragt wurde, die ihn in die Technik des Tötens eingewiesen hätten, entgegnete er: „Den Hahn aufzudrehen war ja auch keine große Sache. Umschweifiger Unterweisungen bedurfte es nicht.“ Bei Vergasungen zu Demonstrationszwecken, an denen unter anderem Reichsinnenminister Frick, Reichsärzteführer Conti und Oberdonaus Gauleiter Eigruber teilnahmen, ließ er es sich nicht nehmen, am Gashahn zu stehen. Vor Gästen, wie dem Leiter der „Aktion T4“ Werner Heyde und seinem Stellvertreter Professor Nitsche spielte er auch gern auf der Flöte Werke von Mozart und Bach. Renno konnte keine Unrechtmäßigkeit seines Handelns erkennen. Seinen Opfern gegenüber blieb Renno uneinsichtig und gefühllos. Im Prozess zeigte er sich als wehleidiger Hypochonder, der es auf eine gutachterlich bescheinigte Prozessunfähigkeit abgesehen hatte und seine angeblich nie ausgeheilte Tuberkulose und Herzrhythmusstörungen anführte.

Im Oktober 1973 bescheinigte die Medizinischen Universitätsklinik Mainz dem Angeklagten eine allgemeine Arteriosklerose mit einer coronarsklerotischen Herzerkrankung und eine Cerebralsklerose, die zu einer dauernden Verhandlungsunfähigkeit führen würden. Die Strafkammer stellte daraufhin das Verfahren am 19. Dezember 1975 endgültig ein. Die Mitangeklagten Becker und Lorent waren bereits am 27. Mai 1970 wegen Beihilfe zum Massenmord zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren beziehungsweise zu sieben Jahren verurteilt worden.

Renno verlebte seinen Lebensabend in Bockenheim im Landkreis Frankenthal und meinte in einem Interview 1997: „Ich selbst habe ein ruhiges Gewissen. Ich fühle mich nicht schuldig, in dem Sinne wie – ja, wie einer, der jemanden erschossen hat [...]. Nachdem ich ja gesehen habe, wie die Leute gestorben sind, muß ich mir sagen, das war keine Qual für die, ich möchte eher sagen, in Anführungszeichen: Es war eine Erlösung. [...] Mit diesem Gefühl gehe ich einmal von hier fort. Ich gehe wieder zurück in die Ewigkeit, wo ich hergekommen bin. Alles andere ist nicht gewesen.“

[Bearbeiten] Literatur

  • Ernst Klee: „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Frankfurt/Main 1997
  • Hanno Loewy/Bettina Winter (Hrsg.): NS-„Euthanasie“ vor Gericht. Fritz Bauer und die Grenzen juristischer Bewältigung. Frankfurt/Main – New York 1996
  • Ulrich Jockusch/Lothar Scholz (Hrsg.): Verwaltetes Morden im Nationalsozialismus. Verstrickung – Verdrängung – Verantwortung von Psychiatrie und Justiz. Regensburg 1992
  • Winfried R. Garscha: Euthanasie-Prozesse seit 1945 in Österreich und Deutschland. Gerichtsakten als Quelle zur Geschichte der NS-Euthanasie und zum Umgang der Nachkriegsgesellschaft mit Tätern und Opfern. Referat anlässlich der Wiener Gespräche „Medizin im Nationalsozialismus – Wege der Aufarbeitung“, 5.–7. November 1998, S. 2 f
  • Walter Kohl: “Ich fühle mich nicht schuldig”. Georg Renno. Euthanasiearzt. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2000
  • Michael H. Kater: Ärzte als Hitlers Helfer. Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Renate Weibrecht. Europa Verlag, Hamburg 2000

[Bearbeiten] Weblinks

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