Hayagriva
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Hayagriva (Sanskrit, m., हयग्रीव, hayagrīva, "der Pferdeköpfige") ist eine Gottheit des Hinduismus und des tantrischen Buddhismus. Hayagriva tritt in der Gestalt eines Menschen mit einem Pferdekopf auf. (Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Dämon Hayagriva.)
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[Bearbeiten] Hayagriva im Hinduismus
In der hinduistischen Mythologie ist Hayagriva eine Form von Vishnu.
[Bearbeiten] Verschiedene Versionen von Hayagrivas Erscheinen
Das Erscheinen und Wirken Hayagrivas wird in unterschiedlichen Schriften mit Abweichungen beschrieben. Einige erklären diese Abweichungen damit, dass Hayagriva in jedem Kalpa oder Tag Brahmas erscheinen soll.
In der Verehrung der Vishnuiten gilt Hayagriva als derjenige, der Wissen und Weisheit schenkt. So ist es in den Strömungen des Sri Vaishnavatums (Ramanujas Linie) weit verbreitet, das tägliche Studium der heiligen Schriften mit einem Gebet zu Shri Hayagriva zu beginnen und Bildgestalten von Shri Lakshmi-Hayagriva zu verehren.
Vor Beginn der Schöpfung übermittelte Shri Narayana (Vishnu) aus seiner Großmütigkeit heraus, dem Schöpfergott Brahma den Veda (Wissen). Brahma wurde durch dieses Wissen sehr stolz und ihm gefiel die Macht, die er dadurch als Schöpfer des Universums erhielt. Dieser Stolz lenkte ihn ab und verleitete ihn zu Unaufmerksamkeit. Vishnu, seinem Guru, blieb dies nicht verborgen und er beschloss, den Stolz Brahmas zu brechen. Aus zwei Wassertropfen, die von Vishnus mystischem Lotossitz fielen, erschienen die beiden Dämonen Madhu und Kaitabha. Diese beiden Dämonen verkörperten die Leidenschaft (Guna Rajas) und die Unwissenheit (Guna Tamas). Sie stahlen Brahma das Wissen (Veda), worauf dieser nicht mehr im Stande war, sein Schöpfungswerk weiterzuführen. Brahma flehte Vishnu um Hilfe an, denn ohne das Licht des Wissens drohte alles in der Dunkelheit zu versinken. Darauf erschien die mystische Gestalt Sri Hayagrivas aus einem Opferfeuer und der Klang, der seinen Nüstern entströmte, versetzte die Dämonen in Schrecken. Sie verschleppten den Veda, in "der Gestalt eines Säuglings", in die niedrigsten Bereiche der Schöpfung und flohen. Doch Hayagriva nahm den Veda an sich und brachte ihn zu Brahma zurück, während auch die Dämonen zurückkehrten und feststellten, dass der Veda verschwunden war. Wutentbrannt suchten sie nach Brahma, der erkannte, dass er ihnen gegenüber trotz seiner Gelehrtheit hilflos war. Ohne Stolz bat Brahma diesmal Vishnu um Hilfe und Sri Hayagriva kehrte zurück und tötete die Dämonen. Brahma, der nun voller Aufmerksamkeit die Botschaft Vishnus entgegennahm, konnte nun sein Schöpfungswerk weiterführen.
Auf dieses Begebenheit verweisen die Schriften, wenn sie davor warnen, einem Schüler Wissen zu vermitteln, der nicht aufrichtig danach strebt. [1] [2]
Ebenfalls verbreitet ist die Erzählung aus dem Markandeya-Purana
Am Ende eines Zeitalters, als die Welten vom Wasser verschlungen wurden, ruhte Sri Vishnu in einem mystischen Schlaf (Yoganidra). Während er schlief, erschienen die zwei Dämonen Kaitabha und Madhu aus seinem Ohrenschmalz. Die beiden waren sehr mächtig und versuchten sofort, Brahma zu vernichten. In höchster Not wandte sich Brahma an die große Göttin (Mahadevi - Mahamaya), die sich schließlich aus dem Körper Sri Vishnus vor ihm manifestierte. Sie half, Sri Vishnu aus seinem mystischen Schlaf zu wecken. Er schützte Brahma und kämpfte über 5000 Jahre gegen die Dämonen. Die Göttin Mahadevi beeinflusste daraufhin den Geist der beiden Dämonen, worauf diese sich auf eine Segnung von Sri Vishnu einließen. Sri Vishnus Segnung lautete: Ihr beide werdet durch mich getötet werden! Die Dämonen willigten ein, stellten jedoch die Bedingung, dass dies nur an einem Ort geschehen könne, an dem es kein Wasser gebe. Da die Welten alle überschwemmt waren, waren sich die Dämonen sicher, dass Sri Vishnu keine Fläche finden würde, die geeignet wäre, sie umzubringen. Doch Sri Vishnu enthauptete sie, indem er sie auf seinen Schenkeln Platz nehmen ließ. Auf diese Weise rettete er den Veda und die Welt. Im Markandeya Purana wird Hayagriva nicht namentlich erwähnt, doch stellen viele Kommentatoren den Zusammenhang mit dem Avatar Hayagriva her. [3]
Im Devi Bhagavatam wird sehr ausführliche eine weitere verbreitete Version des Erscheinens Hayagrivas geschildert.
