Melodram (Film)
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Das filmische Melodram ist eines der beliebtesten filmischen Genres. Ebenso wie das Melodram im Theater oder das literarische Melodram bezeichnet man auch das filmische Melodram eher als populäre Unterhaltung. Dieses Massenphänomen teilt sich das Melodram wiederum mit dem Medium Film.Welterfolge wie Vom Winde verweht oder Regisseure wie Douglas Sirk stehen für die große Bedeutung dieses Genres für den Film. Im Laufe der Zeit entwickeln sich verschiedenen Formen des filmischen Melodrams. Sowohl die typische Charakteristika als auch die verschiedenen Formen sollen im Folgenden dargestellt werden.
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[Bearbeiten] Definition
„Melodram“ setzt sich aus zwei griechischen Wörtern zusammen: melos: ‚Lied’ / ‚Klang’ und drama: ‚Handlung’. Das Melodram ist zunächst eine Form des lyrischen Dramas, es entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus der Oper, dem Singspiel und aus lyrischen Kantaten, sowie dem Oratorium (Wodtke, 1965). Eine weiterführende Definition zum Ursprung des Melodrams siehe Melodram (Literatur). Das filmische Melodram kann definiert werden als „Spielfilmgenre, das auf triviale Handlung setzt, die Schicksalhaftigkeit des Lebens betont und den Zuschauer bis zur Gefühlsmanipulation emotional bewegt.“ (Vossen, 2002)
[Bearbeiten] Charakteristik
Im Gegensatz zu vielen anderen filmischen Genres wird die Charakteristik des filmischen Melodrams nicht durch formale Eigenheiten sondern durch thematische Konstanten bestimmt. Diese thematischen und inhaltlichen Eigenheiten sind als Modus des Melodram zu bezeichnen. Diese feststellbaren Modi wiederum schaffen durch ihr gemeinsames Auftreten ein Genre, hier das Genre Melodram. Genre sind in der Filmwissenschaft Gruppen von Spielfilmen mit bestimmten Gruppierungsmerkmalen. (Schweinitz, 2002) Die formale Eigenheit ist dem Melodram abgekommen, da die Eigenheiten des Begriffes in seiner Form zeitweise nicht mehr existent waren. Die Musik rückt im Laufe der Geschichte aus technischen Gründen (Theateraufführungen im 18. Jahrhundert waren nicht imstande, Musik einzusetzen) sukzessive in den Hintergrund, spielt jedoch beim Film wieder ein entscheidendere Rolle. Auch technische oder produktionsbedingte Merkmale können für die Gruppierung der melodramatischen Filme kaum herangezogen werden. Im Gegensatz beispielsweise zum Western ist das Melodram in seiner lokalen und zeitlichen Positionierung nahezu frei. Höchstens sind formatorische Tendenzen auszumachen. So findet in vielen melodramatischen Filmen die Großaufnahme besondere Anwendung um die Gefühle und seelischen Vorgänge sichtbar zu machen. Die Bildkomposition verwendet häufig unterschwellige Botschaften zur Darstellung der melodramatischen Themen. Und die Filmmusik findet hier vor allem gefühlsverstärkend statt. Damit ist also eine Wiederentdeckung des im Theater und in der Literatur teilweise abhanden gekommenen melos zu beobachten. Bereits in den melodramatischen Stummfilmen wurde die live im Kinosaal eingespielte Musik zur Unterstützung der zu vermittelnden Gefühle eingesetzt. Dennoch sind diese formalen Charakteristika nicht dem Melodram vorbehalten und deshalb für eine Typisierung nur bedingt geeignet.
