Myelodysplastisches Syndrom
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Unter dem Begriff Myelodysplastisches Syndrom (abgekürzt MDS, auch Myelodysplasie oder auch Pl. Myelodysplastische Syndrome) wird eine Gruppe von Erkrankungen des Knochenmarks zusammengefasst, bei denen die Blutbildung nicht von gesunden, sondern von genetisch veränderten Ursprungszellen ausgeht. Folge ist eine gestörte Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), z. T. auch der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und der Blutplättchen (Thrombozyten). In Erscheinung tritt die Erkrankung in erster Linie durch eine Blutarmut (Anämie), je nach Ausmaß der Veränderungen bei Blutplättchen und weißen Blutkörperchen können aber auch Blutungen und Infektionen mit Fieber auftreten. Sind alle drei Zellreihen, die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) vermindert, so wird hierfür der medizinische Fachbegriff Panzytopenie verwendet.
Im Knochenmark von an Myelodysplasie Erkrankten finden sich fehlgeformte, an normale Blutzellen erinnernde und vorzeitig absterbende Zellelemente. Zur sicheren Diagnose von Myelodysplasie dient unter anderem die Analyse der Chromosomen, die charakteristische Veränderungen aufdecken kann.
MDS tritt vorwiegend im Alter ab 60 Jahre auf, häufig auch sekundär nach einer Strahlen- oder Chemotherapie. Es gibt aber auch Betroffene jüngeren Alters. Die Krankheit führt im Allgemeinen nach 6 bis 30 Monaten zum Tode. Abhilfe kann ähnlich wie bei den verschiedenen Formen von Leukämie praktisch nur eine Stammzelltransplantation schaffen – was allerdings nur bei jüngeren Patienten vom medizinischen Standpunkt aus sinnvoll ist. In Deutschland zählt man etwa 5.000 Erkrankte. An mehreren Hochschulen, z. B. an der Universität Düsseldorf, laufen Forschungsprogramme zur Bekämpfung dieser heimtückischen Krankheit, die meist im Rahmen einer Blutuntersuchung entdeckt und durch eine Knochenmarkspunktion verifiziert wird.
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[Bearbeiten] Krankheitsverlauf
Die Patienten verlieren allmählich immer mehr an Kraft. Der Hb-Wert und der Hämatokrit, also der Messwert für die Zahl der roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind, geht dramatisch zurück. Man versucht dies entweder durch meist wöchentliche oder vierzehntägige Bluttransfusionen oder durch dreimaliges Spritzen von Erythropoetin pro Woche aufzuhalten. Gleichzeitig geht auch die Zahl der Thrombozyten, die für die Blutgerinnung mitverantwortlich sind, und die Zahl der Leukozyten, der für die Immunabwehr zuständigen weißen Blutkörperchen, deutlich zurück. Daher leiden die MDS-Patienten im Krankheitsverlauf immer mehr an plötzlichen Blutungen im Zahnfleischbereich, in der Nase und – besonders gefährlich – im Magen und im Darm. Im Krankheitsverlauf entstehen am ganzen Körper, vom Gesichtsbereich bis zu den Füßen, Hämatome. Weiterhin sind Betroffene extrem anfällig für Infektionen aller Art und müssen Menschenansammlungen unbedingt meiden. Meist sterben MDS-Patienten an inneren Blutungen oder an einer Lungenentzündung, weil diese auch auf starke Antibiotika nicht mehr anspricht.
In ca. 30 % aller Fälle von MDS-Erkrankungen geht die Krankheit nach einer gewissen Zeit plötzlich in eine akute Leukämie über, die viele Patienten wegen ihres geschwächten Zustandes auch bei sofort eingeleiteter Chemotherapie nicht lange überleben.
Einer der bekanntesten Myelodysplasie-Patienten war der amerikanische Astronom Carl Sagan, der mit 62 Jahren daran verstarb. Ein weiteres Beispiel ist der erst kürzlich der Krankheit erlegene Jazz- und Funksaxophonist Michael Brecker, der gerade einmal 57 Jahre alt wurde.
