Hochwasserschutz
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Unter Hochwasserschutz versteht man die Summe aller Maßnahmen zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung als auch von Sachgütern vor Hochwasser. Es kann sich hierbei um technische Maßnahmen, natürlichen Rückhalt und Maßnahmen der weitergehenden Vorsorge handeln (Drei-Säulen-Strategie).
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Technischer Hochwasserschutz
Der technische Hochwasserschutz setzt sich insbesondere für Fließgewässer im Schwerpunkt aus den Bereich Rückhaltung und Objektschutz zusammen. Mögliche Instrumente für Rückhaltung sind Rückhaltebecken verschiedener Bauarten sowie Polder. Diese speichern größere Wassermengen und sind somit in der Lage die Abflussspitze von Hochwasserwellen zu vermindern. Maßnahmen zum Objektschutz sind lineare Bauwerke entlang des Gewässers, die Verhindern, dass Hochwässer beim Ausufern in gefährdete Bereich wie etwa Siedlungen, Infrastruktur, Industriegebiet o.ä. eindringen. Hierzu zählen Deiche und Schutzmauern als stationäre bauliche Anlagen, aber auch mobile Element, die im Falle einer Hochwasserwarnung installiert werden.
[Bearbeiten] Natürlicher Rückhalt
Je nach Größe des Einzugsgebietes eines Gewässers und der Niederschlagsverhältnisse tragen menschliche Landnutzung und Gewässerausbau zu einer Verschärfung der Hochwassersituation durch Erhöhung des Oberflächenabflusses und verringerten Rückhalt in der Aue (natürliche Überflutungsflächen) des Gewässers bei. Häufig genannt wird Flächenversiegelung als Ursache, aber auch die Intensivlandwirtschaft kann einen erheblichen Beitrag zur gesteigerten Abflussbildung leisten. Dass dabei selbst auf ungesättigten Böden Oberflächenabfluss auftritt, ist nicht in der Größe der Porenräume zu begründen, sondern liegt an der Durchlässigkeit der obersten Millimeter der Bodenoberfläche. Dort wird das Bodengefüge bei Regenereignissen durch Verschlämmung oft undurchlässig. Hinzu kommen die Eingriffe in das natürliche Gleichgewicht des Flusssystems. Uferbefestigungen, Wehre, Staudämme und Flussbegradigungen haben ihr übriges dazu getan, dass in weiten Teilen Nordamerikas und Europas die Auen als natürliche Retentionsräume (natürliche Überflutungsflächen) und komplexe Ökosysteme aus dem Landschaftsbild verschwunden sind. Durch Anreizmechanismen wie landwirtschaftliche Förderung für extensivere Nutzungskonzepte, Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen, dezentrale Regenwasserbewirtschaftung in Siedlungsgebieten und die Förderung der natürlichen Gewässerentwicklung, z. B. Flußrückbau und Auenvernetzung, wird versucht, dieser Verschärfung entgegenzuwirken.
[Bearbeiten] Weitergehende Vorsorge
In diesem Handlungsfeld des Hochwasserschutzes sind alle Maßnahmen zusammengefasst, die der allgemeinen Vorsorge und als organisatorisch-technische Maßnahmen im Hochwasserfall dienen. Hierzu zählen die Einrichtung von Hochwasserwarnzentralen, die offizielle Ausweisung von Überschwemmungsgebieten, um im Vorfeld eine Bebauung gefährdeter Bereiche zu verhindern sowie die Aufstellung von Notfall- und Katastrophenplänen. Aber auch Wasserkraftwerke können so angelegt werden, dass sie durch ihr Rückstauvermögen einen Hochwasserschutz bieten.