[Bearbeiten] allgemeine Motive
Während sich, wie oben erwähnt, das Genre Melodram kaum durch formale Gemeinsamkeiten bestimmen lässt, treten doch einige Motive oder Modi in vielen melodramatischen Filmen auf. Thema des filmischen Melodrams ist stets der Kampf von Gut gegen Böse. Die melodramatische Schreibweise ist dabei sowohl regel- als auch maßlos. Es gibt nur Gut oder Böse und zwar ausschließlich. Dieses kann in allen erdenklichen Situationen mit aller Wucht deutlich und unumkehrbar werden. Die klassische Personenkonstellation im Melodram ist deshalb ein Dreieck, in dem alle Protagonisten zueinander eine Verbindung habe (müssen) und zwar bestehend aus Heldin, Schurke und Held. Die Beziehung ist zumeist eine Liebesgeschichte, die mehr oder minder offensichtlich ist. Der Schurke bedroht dabei das bereits bestehende Glück von Held und Heldin oder aber er versucht den moralischen Stolz der Heldin zu brechen. Der Held hilft dann der bedrohten Heldin und mit seiner Hilfe kann sie dem meist klassenfremden Schurken widerstehen. Alle Charaktere, die mit einer unzähligen Variation von Nebenhandelnden ausgestattet werden können, unterlagen zunächst der maßlosen melodramatischen Schreibweise. Ein Schurke ist Böse und nur das, an ihm ist nichts Gutes, ebenfalls ist der Held nur Gut. Mittlerweile können diese Motive allerdings auch variiert werden, wie zum Beispiel in dem Film Gegen die Wand, in dem weder Held noch Heldin "gut" im gesellschaftlich-moralischen Sinne sind, dazu kommt, das der Schurke hier die unpersonalisierte, nicht integrationsfähige Gesellschaft ist. Ohnehin gilt mittlerweile bei der Bestimmung der melodramatischen Motivik: Keine Regel ohne Ausnahme. Alle hier dargestellten Motive unterliegen einer nicht enden wollenden Varianzmöglichkeit und auch die Umkehrung der genredefinierenden Motive führt dennoch, wie im eben angeführten Filmbeispiel, zu einer Genre-Zugehörigkeit.
Zusammenfassend könnten für das filmische Melodram also folgende Motive und Charakteristika festgestellt werden:
- Inhalt / Narration dominiert die (technische) Form.
- Das Grundthema ist meistens eine Liebesgeschichte.
- Im Zentrum steht meist eine Frau, die mit Hilfe eines Helden gegen einen Schurken zu bestehen versucht.
- formatorische Eigenheiten könnte sein: häufige Verwendung von Großaufnahmen, Musik und Art der Mis-en-Scène (Bildkomposition)
Des Weiteren gelten auch für den Film die wesentlichen Merkmale des literarischen Melodrams, da die kommerziell erfolgreichsten filmischen Melodramen oftmals Literaurverfilmungen von ebenfalls melodramtischen Werken sind.
[Bearbeiten] Woman´s Film
Der Woman´s Film ist ein speziell für die Zielgruppe Frauen gedrehter Film. In der Darstellung der (immer) weiblichen Protagonistin grenzt er sich gegen das klassische Hollywood-Kino ab. Grundlegende narrative Strukturelemente des typischen Plots (Handlung) sind u.a. Überschreitung der weiblichen Hauptrolle; Auftritt eines außergewöhnlichen Mannes; deutliche Veränderung im Standpunkt der Heldin; Leiden und Opfer; und schließlich ihr Akzeptieren einer gesellschaftlich erwünschteren Rolle. Die weibliche Sexualität bleibt zumeist ausgespart. Die weibliche Hauptfigur wird in einer geradezu obsessiven Weise als labil, psychisch krank, in jedem Fall von einer 'Norm' mentaler Stabilität abweichend, gezeigt. Oftmals taucht ein Arzt oder eine andere männliche Figur, die auf der Seite des Gesetzes steht auf, der der Protagonistin erst durch seine Diagnose (er liest / analysiert den Körper, den erotischen Blick) bzw. Kraft seines Standes eine Identität verleiht. (Cargnelli, 1994)
[Bearbeiten] Serial-Queen-Melodrama
Das Serial-Queen-Melodrama ist eine Form des Melodrams, das sich in den 1910er Jahren entwickelt und zur Aufführung kommt. Es richtet sich speziell, wie der Woman´s Film, an weibliches Publikum, durch 1. feminin konnotierte Formen der Eitelkeit und Zurschaustellung und 2. durch Darstellung der Frau als durchsetzungsfähige, unerschrockene Hauptfigur. Kernelemente der Handlung sind oftmals moralische Polarisierung, verfolgte Unschuld und atemberaubende Wendungen. Alles passiert „on the outside“. Das betrifft sowohl die Wahl der Drehorte als auch die Freiheit von Sentimentalität. Die weibliche Heldin kämpft nicht, wie in der "klassischen" Genreform Melodram, seelische Kämpfe für Gut und gegen Böse sondern sie bemüht sich unter Einsatz ihres Lebens. Der Konflikt zwischen den Klassen spielt hier keine Rolle mehr dafür rückt aber die Betrachtung der Geschlechterrollen ( Gender) in den Mittelpunkt. Die neue Mobilität der Frau in der Öffentlichkeit wird gefeiert, die Gefahr des Ausbrechens aus dem Heim aber gleichzeitig deutlich vor Augen geführt.