[Bearbeiten] Einteilung
Aktuell konkurrieren zwei Klassifikationssysteme zur Einteilung der myelodysplastischen Syndrome: Die FAB-Klassifikation und die WHO-Klassifikation. Die FAB (French-American-British)-Klassifikation wurde 1982 in der aktuellen Form von einer internationalen Arbeitsgruppe ins Leben gerufen und - unter Mitarbeit einiger Mitglieder dieser Arbeitsgruppe - im Jahre 1999 in der sogenannten WHO- (World Health Organization) Klassifikation erweitert. Die Gründe sind komplex und haben damit zu tun, daß die Untergruppen, die 1982 gebildet wurden, zwar eine Vorhersage über den Krankheitsverlauf erlauben. Jedoch trennt die WHO-Klassifikation prognostisch noch schärfer, ist allerdings auch deutlich aufwendiger. Die nachfolgende Wiedergabe enthält aktuell nur die FAB-Klassifikation:
- RA
refraktäre Anämie
Hierbei handelt es sich um ein frühes Stadium des MDS. Im Knochenmark ist der Anteil unreifer Zellen, sog. Blasten (sieheBlast), nicht erhöht und liegt unter 5% aller kernhaltiger Zellen.
- RARS
Refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
RARS unterscheidet sich bis auf das Vorkommen von Ringsideroblasten nicht von der RA.
- RAEB
RA mit Blastenvermehrung (5-20% myeloisch differenzierte Blasten). Wird in RAEB-1 (5-9%Blasten) und RAEB-2 (10-19% Blasten) unterteilt.
- RAEB/T
RAEB in Transformation (20-30% myeloisch differenzierte Blasten, Vorstufe zur akuten myeloischen Leukämie AML)
- CMML
chronisch myelomonozytäre Leukämie
Die CMML hat einen Knochenmarkblastenanteil von bis zu 20%, gleichzeitig ist die Erkrankung durch eine Vermehrung einer speziellen Blutzellform charakterisiert, der Monozyten.
[Bearbeiten] Therapie
Grundsätzlich werden therapeutische Maßnahmen entsprechend der Risikoeinschätzung der MDS-Erkrankung durchgeführt. Zur Risikoeinschätzung benutzt man sogenannte Scoring-Systeme. Das zur Zeit üblichste Scoring System ist der Internationale Prognose Score (International Prognostic Scoring System, IPSS). Dabei gelten die Risikogruppen „low“ und „intermediate-1“ als Niedrig-Risiko-MDS, während die „intermediate-2“ und „high“-risk Populationen als Hochrisikopatienten eingeteilt werden.
[Bearbeiten] Niedrig-Risiko-MDS
Supportive Therapie ("unterstützende Behandlung", d.h. Behandlungen, die Komplikationen der Erkrankung behandeln ohne den natürlichen Krankheitsverlauf zu beeinflussen): Sie umfasst Blutzellsubstitution, Antibiotikagaben bei Infekten, Verabreichung granulopoetischer Wachstumgsfaktoren bei febriler Neutropenie und eine konsequente Eisenentleerungstherapie bei regelmäßig Erythrozytenkonzentrat-bedürftigen Patienten. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, thrombozytopenischen Patienten keine nicht-steroidealen Antirheumatika zu verabreichen, die die Blutungsneigung verstärken können.
Bei thrombozytensubstitutionsrefraktärer Thrombozytopenie sollten Antifibrinolytika wie epsilon-Aminokapronsäure zur Verringerung der Blutungsbereitschaft eingesetzt werden. Mehrere internationale Studien haben belegt, dass erythropoetische Wachstumsfaktoren unter bestimmten Voraussetzungen zu einem zeitlich begrenzten, aber nachhaltigen Anstieg der Hämoglobinwerte führen können. Ein kürzlich publizierter Score sagt die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine Erythropoetintherapie voraus. Er kombiniert die Zahl erfolgter Transfusionen mit dem aktuellen Erythropoetinspiegel.