[Bearbeiten] Schutzziel
Hochwasser werden entsprechend ihrer Jährlichkeit eingeteilt. Diese entspricht dem statistischen Wiederkehrsintervall. Dies bedeutet, dass ein 100 jährliches Hochwasserereignis rein statistisch gesehen alle 100 Jahre wiederkommt. Das schließt aber nicht aus, dass in zwei aufeinanderfolgenden Jahren sich ein solches Hochwasser ereignet. Schutzziele für verschiedene Bereiche werden gemäß diesen Wiederkehrsintervallen definiert. Für größere, bebaute Areale ist im allgemeinen der 100 jährliche Wiederkehrsintervall maßgebend. Für kleinere Siedlungen und Einzelobjekte geht man zwischenzeitlich häufig dazu über, das Schutzziel in Abhängigkeit vom Schadenspotential zu definieren, so dass die Kosten für Schutzmaßnahmen nicht über dem potentiellen Schaden liegen. Hauptziel bleibt aber weiterhin der Schutz von Leib und Leben gegen die Auswirkungen von Hochwasserereignissen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in vielen Gegenden Deutschlands auch landwirtschaftliche Flächen gegen Hochwasser mit einem Wiederkehrinterwall von 5-10 Jahren geschützt. Von dieser Praktik wird aber seit geraumer Zeit Abstand genommen und ältere Anlagen rückgebaut.
[Bearbeiten] Niederlande
Das Parlament der Niederlande hat nach der verheerenden Sturmflut von 1953, als große Teile des Landes unter Wasser standen festgelegt, dass ein Schutz gegen ein 1.250-jährliches Hochwasser erreicht werden muss. Dieses Schutzniveau gilt sowohl für Flüsse als auch die Küste. Dem Beschluss folgten gründliche, wissenschaftliche Untersuchungen und ein technisch und finanziell aufwendiges Sicherungsprogramm. Das festgelegte Schutzniveau wurde 30 Jahre später, mit dem Abschluss der großen Küstenbauwerke, überall erreicht. Zur Zeit prüfen die Niederlande, ob durch Klimawandel, nämlich Klimaerwärmung und/oder vermehrte Klimaextreme, die früheren Einschätzungen der Dimension der 1.250-jährlichen Hochwasser nach oben angepasst werden müssen. Dann soll der Schutz weiter verstärkt werden.
[Bearbeiten] USA
In den USA wurde der Hochwasserschutz vom dafür zuständigen US Army Corps of Engineers (http://www.usace.army.mil/) auf das Niveau eines 230-jährlichen Hochwassers festgelegt. Dieses Niveau ist auch gewährleistet, jedoch hat die Überflutung von New Orleans zu der Erkenntnis geführt, dass dieses Schutzniveau nicht ausreicht
[Bearbeiten] Österreich
In Österreich werden folgende Schutzziele angestrebt:
- HQ30 Untergeordnete Objekte
- HQ100 Standardschutz
- HQ150 Ausbaugrad Wildbach
Darüber hinausgehende Schutzgrade werden bei besonderer Schutzerfordernis (z. B. für die Stadt Wien) angestrebt.
Bei allen Hochwasserschutzmaßnahmen ist jedoch zu beachten, dass stets ein Restrisiko besteht (Anlageversagen, Überschreitung des Bemessungshochwassers).
[Bearbeiten] Deutschland
In Deutschland schreibt das Wasserhaushaltsgesetz vor, Flächen, die statistisch gesehen ein mal in hundert Jahren überschwemmt werden können, als Überschwemmungsgebiete in amtlichen Karten auszuweisen und in die Bauleitplanung zu übernehmen. In solchen Überschwemmungsgebieten werden nach den Landesgesetzen oder Gemeindesatzungen weitere Vorschriften erlassen. So ist zum Beispiel bei Eingriffen die zuständige Wasserbehörde zu konsultieren. Die Bauleitplanung oder die Wasserbehörde kann Maßnahmen, wie eine Gebäudeerweiterung oder eine Aufforstung, auch auf privaten Grundstücken verbieten. Hochwassergefährdete Flächen (HQ > 100, z. B. Versagen eines Deiches) sind in Deutschland ebenfalls zu kennzeichnen. Die Kommune ist verpflichtet, die Bevölkerung auf diese Gefahren hinzuweisen, damit eine private Vorsorge ermöglicht wird.