Ben Singer macht ebenfalls darauf aufmerksam, dass mit Melodram nicht immer exakt umgegangen wird. Zum einen stellt er fest, dass Melodram in der Frühzeit der Filmindustrie Action, überwältigenden Sensationalismus und Gewalt bezeichnete. Zum anderen stellt er fünf grundlegende Faktoren auf, die nicht alle vorkommen müssen und in jeder nur möglichen Kombination auftauchen können.
1. extreme moralische Polarisierung.
2. heftiges Pathos.
3. überreiztes Gefühl und gesteigerte Zustände emotionaler Not.
4. nicht-klassische Erzähltechniken und Deus ex machina (unerwartet auftretende Person oder Begebenheit, ursprünglich GOTTHEIT, die in einer Notsituation hilft oder die Lösung bringt.)
5. Sensationalismus (gewalttätige Action, Nervenkitzel, Spektakel)
All diese Phänomene sind jedoch aus früheren Formen des Melodrams nicht unbekannt. Neu ist hier die zeitgeistige Komponente auf die technisierte Umwelt zu reagieren. Waren in den literarischen und Bühnenmelodramen noch seelische und moralische Themen fast ausschließlich vorherrschend, so entwickelt sich nun auch das Thema der sich rasant entwickelnden Industrialisierung und Technisierung der Umwelt zu einer Bedrohung des einzelnen, "guten" Individuums. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. macht Singer deshalb auch eine Spektakularisierung des Melodrams aus und zwar in Reaktion auf die Moderne und deren Sensationalisierung in Zeitungen, Groschenromanen, Vergnügungsparks aber auch vom Schrecken des modernen Verkehrs und der veränderten menschlichen Wahrnehmung. (Singer, 2001)
[Bearbeiten] „Nachfolgeform“: Soap Opera
Der Begriff Soap Opera bezeichnet ein täglich oder wöchentlich ausgestrahltes unbegrenztes serielles Fernsehformat. Ursprünglich handelte es sich hierbei um ein Radioformat, das von Seifenherstellern gesponsert wurde, daher der Name. Ihren Programmplatz hat die Soap Opera in erster Linie im werbeintensiven Nachmittags- oder Vorabendprogramm. Jede Folge setzt sich aus bis zu drei Plots zusammen. A-Plot, der Träger der zentralen Geschichte der Folge ist, sowie B- und C-Plot (Nebenhandlungen), die entweder einen alten Handlungsfaden weitererzählen oder einen neuen beginnen. Durch die Verschiebung der Plots innerhalb der Serie wird eine maximale Zuschauerbindung erreicht. Die handelnden Charaktere sind stereotypenhaft angelegt und zeigen selten Lernverhalten. Die Funktion der Charaktere ist wichtiger als ihre Individualität, damit geht auf der Produktionsseite auch eine Austauschbarkeit der Schauspieler einher. Auch in der Soap Opera finden sich die typischen Handlungsmuster des Melodrams, hier allerdings als serielles Format. Ein mehrheitlich weibliches Zielpublikum ist der Soap und dem Melodram ebenfalls gemein. (Marschall, 2002)
Vgl. hierzu auch Seifenoper.
