Modellhubschrauber
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Ein Modellhubschrauber ist ein Flugmodell, das in Form und Funktion einem richtigen Hubschrauber nachempfunden, aber deutlich kleiner ist als dieser und keine Person tragen kann.
Im Gegensatz zum Hubschraubermodell aus Kunststoff oder Druckguss mit hoher maßstäblicher Detailtreue ist ein Modellhubschrauber flugfähig und wird meistens funkferngesteuert, muss aber nicht einem großen Vorbild nachempfunden sein. Dieser Artikel behandelt Modelle aller Arten von Senkrechtstartern, auch VTOL-Luftfahrzeuge, die sonst nicht zu den Hubschraubern gerechnet werden.
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[Bearbeiten] Entwicklung
Der erste kommerziell erhältliche Modellhubschrauber wurde 1972 von Dieter Schlüter auf der Spielwarenmesse in Nürnberg präsentiert. Modellhubschrauber haben in den letzten Jahren einen deutlichen Auftrieb bekommen. Ermöglicht wurde dies durch Leistungssteigerung und neue Techniken bei Antrieben und Werkstoffen, so bürstenlose Motoren ('brushless'), Lithium-Polymer-Akkus, Gasturbinen und CFK. Weiterhin gibt es laufend neue Konstruktionen, eine kostengünstige Massenfertigung in China und nicht zuletzt eine zunehmende Bedeutung des Freizeitsports.
[Bearbeiten] Technische Eigenschaften
Die Technik ist teilweise großen Hubschraubern nachempfunden. Besondere Eigenschaften der Modellhubschrauber bedingen aber auch abweichende Konstruktionen bzw. Möglichkeiten:
- Geringe Größe und Gewicht: relativ stärkerer Einfluss von Aerodynamik und Wind.
- E-Motoren bedeuten vereinfachte Getriebe und Regelung im Vergleich zu Verbrennungsmotoren.
- Mehrfach-Antriebe (Heckrotor, Koaxial u.a.) sind mit E-Motoren relativ billig und effizient.
- Gyroskope ermöglichen eine automatische Stabilisierung um eine oder mehrere Achsen.
- Nutzlast, Transportvolumen und Reichweite spielen meist keine Rolle.
- Kein Personentransport.
- Geringere Kräfte am Rotor erlauben ggf. den Verzicht auf Schlag- und Schwenkgelenke.
- Die Lernkurve des Piloten und begrenzte Platzverhältnisse bedingen eine gewisse Sturzfestigkeit.
- Kunstflug inklusive Rückenflug (negativer Rotor-Anstellwinkel) ist relativ einfach möglich.
Als Motorisierung kommen entweder einzylindrige Hubkolbenmotoren oder Elektromotoren zum Einsatz, neuerdings auch kleine Gasturbinen.
[Bearbeiten] Typische Konstruktionen
[Bearbeiten] Drehzahlgesteuert
Bei drehzahlgesteuerten Modellhubschraubern erfolgt die Steuerung des Auftriebs durch Veränderung der Drehzahl, die bei elektrisch angetriebenen Klein-Modellhubschraubern von einem Steller geregelt wird, der gemeinsam mit dem Empfänger und dem Gyro (s. u.) in einem Modul vereint ist. Diese Bauweise spricht träger auf Steuerkommandos an als die pitchgesteuerte Variante, hat aber den Vorteil des einfacheren mechanischen Aufbaus, geringeren Gewichts und ist auch weniger sturzempfindlich. Sie hat sich besonders bei kleinen und günstigen Modellen unter 500 g bewährt. Auch gibt es größere Modelle im Bereich 1,5 kg, die besonders robust sind, so dass hier bei einer unbeabsichtigten Bodenberührung weniger Teile zerstört werden.
Die Gierachse wird dabei meistens kostensparend über einen eigenen Heckmotor geregelt. Da jede Schubänderung des Hauptrotors eine Drehmomentänderung bewirkt, müsste auch die Gierachse ständig nachgeregelt werden - was dem Modellpiloten auch deshalb schwerfällt, weil sich die Bezugsachse, anders als bei einem im Cockpit sitzenden Piloten, beim Drehen ändert. Daher werden heute meistens elektronische Beschleunigungssensoren (sog. Gyro, aber selten ein echtes Gyroskop), eingesetzt, die die Gierachse so regeln, dass sich die Orientierung des Rumpfes nicht ändert.