Immunsuppressive Maßnahmen stützen sich auf die Erkenntnis, dass gegen den eigenen Körper gerichtete (autoreaktive) zytotoxische (zellschädigende) T-Zellen (eine Unterart der Lymphozyten) über hemmende Botenstoffe (Zytokine) an der Entwicklung der unzureichenden Blutbildung beteiligt sind. In einer Phase II-Studie am National Institute of Health in den USA wurden 61 Patienten mit RA, RARS oder RAEB mit transfusionspflichtiger Anämie oder Thrombozytopenie mit den Substanzen Antithymozytenglobulin und Cyclosporin A behandelt. 33% der Patienten verloren ihre transfusionspflichtige Anämie, 44% zeigten eine Verbesserung der peripheren Granulozytenwerte und 56% erreichten einen klinisch relevanten Thrombozytenanstieg. Die Substanz Thalidomid entfaltet neben der Hemmung von Neugefäßbildung auch zytokinhemmende Effekte und ist erfolgreich bei myelodysplastischen Syndromen eingesetzt worden. Dabei scheinen frühe MDS-Subtypen besser anzusprechen (40%) als fortgeschrittene MDS. Allerdings muss die Behandlung bei bis zu 30% der Patienten wegen intolerabler Nebenwirkungen eingestellt werden (Müdigkeit, Nervenschädigungen, Verstopfung). Zwischenzeitlich sind Thalidomidanaloga entwickelt worden, die bei Frühformen der MDS eingesetzt wurden. Das 4-amino-Glutarimid Lenalidomid hat ein völlig anderes Nebenwirkungsprofil und führt nicht zu Polyneuropathie (Nervenschädigung) und Müdigkeit. Auch scheint es keine fruchtschädigenden (teratogenen) Effekte zu haben, obwohl nur Daten aus Tierversuchen vorliegen. Dabei hat es insbesondere bei 5q-Syndromen einen besondere Wirksamkeit entfaltet: Eine Auswertung einer internationalen Phase II-Studie ergab in knapp 70% der behandelten Patienten eine länger anhaltende Transfusionsfreiheit. Etwa 50% der Patienten waren nach 1,5 Jahren Dauereinnahme noch transfusionsfrei. 70% der Patienten erreichten ein zytogenetisches Ansprechen (mindestens 50% Verringerung der Menge an del(5q) im Knochenmark), 44% eine komplette zytogenetische Remission, d.h. das für die Erkrankung typische Chromosom del(5q) war nicht mehr nachweisbar.
[Bearbeiten] Hochrisiko-MDS
5-Azacytidin und 5-Aza-2’-Deoxycytidin (Decitabine) sind Pyrimidinanaloga, die in nicht-zytotoxischen Konzentrationenen zu einer Hemmung der DNA-Methyltransferase führen ("demethylierende Substanzen") und experimentell eine Ausreifung bestimmter Knochenmarkzellen bewirken. 5-Azacytidin wurde in den USA zur Behandlung von MDS zugelassen, nachdem eine Phase III-Studie einen Überlebensvorteil der behandelten Patienten gegenüber Patienten in der Kontrollgruppe zeigen konnte. Die Rate an kompletten Remissionen und partiellen Remissionen in der Behandlungsgruppe betrug nach jüngster Auswertung 15,7%, unter Therapie wurde die Zeit bis zum Übergang in eine Leukämie ebenso wie das Überleben statistisch signifikant verlängert. Decitabine wird zur Zeit in einer Phase III-Studie europaweit untersucht. Bisherige Daten sprechen dafür, dass insbesondere Patienten mit Hochrisikozytogenetik besonders von der Substanz profitieren. So wurden Ansprechraten in kleineren Patientenserien mit Hochrisikokonstellationen von bis zu 50% berichtet.
Intensive Polychemotherapie mit Protokollen, wie sie bei der AML eingesetzt werden, können bei Patienten <70 Jahre zur Remissionsinduktion eingesetzt werden. In neueren Studien mit Einschluss von mindestens 30 Patienten betrugen die Vollremissionsraten 45-79%. Dabei lag die Frühtodesrate ähnlich hoch wie bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie. Günstige Langzeitverläufe sind vor allem bei RAEB/T-Patienten mit normalem Karyotyp dokumentiert. Die allogene Blutstammzelltransplantation ist Therapie der Wahl für Patienten <50 Jahre mit Hochrisiko-MDS, die über einen passenden Spender verfügen. Nach den Daten des Fred Hutchinson Cancer Research Center in den USA an insgesamt 251 MDS-Patienten beträgt das krankheitsfreie Überleben 6 Jahre nach Transplantation 40%. Dabei ist das Alter bei Transplantation einer der größten Risikofaktoren. Verbesserungen werden in den nächsten Jahren durch neue Konditionierungsprotokolle wie die nicht-myeloablative Transplantation erwartet.
[Bearbeiten] Weblinks
- "MDS Myelodysplastische Syndrome - Informationen für Patienten und Angehörige" Ein Ratgeber der Deutschen Leukämie-Hilfe im PDF-Format
- engl. Webseite der MDS-Stiftung (USA) mit lebhaftem Patienten-Forum
- deutsches Patientenforum mit noch wenig Beiträgen
- Referate zum Myelodysplastischen Syndrom
- Was sind Myelodysplastische Syndrome?
- http://www.krebsinfo.de/ki/empfehlung/leuko/VI.html
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