Mereologie
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Mereologie (von griech. meros = Teil) ist ein Teilgebiet der Ontologie und der angewandten Logik und befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Teil und Ganzem. Topologische Begriffe wie Rand und Zusammenhang lassen sich mit mereologischen Mitteln untersuchen, woraus die Mereotopologie entsteht. Anwendungen finden sich im Bereich der Künstlichen Intelligenz bei der Wissensrepräsentation.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Vor dem Aufkommen der Mengenlehre wurde in Mathematik und Metaphysik eher beiläufig über Teil und Ganzes nachgedacht, auch bei Aristoteles. Als erster scheint sich Edmund Husserl im Zweiten Band seiner Logischen Untersuchungen von 1901 bewusst und eingehend mit dem Verhältnis von Teil und Ganzem beschäftigt zu haben - jedoch ohne formale Mittel, obwohl er promovierter Mathematiker war.
Den Begriff "Mereologie" prägte Stanisław Leśniewski 1927. Er schrieb zwischen 1916 und 1931 eine Anzahl sehr formaler Arbeiten über das Thema. Die "polnische Mereologie" wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts von Leśniewskis Schülern und deren Schülern ausgebaut. Seit etwa 1985 ist jedoch nur wenig auf diesem Gebiet veröffentlicht worden.
Die Mereologie ist Mathematik, doch sie wurde zur Gänze von Logikern und Informatikern entwickelt. Leśniewskis Schüler Alfred Tarski scheint bis heute der einzige Mathematiker zu sein, der über Mereologie geschrieben hat. Außerhalb der Fachliteraturen über Ontologie und Künstliche Intelligenz wird sie selten erwähnt. Allerdings hat sich auch der Philosoph David Lewis mit ihr in seinem 1991 erschienenen Werk Parts of classes beschäftigt.
[Bearbeiten] Mereologie und natürliche Sprache
Das Verständnis der Mereologie wird durch den Umstand erschwert, dass der Ausdruck "Teil von" in der natürlichen Sprache oft in mehrdeutiger Weise gebraucht wird. Dies braucht keine Schwierigkeiten zu bereiten, wenn Mereologie lediglich dazu dient, logischen Überlegungen eine Nuance hinzuzufügen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob und wie sich bestimmte Ausdrücke aus natürlicher Sprache in mereologische Prädikate übersetzen lassen.
Bunt (1985), zeigt in seiner Untersuchung der Semantik natürlicher Sprachen, wie Mereologie dabei behilflich sein kann, Phänomene wie den Unterschied zwischen Masse und Anzahl und den grammatischen Aspekt zu verstehen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Zwei wichtige Bücher
- Simons (1987) sieht die Mereologie lediglich als Werkzeug für eine formale Metaphysik. Zu den Stärken des Buches gehören: das Werk Leśniewskis und seiner Schüler, die Verbindungen zwischen Mereologie und einigen europäischen Philosophen, insb. Edmund Husserl; die Beziehungen zwischen Mereologie und neueren Arbeiten in formaler Ontologie und Metaphysik; Mereologie, freier Logik und Modallogik; Mereologie, Boolesche Algebra und Verbandstheorie
- Casati und Varzi (1999) sehen in der Mereologie hauptsächlich einen Weg, um die materielle Welt zu verstehen, und die Art, wie Menschen mit ihr interagieren. Zu den Stärken des Buches zählen: Topologie und Mereotopologie; Ränder und Löcher, die mereologischen Folgerungen aus Whiteheads Prozeß und Realität und den hierauf fußenden Arbeiten; Mereologie als Ereignistheorie; Mereologie als "Proto-Geometrie" physischer Objekte; Mereologie und theoretische Informatik.
Beide Bücher enthalten ausgezeichnete Literaturverzeichnisse.
[Bearbeiten] Literatur
- Bunt, Harry, Mass terms and model-theoretic semantics, Cambridge Univ. Press, 1985
- R. Casati, A. Varzi, Parts and Places: the structures of spatial representation, MIT Press, 1999
- Nelson Goodman, The Structure of Appearance, Harvard Univ. Press, 1951
- Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Zweiter Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, 1901
- Stanisław Leśniewski, Grundzüge eines neuen Systems der Grundlagen der Mathematik, Fundamenta Mathematicae XIV, 1-81, 1929
- Richard M. Martin, Metaphysical Foundations. Mereology and Metalogic, Philosophia Verlag, 1988
- Lothar Ridder, Mereologie. Ein Beitrag zur Ontologie und Erkenntnistheorie, Klostermann, 2002
- Peter Simons, Parts: A Study in Ontology, Oxford Univ. Press, 1987
[Bearbeiten] Weblinks
- [1] Stanisław Leśniewski, Grundzüge eines neuen Systems der Grundlagen der Mathematik (PDF-Dokument)
- Eintrag (englisch) in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (inkl. Literaturangaben)