Hans Mardersteig
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Dr. Hans „Giovanni“ Mardersteig (* 8. Januar 1892 in Weimar; † 27. Dezember 1977 in Verona) war ein deutscher Verleger, Typograf, Schriftgestalter, Buch- und Schrifthistoriker.
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[Bearbeiten] Leben
Hans Mardersteig entstammte einer künstlerisch geprägten Familie. Sein Großvater väterlichseits war ein bedeutender Maler im Weimarer Umfeld Goethes, die Großmutter eine geborene Kehr führte ihre Herkunft auf die Familie Johann Sebastian Bachs zurück.
Früher Kontakt mit Kunst und Literatur (Rainer Maria Rilke, Oskar Kokoschka). Studium der Jurisprudenz in Bonn, Kiel, Jena und Wien (1910 – 1915).
1919 – 1921 zusammen mit Carl Georg Heise und Curt Pinthus (nur im ersten Jahr) Herausgeber der Kunstzeitschrift Genius ( Kurt Wolff Verlag, München) in der Nachfolge von Pan, Insel und Hyperion. Ein Lungenleiden, das bereits einen Militärdienst im 1. Weltkrieg verhinderte, zwang Mardersteig 1922 dazu, München zu verlassen. Er zog nach Montagnola im Tessin, zu dieser Zeit auch Wohnsitz von Hermann Hesse und gründete dort eine Handpresse, die Officina Bodoni. Er wählte diesen Namen in Verehrung für die Drucke des Parmesischen Meisterdruckers Giambattista Bodoni (1740 – 1813). Die italienische Regierung gab ihm die Erlaubnis, 12 der Originalpatritzen-Sätze seiner Schriften zu verwenden. Als erstes Buch entstand 1923 Orphei tragedia di Angelo Poliziano. Gedruckt wurde mit einer von Gottfried Dingler entworfenen Handpresse auf speziell für die Presse angefertigtem Büttenpapier.
1922 – 1927 blieb die Officina im Tessin ansässig; 1926 gewann Mardersteig die Ausschreibung für die Gesamtausgabe des italienischen Nationaldichters Gabriele D'Annunzio und übersiedelte auf Anraten seine Freundes und Druckereibesitzer Arnoldo Mondadori nach Verona. 1927 – 1936 entstanden 49 Bände in einer Auflage von 209 Exemplaren auf der Handpresse auf Kaiserlichem Japanpapier und 2501 Exemplare auf den Maschinenpressen der Montadori-Druckerei. Neun weitere Exemplare entstanden auf Pergament.
Mardersteig verband immer die Forschung mit seiner praktischen Tätigkeit in der Presse. In den reichen Bibliotheken und Archiven der oberitalienischen Städte vollzog sich der bedeutsame Wechsel von der Bewunderung der klassizistischen Formensprache Bodonis hin zu Formenreichtum und Ausdruckkraft der Italienischen Renaissance und ihres Schriftschaffens von Francesco Griffo bis Felice Feliciano. Mardersteig war auf der Suche nach der vollkommenen Schrift; im Laufe der Zeit entstanden nacheinander die Griffo (1929–1939) – eine Renaissance-Antiqua, die den gleichen Ursprung wie die Monotype Bembo hatte (und auch mit dieser kombiniert in der Presse Verwendung fand) –, die Zeno (1931–1937), eine an eine Missale erinnernde Schrift, die Pacioli (1954, nur als Versalalphabet) und schließlich 1946–1955 die Dante. Alle entstanden für die Handpresse; die Dante wurde später für den Maschinensatz von der Monotype Corp. ausgebaut und hatte außergewöhnlichen Erfolg. Daneben entwarf Mardersteig noch in Aufträgen die Zarotto und Fontana (beide die Monotype) Während alle Schriften auf historischen Wurzeln fußten, war die Dante eine komplette Neuschöpfung. Sie stellte den Endpunkt nicht nur im Schriftschaffens Mardersteigs dar, sondern ist auch Höhe- und Endpunkt einer Entwicklung, die mit William Morris am Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hatte und Pressendruck und Buchkunstbewegung zu wichtigen Schrittmachern in der qualitativen Verbesserung von Schriftkunst und Typografie machte.
Fußten die Schriften auch auf den Ideen und Entwürfen Mardersteigs, wurden sie erst durch die kongeniale Umsetzung des Pariser Stempelschneiders Charles Malin (1883–1954) zu den einmaligen Kunstwerken, wie wir sie heute kennen. Malin und Mardersteig lernten sich während der Arbeit an der d’Annunzio-Ausgabe kennen. Die für die Handpresse gefertigten Lettern waren für die Maschinenauflage zu anfällig, eine Reihe von Buchstaben musste neu geschnitten werden, ohne den Charakter des Gesamtbildes zu verändern. Nach dieser mit Bravour gelösten Aufgabe, übertrug Mardersteig dem bescheidenen Franzosen, der lange Jahre für Deberny & Peignot gearbeitet hatte, die Ausführung aller seiner Schriften.
Das Werk der Officina Bodoni nimmt in vielfacher Hinsicht eine Sonderstellung innerhalb der Handpressen des vergangenen Jahrhunderts ein: keine arbeitete länger, keine dürfte ein vergleichbares internationales Ansehen genossen haben, keine schaffte es in solchem Maße, über das rein künstlerische hinaus eine solche Wirkung innerhalb des grafischen Gewerbes zu entfalten.
[Bearbeiten] Auszeichnungen
Giovanni – diesen Vornamen hatte er angenommen, nachdem er 1946 die italienische Staatsbürgerschaft erlangte – Mardersteig wurde vielfach hoch geehrt. 1965 erhielt er den Preis San Zeno, 1968 verlieh ihm die internationale Gutenberg-Gesellschaft den Gutenberg-Preis der Stadt Mainz und im gleichen Jahr den Bodoni-Preis der Stadt Parma. 1972 wurde er Ehrenmitglied der Accademica delle Lettre Venedig (zusammen mit Ezra Pound), 1975 verlieh ihm die Stadt Verona den Cangrande-Preis.
[Bearbeiten] Schriften
- Griffo
- Zeno
- Pacioli
- Dante
- Fontana
- Zarotto (Neue Mardersteig)
[Bearbeiten] Zitat
Ein Buch besteht aus fünf Elementen, das sind Text, Schrift, Druckfarbe, Papier, und Einband.
Aus diesen Elementen eine Einheit zu schaffen, die selbstverständlich überzeugt,
die nicht einer Modeströmung dient,sondern zeitlosen Wert anstrebt,das ist unser Wunsch.
Vom Zufall und Laune frei, soweit dies menschliche Bedingtheit vermag,kennen diese Werke nur das Ziel,
sich würdig in das hohe Erbe einzufügen, das uns in Hand und Verantwortung gegeben wird.
(Credo 1929)
[Bearbeiten] Literatur
- Giovanni Mardersteig: Typograph, Verleger, Humanist. [Bibliographisch-dokumentarischer Katalog] Stamperia Valdonega, Mainz, Valdonega 1990.
- Giovanni Mardersteig: Die Officina Bodoni. Das Werk einer Handpresse. 1923–1977. Maximilian-Gesellschaft, Hamburg, 1979.
Personendaten | |
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NAME | Mardersteig, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Verleger, Typograf, Schriftgestalter, Buch- und Schrifthistoriker |
GEBURTSDATUM | 8. Januar 1892 |
GEBURTSORT | Weimar |
STERBEDATUM | 27. Dezember 1977 |
STERBEORT | Verona |
Kategorien: Mann | Deutscher | Italiener | Geboren 1892 | Gestorben 1977 | Typograf | Verleger