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Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8./20. April 1881 in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August 1950 in Moskau) war ein russischer Komponist.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Mjaskowski, der Sohn eines bei Warschau stationierten russischen Militäringenieurs, sollte trotz seines offenkundigen musikalischen Talentes nach dem Willen seines Vaters eine Militärlaufbahn einschlagen. Daher besuchte er von 1893 bis 1895 die Kadettenschule in Nischni Nowgorod und danach bis 1899 die Kadettenschule in Sankt Petersburg. Gleichzeitig erhielt er von seiner Tante, einer Sängerin, ersten Musikunterricht. Von 1899 bis 1902 besuchte er die Sankt Petersburger Akademie für militärisches Ingenieurwesen. Anschließend wurde er nach Moskau versetzt und war beim Militär als Offizier tätig.

Unterdessen hatte Mjaskowski erste Kompositionsversuche unternommen und nahm 1902–03 Privatstunden bei Reinhold Glière. Auch nachdem er wieder nach Sankt Petersburg zurückgekehrt war, setzte er seinen Unterricht fort und trat 1906 schließlich ins Konservatorium ein, wo er u. a. bei Nikolaj Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow studierte. Hier machte er mit dem jungen Sergei Prokofjew Bekanntschaft, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte. 1907 reichte er seinen Abschied aus der Armee ein und wurde im folgenden Jahr Reservist. Nach Abschluss der Studien im Jahre 1911 schrieb Mjaskowski Artikel für eine Musikzeitschrift und gab Privatstunden. 1914 musste er die Tätigkeiten aufgeben, da er als Pionieroffizier in den Ersten Weltkrieg ziehen musste. Nachdem er bei heftigen Kämpfen schwere Verwundungen erlitten hatte, wurde er 1917 zunächst nach Reval (Tallinn) versetzt und später wegen einer Kriegsneurose nach Sankt Petersburg zurückgeschickt.

Nach der Oktoberrevolution trat er in die Rote Armee ein und reichte erst 1921 seinen Abschied ein. 1918 zog Mjaskowski nach Moskau und war dort schon bald aktiv am Musikleben beteiligt: 1921 wurde er Kompositionsprofessor am Moskauer Konservatorium, was er bis zu seinem Tode blieb, 1923 war er Mitbegründer der Assoziation für zeitgenössische Musik (allerdings trat er Anfang der 1930er Jahre wieder aus dieser Vereinigung aus) und selbstverständlich war er Mitglied des sowjetischen Komponistenverbandes. Zudem war er seit 1922 im Staatsverlag für Musik tätig, wirkte als stellvertretender Leiter des Volksbildungskommissariats und seit 1940 als Redakteur der Zeitschrift "Sowjetskaja Musyka". Aus seiner Kompositionsklasse gingen namhafte Komponisten wie Aram Chatschaturjan und Dmitri Kabalewski hervor. Mjaskowski erhielt zahlreiche Orden und Auszeichnungen; er war sechsfacher Stalinpreisträger und Doktor der Kunstwissenschaften. Trotzdem gehörte er 1948 zu den im Beschluss des ZK der KPdSU des Formalismus bezichtigten Komponisten. Allerdings wurde er schon bald wieder rehabilitiert.

[Bearbeiten] Tonsprache

Mjaskowski ist einer der wichtigsten sowjetischen Komponisten und eine zentrale Persönlichkeit der russischen Musikgeschichte. Sein Schaffen kann in drei Perioden unterteilt werden (abgesehen von seinem nicht mit Opuszahlen versehenen Frühwerk). Die erste Periode umfasst die Kompositionen vor dem ersten Weltkrieg. Charakteristisch ist hier der Einfluss Tschaikowskis und Rachmaninows wie auch eine ausgeprägte Chromatik. Alle größeren Werke dieser Periode sind ausgesprochen tragisch getönt und tragen nach seiner eigenen Aussage den "Stempel des tiefen Pessimismus". Außerdem ist der Einfluss des Symbolismus erkennbar.

Nach dem Krieg hellte sich seine Tonsprache zunächst deutlich auf. In dieser zweiten Periode wird die Chromatik allerdings auf die Spitze getrieben und auch die Harmonik wird immer schärfer. Obwohl Mjaskowski schon hier auf Volksmelodien zurückgreift, klingen seine Werke kaum "volkstümlich"; vielmehr verfremdet er diese Melodien. Zudem wird der Einfluss moderner europäischer Tendenzen (Kompositionen wie Ravels "La valse") deutlich. Viele Passagen der Werke der mittleren Periode meiden geradezu konsonante Akkorde; teilweise wird die Grenze zur Atonalität fast schon überschritten.