[Bearbeiten] Querverbindungen zu anderen Genres
Das wesentliche Merkmal des melodramatischen, nämlich der Kampf zwischen Gut und Böse findet in fast jedem anderen Filmgenre seinen Platz. Vor allem das Western-Genre hat sich dieses Gut gegen Böse stets zu Nutze gemacht und dabei nicht selten die Moral im Sinne einer Glorifizierung der vergangenen Zeiten und Taten ausgelegt (Die tapferen, ehrenvollen, also "guten" Einwanderer, die auf ihrem unaufhaltsamen Weg in den Westen gegen die wilden, also "bösen" Indianer kämpfen). Diese moralische Auslegung des Studiosystems in Hollywood, die den neuzeitlichen amerikanischen Lebensentwurf als anderen überlegen propagiert, lebt noch bis heute weiter und ist in vielen Genres immer wieder zu beobachten. Als besonders exemplarisches Beispiel sei hier genannt: Der Kampf des Boxers Rocky Balboa gegen den russischen Bösewicht Ivan Drago in Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts in der ausgehenden Zeit des kalten Krieges. Bei solch unverhohlener Glorifizierung des american Way of Life ist es kaum verwunderlich, dass das melodramatische Grundthema auch "anders herum" angewendet werden kann, wie zum Beispiel in dem Film Tal der Wölfe – Irak in dem der türkische Geheimagent Polat Alemdar in den Irak reist um die als Demütigung der Türkei erlebte Sackaffäre an den US-Truppen zu rächen. Auch die von Singer festgestellte veränderte menschliche Wahrnehmung und der Schrecken vor zunehmender Technisierung aus dem frühen 20. Jahrhundert (s. 5. Serial-Queen-Melodrama) findet ihre narrative Fortsetzung zum Beispiel in den Filmen der Terminator-Reihe oder in vielen Filmen des Science-Fiction Genres (Die Filme der Alien-Reihe, Independence Day, usw.).
[Bearbeiten] Literatur
- Brooks, Peter: Die melodramatische Imagination. In: Cargnelli, Christian/Palm, Michael (Hg.): Und immer wieder geht die Sonne auf. Texte zum Melodramatischen im Film. Wien, 1994. S. 35-63. ISBN 3-901196-03-X
- Cargnelli, Christian: Sirk, Freud, Marx und die Frauen. Überlegungen zum Melodram. Ein Überblick. In: Cargnelli, Christian/Palm, Michael (Hg.): Und immer wieder geht die Sonne auf. Texte zum Melodramatischen im Film. Wien, 1994. S. 11-33. ISBN 3-901196-03-X
- Marschall, Susanne: Soap Opera. In: Koebner, Thomas (Hg.): Reclams Sachlexikon des Films. Stuttgart, 2002. S. 561. ISBN 3-15-010495-5
- Schweinitz, Jörg: Genre. In: Koebner, Thomas (Hg.): Reclams Sachlexikon des Films. Stuttgart, 2002. S. 244-246. ISBN 3-15-010495-5
- Seeßlen, Georg: Kino der Gefühle. Geschichte und Mythologie des Film-Melodrams. Erschienen in der Reihe Grundlagen des populären Films hrsg. v. Roloff, Bernhard und Seeßlen, Georg. Reinbek bei Hamburg, 1980. ISBN 3-499-17366-2
- Singer, Ben: Melodrama and Modernity. Early Sensational Cinema and its Contexts. New York, 2001.
- Vossen, Ursula: Melodram. In: Koebner, Thomas (Hg.): Reclams Sachlexikon des Films. Stuttgart, 2002. S. 377-381. ISBN 3-15-010495-5
- Wodtke, Friedrich Wilhelm: Lyrisches Drama. Merker, Paul/Stammler, Wolfgang (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Zweiter Band L-O. Zweite Auflage hrsg. v. Kohlschmidt, Werner und Mohr, Wolfgang. Berlin, 1965. S. 252-258.
[Bearbeiten] Links
Einige weitere interessante Ausführungen zum filmischen Meldodram siehe auch: Melodram (Theater).