Es ist die Geschichte des pferdeköpfigen Dämons Hayagriva, der vom pferdeköpfigen Vishnu getötet wird. Sri Vishnu wurde nach Tausenden von Jahren Kampf mit den Dämonen von Müdigkeit ergriffen. So zog er sich in einen tiefen mystischen Schlaf zurück. Während dieser Zeit führten Indra, Brahma und Shiva ein großes Opfer durch, das nur mit der persönlichen Anwesenheit Sri Vishnus erfolgreich beendet werden konnte. Doch sie wagten nicht, Sri Vishnu zu wecken und so entschied Brahma, kleine Insekten zu beauftragen den Bogen anzufressen, auf dem Sri Vishnus Kopf ruhte, um ihn so zu wecken. Auf diese Weise würde das Entfernen des Bogens Sri Vishnu zu gegebener Zeit wecken. Doch als es soweit war, zerriss die Sehne des Bogens mit einem übernatürlichen Klang – nicht nur der Bogen war verschwunden, sondern auch der Kopf der Gottheit Vishnu. In größter Not wandten sich nun alle an Mahamaya, da sie als einzige helfen konnte. Als Mahamaya erschien, klärte sie nicht nur die Ursache für das Verschwinden des Kopfes Vishnus auf, sondern offenbarte auch, weshalb er nun durch sie einen Pferdekopf erhalten sollte. Demnach hatte viele Jahre zuvor ein Dämon namens Hayagriva für lange Zeit schwerste Entsagungen auf sich genommen und dafür eine Gunst von ihr erbitten dürfen. Als ihm diese gewährt wurde, erbat er sich zum einen, unsichtbar werden zu können. Mit Hilfe dieser Eigenschaft, hatter er Hunderte von Jahren gegen die Götter gekämpft und sie geschlagen. Doch er wollte auch unsterblich sein. Da Unsterblichkeit in dieser Welt nicht gegeben werden kann, änderte er seinen Wunsch dahingehend, dass er nur sterben könnte, wenn eine Person mit einem Pferdekopf ihn töten würde. Dies geschah nun mit dem Erscheinen Vishnus, als er einen neuen Kopf erhielt. Und damit erlöste Vishnu-Hayagriva die Götter vom Joch des Dämonen Hayagriva.[4]
Die Vernichtung der Dämonen Madhu und Kaitabha beschreibt das Devi Bhagavatam in einer separaten Geschichte.[5] Shri Hayagriva findet hier keine Erwähnung.
Im Devi Mahatmya wird das Erscheinen und Vernichten der beiden Dämonen Madhu und Kaithaba der großen Göttin Mahadevi zugeschrieben. Auch hier findet Hayagriva keine Erwähnung.[6]
[Bearbeiten] Zitate
Brahma spricht zu seinem Sohn Narada: "Bhagavan, der Herr, erschien in einem Opfer, das ich darbrachte, als die Inkarnation Hayagriva. Er besitzt eine goldene Körpertönung und er ist es, der durch Opfer erfreut wird. Er ist die Seele der Halbgötter und die Personifikation vedischer Hymnen. Wenn er durch seine Nüstern atmet, werden wunderbare Klänge hörbar." (Bhagavatapurana 2.7.11)
[Bearbeiten] Hayagriva im Buddhismus
In der Nyingma und später auch der Kagyü-Schule des tibetischen Buddhismus hat Hayagriva eine wichtige Stellung. Er gehört zu den sogenannten "acht großen Heruka-Gottheiten" des Mahayoga neben Hevajra, Guhyasamaja, Chakrasamvara, Vajrakilaya, Jamantaka, Amrita und Mamo. Hayagriva ist eine zornvolle Erscheinungsform des Buddha Amitabha, dem Herrn der Lotus-Buddhafamilie. Hayagriva verkörpert tatkräftiges Mitgefühl und ist damit ein zornvoller Ausdruck des Bodhisattva Avalokitesvara. Es finden sich verschiedene tantrische Übertragungen zu Hayagriva in diesen Traditionen. Hayagriva wird dabei mit unterschiedlichen Attributen einzeln oder in Vereinigung mit seiner Partnerin dargestellt. Die tantrischen Schriften zu Hayagriva wurden während der ersten Übersetzungsphase buddhistischer Schriften aus dem Sanskrit ins Tibetische im achten Jahrhundert im tibetischen Kloster Samye übersetzt.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Beschreibung einer Shri-Ramanuja-Schule
- ↑ Hayagriva Sthothram
- ↑ Markandeya Purana
- ↑ Devi Bhagavatam: 1. Buch, 5. Kapitel
- ↑ Devi Bhagavatam: 10. Buch, 11. Kapitel
- ↑ Devi Mahatmya: Description of Killing of Madhu and Kaidabha
[Bearbeiten] Weblinks
- Wie Vishnu zu Hayagriva wird (Devi Bhagavatam, erstes Buch, 5. Kapitel)