Die Lateral- (vorwärts-/rückwärts- und seitwärts-, auch Nick und Roll-) Bewegung wird meistens durch eine Taumelscheibe gesteuert, die von zwei Servomotoren angelenkt wird. Bei ganz einfachen Konstruktionen wird darauf verzichtet, es ist dann nur die Flughöhe und die Drehung steuerbar. (vgl. den kleinsten Modellhubschrauber Picoo Z)
[Bearbeiten] Pitchgesteuert
Als Pitch bezeichnet man den Anstellwinkel eines Rotorblatts gegenüber der anströmenden Luft. Die Steuerung des Auftriebs erfolgt dann durch Veränderung des kollektiven Anstellwinkels (siehe Taumelscheibe), die Drehzahl bleibt dabei im Idealfall konstant. Die Ansteuerung erfolgt typischerweise mit drei Servos an der Taumelscheibe, häufig in 120-Grad-Anordnung, bei der die Kräfte sich gleichmäßig auf die Servos verteilen, deren Bewegungen dann (meistens im Sender) gemischt werden müssen.
Beim Heckrotor kommen Konstruktionen mit gesondertem Heckmotor, mit Antriebswelle und Umlenkgetriebe oder auch mit Zahnriemen zum Einsatz. Bei auf diese Weise mechanisch gekoppeltem Heckrotor wird die Gierachse über Anstellwinkel-Änderung des Heckrotors gesteuert, was ein weiteres Servo bedingt.
[Bearbeiten] Koaxialrotor
Wie bei manntragenden Koaxialrotor-Hubschraubern haben zwei gegenläufige, übereinander angeordnete Rotoren den Vorteil, dass kein Heckrotor zum Drehmomentausgleich gebraucht wird. Vor allem entfällt damit der bei einem Heckrotor verbleibende Drift (siehe dort), was die Steuerung bei begrenztem Platz und in Innenräumen (indoor) sehr vereinfacht. Indem die Rotoren über getrennte Elektromotoren elektronisch gesteuert werden, kann der Heckmotor bzw. das Heckservo entfallen, da die Gierachse allein über Drehzahlunterschiede der Rotoren steuerbar ist. Sie reagiert jedoch deutlich träger als beim Heckrotor-Heli, was ein Fliegen bei Wind erschwert. Die Auftriebsregelung erfolgt meistens drehzahlgesteuert und nur der untere Rotor wird via Taumelscheibe zur Nick/Roll Regelung angesteuert. Der konstruktive Aufwand ist damit unterm Strich nicht höher als bei der Heckrotor-Bauweise, während die Steuerung schneller zu lernen ist.
Bei einfachen Konstruktionen wird auf die Taumelscheibe ganz verzichtet und der Nick über einen kleinen, senkrecht wirkenden Heckmotor geregelt. Bei geringer Fluggeschwindigkeit sind damit auch gezielte Flüge möglich, während Aufwand, Gewicht (typisch 50 g) und Sturzempfindlichkeit gering bleiben.
[Bearbeiten] Tandemrotor
Auch die Tandem-Konfiguration wurde schon im Modellbau eingesetzt. Dabei sind zwei Rotoren meistens hintereinander angeordnet. Dieses bedeutet zwei unabhängige Rotorköpfe und Taumelscheiben mit entsprechen hohem Bauaufwand und hoher Empfindlichkeit. Da die Flugleistung eines Modellhubschraubers und insbesondere seine Nutzlast selten ins Gewicht fällt, wird die Tandem-Bauweise ggf. nur eingesetzt, um ein Original möglichst realistisch nachzuempfinden.
[Bearbeiten] Mehrfachrotor
Einen anderen Ansatz verfolgen Designs mit mehreren Rotoren, üblicherweise vier beim Quadrocopter. Dabei wird die Steuerung aller drei Achsen durch unterschiedliche Drehzahlen der vier Rotoren realisiert. Da die Massen i.a. in der Mitte konzentriert sind, fehlt die Eigenstabilisierung eines Hubschraubers. Zur Lagestabilisierung werden daher meistens elektronische Beschleunigungsmesser mit Piezo-Technik oder auch Gyroskope eingesetzt. Durch schnell reagierende, von einem Mikrocontroller gesteuerte Elektromotoren kann hier, anders als bei Hubschraubern oder großen Quadrocoptern, auf empfindliche Rotorköpfe mit Blattverstellung verzichtet werden, was Aufbau, Gewicht und Sturzfestigkeit begünstigt. Diese Bauweise wird zunehmend bei Drohnen und UAVs eingesetzt.