Gesetzliche Vorschriften über das Schutzniveau gibt es nicht. Es gibt lediglich ein Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Hauseigentümer bei Flutschäden einen Amtshaftungsanspruch gegen den Träger des Hochwasserschutzes haben, wenn der Schutz nicht wenigsten gegen ein 50-jährliches Hochwasser gewährleistet ist. Dieser Mindestschutz ist (auch wegen dieser Rechtsprechung) weitgehend erreicht. Am Oberrhein bis Basel besteht ein Schutz gegen ein 100-jährliches Hochwasser. Im Oberrheingraben bestand früher ein Schutz gegen ein 200-jährliches Hochwasser. Durch den Ausbau des Oberrheins durch Frankreich gingen aber riesige Auen entlang des früheren natürlichen Flusslaufes verloren. Außerdem benötigt eine Flutwelle von Basel bis Mannheim zur Mündung des Neckars statt ca. 72 nur ca. 36 Stunden, so dass die Überlagerung mit der Flutwelle aus dem Neckar bei großflächigen schweren Regenfällen möglich ist. Das Schutzniveau ist abgesunken auf ein 100-jährliches Hochwasser, das 1998 beinahe erreicht wurde. Es wurde daher beschlossen, das Schutzniveau wieder durch Deicherhöhungen, Deichverstärkungen und Bau von Poldern auf ein 200-jährliches Hochwasser anzuheben. Das Programm soll bis 2015 abgeschlossen sein, stockt aber teilweise aus rechtlichen, teilweise aus finanziellen Gründen. Zuständig für die Koordination der Forschung und Ort für die Absprachen der Rheinanlieger zum Hochwasserschutz ist die „Internationale Kommission zum Schutz des Rheins“ (IKSR; http://www.iksr.org), die sich ursprünglich vor allem mit der Verwirklichung des Umweltschutzes am Rhein beschäftigte. Die IKSR hat auch einen Hochwasseratlas Rhein herausgegeben, der die wesentlichen Erkenntnisse enthält und bisher angestrebte Schutzziele definiert. Der Altas kennzeichnet alle Gebiete, die bei einen 200-jährlichen Hochwasser überflutet werden.
Vor dem Hintergrund der Klimaänderung und der veralteten Klimadaten (Berechnungsgrundlagen) wird auch z. B. in Sachsen inzwischen angestrebt, Durchflussmengen von „HQ 200“ schadlos ableiten zu können.
[Bearbeiten] Literatur
- Heinz Patt (Hrsg.) et al.: Hochwasser-Handbuch. Auswirkungen und Schutz. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur und Tokio 2001, ISBN 3-540-67737-2
- Peter Heiland: Vorsorgender Hochwasserschutz durch Raumordnung, interregionale Kooperation und ökonomischen Lastenausgleich. Schriftenreihe WAR, Nr. 143. Herausgegeben vom Verein zur Förderung des Instituts WAR, Wasserversorgung und Grundwasserschutz, Abwassertechnik, Abfalltechnik, Industrielle Stoffkreisläufe, Umwelt- und Raumplanung der Technischen Universität Darmstadt. Institut WAR, Darmstadt 2002, ISBN 3-932518-39-X
- Michael Hütte: Ökologie und Wasserbau Parey Verlag Berlin 2000
- Robert Jüpner (Hrsg.): Hochwassermanagement. Magdeburger wasserwirtschaftliche Hefte, Band 2005,1. Shaker, Aachen 2005, ISBN 3-8322-4417-4
- Martin Kennel: Vorbeugender Hochwasserschutz durch Wald und Forstwirtschaft in Bayern. Ergebnisse eines Demonstrationsvorhabens. LWF Wissen, Nr. 44. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), Freising 2004
- Roberto Loat, Elmar Meier: Wörterbuch Hochwasserschutz; Dictionnaire de la protection centre les crues; Dictionary of flood protection. Herausgegeben vom Bundesamt für Wasser und Geologie, BWG, Biel. Haupt-Verlag, Bern, Stuttgart und Wien 2003, ISBN 3-258-06536-5
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Category: Flood protection – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Informationen vom Umweltbundesamt
- Gewässerkundliches Informationssystem des Bayer. Landesamts für Wasserwirtschaft
- Hochwasser (Bund für Umwelt und Naturschutz)
- Hochwasserschutz (Landesbund für Vogelschutz in Bayern)
- Informationen über ein interessantes Schutzsystem
- Informationen der Seidel GmbH - Braunschweig über den Schutz vor Hochwasser
- Hochwasserschutzbauprogramm Hamburg (pdf)