Industrialisierung der Entwicklungsländer
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Das wirtschaftliche Wachstum der Entwicklungsländer ist oft auf Importe aus den Industrieländern angewiesen. Dies führte zwangsläufig zu einer ständig zunehmenden Abhängigkeit von den Industrieländern sowie zu einer sich verschlechternden Handelsbilanz und einer hohen Auslandsverschuldung. Deshalb wurde schon früh der Wunsch nach einer Industrialisierung in den Entwicklungsländern laut. Man glaubt, dass ein hoher Industrialisierungsgrad der Schlüsselfaktor für die Schaffung eines höheren Wohlstandes der reichen Nationen sei und dass die Entwicklungsländer, um sich zu entwickeln, diesen Industrialisierungsgrad anstreben müssten. Auch könnte eine Industrialisierung die zahlreichen Arbeitslosen und Unterbeschäftigten aus der Landwirtschaft aufnehmen und die Produktivität der Landwirtschaft zusätzlich erhöhen, indem sie Maschinen, Düngemittel usw. bereitstellt. Die sinkende Arbeitslosigkeit würde in den Städten die Nachfrage erhöhen und damit bessere Preise für Agrarprodukte bedingen. Auch ist die Industrie weniger abhängig von schwankenden Erträgen als die Landwirtschaft. Zusammen mit der Industrialisierung käme es wahrscheinlich zum Ausbau von Transport-, Energie-, Finanzwesen und Handel. Deshalb fordern viele Befürworter der Industrialisierung auch eine Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur in den Entwicklungsländern.
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[Bearbeiten] Ursachen für die geringe Industrialisierung
Ein wesentlicher Faktor ist die traditionelle internationale Arbeitsteilung. Diese umfasst den Roh- und Hilfsstoffexport aus den Entwicklungsländern und den Export von Industriegütern aus den Industrienationen; 60% des Welthandels wird somit von den Industrieländern bestritten. Dabei empfangen die Entwicklungsländer knapp 22% der Exporte aus den Industrieländern, die Industrieländer jedoch nahezu 100% der Exporte aus den Entwicklungsländern. Durch diese Handelsabhängigkeit kam es nur vereinzelt zu einer Industrialisierung in den Entwicklungsländern und beschränkt sich dabei jedoch auf die Produktion von Konsumgütern, die bisher importiert werden mussten und dient somit dem Einsparen von Devisen (Importsubstitution). Für einen weitergehenden Aufbau der Industrie wäre jedoch ein Import von vielen Investitionsgütern notwendig gewesen, was die Handelsbilanz weiter verschlechtert und die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Industriestaaten erhöht hätte. Auch weisen die betroffenen Länder eine mangelhafte Infrastruktur auf, die für den Aufbau von Industrie von großer Bedeutung ist. Das nötige Kapital fehlt und müsste durch hohe Steuern, Einsparungen, Auslandsanleihen und Fremdkapital beschafft werden. Der Umfang der lokalen Absatzmärkte ist stark begrenzt, da keine breite kaufkräftige Mittelschicht existiert. Viele Entwicklungsländer verfügen kaum über Ressourcen und Rohstoffe und weisen schlechte Gesundheitsverhältnisse, einen geringen Bildungsstand, mangelnde unternehmerische Kenntnisse und andere soziale Merkmale auf, die die Entwicklung einer Industrie hemmen.
[Bearbeiten] Ansätze einer Industrialisierung
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Eine Veränderung der internationalen Aufgabenverteilung deutet sich seit den 1960er Jahren an - zunehmend exportieren auch Entwicklungsländer industrielle Güter. Dies ist vor allem auf das Lohngefälle zwischen Entwicklungs- und Industrieländern zurückzuführen. Besonders arbeitsintensive Industriebranchen öffneten Fertigungsstellen in Niedriglohnländern, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Tendenzen werden von vielen Entwicklungsländern durch die Einrichtung von „Freien Exportproduktionszonen“ gefördert. Solche Zonen zeichnen sich durch Steuervergünstigungen, Befreiung von Importzöllen, Gewährung verbilligter Kredite, Bereitstellung von Fabrikgebäuden, Veränderungen im Arbeitsrecht zugunsten der Unternehmer und verminderten Umweltschutzauflagen aus. In Mittelamerika werden die Betriebe in den Exportproduktionszonen Maquilas genannt.
siehe auch: No Logo
[Bearbeiten] Probleme der Industrialisierung
Die Industrialisierung in Entwicklungsländern ist aufgrund der schlecht ausgebauten Infrastruktur auf wenige Gebiete beschränkt. So werden besonders Hafenstädte wegen ihrer Anbindung an die internationale Wirtschaft bevorzugt, was zu Disparitäten innerhalb eines Landes führt. Um teure Importe durch eigene Produkte zu ersetzen, fördern viele Länder den Aufbau einer importsubstituierenden Industrie. Diese ist jedoch nicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtet, sondern richtet ihre Produktionsstruktur auf die Erzeugung von hochwertigen und langlebigen Gütern aus, die nur von der Oberschicht bezogen werden können. Deshalb ist kein nachhaltiges Wachstum mit Anregungen für andere Industriebereiche die Folge. Diese Industrie bedarf einen hohen Kapitaleinsatz und ihre Gewinne kommen oft nur ausländischen Investoren zugute, während von den Entwicklungsländern eher eine Industrie mit niedrigem Kapitaleinsatz, aber arbeitsintensiverer Fertigung von Vorteil wäre. Aus diesem Grund wird von vielen Entwicklungsländern der „ländlichen, angepassten Industrialisierung“ mehr Bedeutung zugemessen als dieser Industrialisierung, die mit der ungleichen Wirtschaftsentwicklung, der rapiden Verstädterung und der Bildung von Slums verbunden ist. Von einer ländlichen Industrialisierung gingen dann auch mehr Beschäftigungs- und Einkommenseffekte aus, innerregionale Disparitäten und das soziale Gefälle zwischen Stadt und Land könnten besser bekämpft werden.
Siehe auch: Verstädterung in Entwicklungsländern
[Bearbeiten] Staatliche Maßnahmen
Die Gefahr der räumlich unterschiedlichen Entwicklung sollen durch staatliche Initiativen begrenzt werden. Dabei handelt es sich häufig um die Einrichtung von Industrieparks, welche vor allem mittleren und kleineren Betrieben als Standort dienen sollen, um dort Agglomerationsvorteile nutzen zu können. In Industrieparks können gleiche Infrastruktureinrichtungen durch mehrere Betriebe gleichzeitig genutzt werden, während ein Betrieb allein nicht das Kapital zur Schaffung solcher Einrichtungen aufbringen könnte. Die meisten dieser Standorte befinden sich in Wirtschafts- bzw. Industriezentren und tragen somit kaum zum Abbau des regionalen Entwicklungsgefälles bei. In vielen Ländern werden auch Schutzmaßnahmen durchgeführt, etwa Importverbote für Waren, die auch im Inland produziert werden können oder Ausfuhrsubventionen, welche für die eigene Industrie lebenswichtig sind.