[Bearbeiten] Autogiro
Auch Autogiro oder Tragschrauber werden als Modelle gebaut und geflogen. Es handelt sich dabei nicht um Hubschrauber im engeren Sinne, da der Vortrieb durch einen gesonderten Propeller erfolgt, der Auftrieb aber wie beim Helikopter durch einen Drehflügel, der durch den Luftstrom in Drehung gehalten wird. Vorteil dieser Bauweise ist die äußerst geringe Stall-Geschwindigkeit (s. Strömungsabriss) und geringe Fluggeschwindigkeit, womit Modell-Tragschrauber besonders einfach zu fliegen sind.
[Bearbeiten] Flugleistungen
- Das Gewicht eines typischen Elektro-Modellhubschraubers liegt zwischen 150g (ca. 35cm Rotordurchmesser) und 5kg (ca. 1,10m), es gibt aber auch miniaturisierte Eigenkonstruktionen, die flugbereit unter 10g wiegen (http://pixelito.reference.be/). Bei einem Gewicht über 5kg (ab ca. 1,1m) sind besondere rechtliche Vorschriften zu beachten. Modelle mit Kolbenmotoren beginnen bei etwa 1kg.
- Die Flugzeit bei Elektro-Modellen beträgt je nach verwendetem Akkutytp zwischen 3 und 30 Minuten. Die zur Verbesserung der Flugzeit eingesetzten Lithium-Polymer-Akkus haben gegenüber NiCd- bzw. NiMh-Akkus ein höheres Leistungsgewicht, aber den Nachteil, dass sie bei gleicher Kapazität etwa das doppelte kosten, weniger Ladezyklen ermöglichen und sorgsamer behandelt werden müssen. Bei Verbrenner-Modellen beträgt die Flugzeit typisch 20 Minuten, kann aber durch einen größeren Tank erhöht werden. Höheres Gewicht von Akku oder Tank beeinträchtigt stets die Wendigkeit oder Kunstflugtauglichkeit.
- Als Indoor-Flug oder Hallenfliegen wird das Fliegen in einem geschlossenen Raum bezeichnet. Meistens werden hierzu Turnhallen genutzt, mit kleinen Modellen ist auch das Fliegen in einem Wohnzimmer möglich. Durch die ruhige Luft wird das Fliegen erleichtert, gleichzeitig müssen aber maximale Flughöhe und Wände oder andere Hindernisse beachtet werden. In kleineren Räumen entstehen durch den Rotorabwind Turbulenzen in der Luft, die einen unruhigen Flug verursachen können.
- Die maximale Flughöhe wird in der Praxis nicht, wie oft angenommen, durch den Akku oder die Reichweite der Fernsteuerung begrenzt, sondern durch die Sichtbarkeit des Modells. Der Pilot muss zu jeder Zeit die Lage des Hubschraubers erkennen, da dieser sonst schnell an Höhe verlieren kann. Für Weltrekordversuche fliegt der Pilot meistens in einem manntragenden Hubschrauber als Fluggast mit.
- Der Bodeneffekt tritt beim Schwebeflug in geringer Höhe (bis etwa 1m) auf. Dieses ist ein sehr instabiler Flugzustand, da der Hubschrauber auf seinem eigenem Rotorabwind wie auf einer Kugel steht. Daher sind häufige Korrekturen beim Fliegen notwendig, und der Bereich wird meistens möglichst schnell verlassen, durch schwungvolles Abheben bzw. sogenannte "Plumpslandungen".
- Beim Kunstflug mit dem Modellhubschrauber sind eine Vielzahl von Flugfiguren möglich, die mit keinem anderen Fluggerät erreicht werden können. Für diese Anwendung werden pitchgesteuerte Modelle eingesetzt, da diese schneller auf Steuerkommandos reagieren und Kunstflugfiguren mit Rückenlagen ermöglichen. In vielen Ländern werden auch internationale Meisterschaften abgehalten.