Etwa ab 1932 änderte sich Mjaskowskis Stil jedoch grundlegend. In dieser Periode ging er deutlich auf die Forderungen des "Sozialistischen Realismus" ein, orientierte sich stark an der russischen Nationalromantik des 19. Jahrhunderts und erneuerte gewissermaßen die Diatonik. Die Melodiebildung und -behandlung ist zum Teil ausgesprochen volkstümlich (etwa in der 18. Sinfonie). Zwar sind Düsternis und Melancholie durchaus noch vorzufinden, doch löst Mjaskowski diese Konflikte in der Regel zu Gunsten eines "positiven" Schlusses. In einigen Werken greift Mjaskowski politische Ereignisse (wie die Kollektivierung der Landwirtschaft in der 12. Sinfonie) auf. Insgesamt ist sein Spätstil recht traditionell; die Harmonik ist nicht entfernt so scharf wie in der mittleren Periode, die Tonalität wird bekräftigt.

Einige Charakteristika durchziehen das gesamte Schaffen Mjaskowskis: auffällig ist ein tiefer Ernst, der sich besonders in der Weigerung manifestiert, auf reißerische Effekte und publikumswirksame Kunststücke zurückzugreifen. Begreiflicherweise bevorzugte er deshalb die großen Formen wie Sinfonie und Streichquartett. Auch ist sein ganzes Schaffen durch eine gewisse nachdenkliche Melancholie gekannzeichnet. Besonders hervorzuheben ist die ausgefeilte motivische Verzahnung vieler Werke. Zu Mjaskowskis "Wurzeln" ist zu sagen, dass er einerseits fest in der russischen Tradition verankert ist, andererseits aber gerade durch Max Reger, den er 1906 bei einem Gastspiel in Sankt Petersburg als Dirigent von eigenen Werken erlebte, geprägt wurde. Wie erwähnt, ist Mjaskowski sicherlich einer der bedeutendsten russischen Komponisten. Heutzutage wird er hierzulande allerdings weitgehend ignoriert.

[Bearbeiten] Werke

  • Orchesterwerke
    • 27 Sinfonien, u.a.
      • Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 15 (1914)
      • Sinfonie Nr. 5 D-Dur op. 18 (1918)
      • Sinfonie Nr. 6 es-Moll op. 23 (1921-23, rev. 1947)
      • Sinfonie Nr. 10 f-Moll op. 30 (1926/27)
      • Sinfonie Nr. 12 g-Moll op. 35 (1931/32)
      • Sinfonie Nr. 16 F-Dur op. 39 (1933/34)
      • Sinfonie Nr. 19 Es-Dur op. 46 (1939)
      • Sinfonie Nr. 21 fis-Moll op. 51 (1940)
      • Sinfonie Nr. 22 h-Moll op. 54 (1941)
      • Sinfonie Nr. 24 f-Moll op. 63 (1943)
      • Sinfonie Nr. 27 c-Moll op. 85 (1949)
    • sinfonische Dichtungen (u.a. "Das Schweigen" op. 9, 1909/10)
    • Ouvertüren
    • Märsche für Blasorchester
    • Violinkonzert d-Moll op. 44 (1938, rev. 1939)
    • Violoncellokonzert c-Moll op. 66 (1944)
  • Vokalwerke
    • "Kirow lebt!", Kantate op. 61 (1942/43)
    • "Der Kreml bei Nacht", Kantate op. 75 (1947)
    • Liederzyklen mit Klavierbegleitung
    • Massenlieder
  • Kammermusik
    • Streichquartett Nr. 1 a-Moll op. 33/1 (1930)
    • Streichquartett Nr. 2 c-Moll op. 33/2 (1930)
    • Streichquartett Nr. 3 d-Moll op. 33/3 (1910, rev. 1930)
    • Streichquartett Nr. 4 f-Moll op. 33/4 (1909/10, rev. 1937)
    • Streichquartett Nr. 5 e-Moll op. 47 (1938/39)
    • Streichquartett Nr. 6 g-Moll op. 49 (1939/40)
    • Streichquartett Nr. 7 F-Dur op. 55 (1941)
    • Streichquartett Nr. 8 fis-Moll op. 59 (1942)
    • Streichquartett Nr. 9 d-Moll op. 62 (1943)
    • Streichquartett Nr. 10 F-Dur op. 67/1 "Nach alten Skizzen" (1907, rev. 1945)
    • Streichquartett Nr. 11 Es-Dur op. 67/2 "Erinnerungen" (1945)
    • Streichquartett Nr. 12 G-Dur op. 77 (1947)
    • Streichquartett Nr. 13 a-Moll op. 86 (1949)
    • Violinsonate F-Dur op. 70 (1946/47)
    • Violoncellosonate Nr. 1 D-Dur op. 12 (1922, rev. 1930)
    • Violoncellosonate Nr. 2 a-Moll op. 81 (1948)
  • Klaviermusik
    • Sonate Nr. 1 d-Moll op. 6 (1907-09)
    • Sonate Nr. 2 fis-Moll op. 13 (1912, rev. 1948)
    • Sonate Nr. 3 c-Moll op. 19 (1920, rev. 1939)
    • Sonate Nr. 4 c-Moll op. 27 (1924/25, rev. 1946)
    • Sonate Nr. 5 H-Dur op. 64/1 "Nach alten Skizzen" (1907/08, rev. 1917, rev. 1944)
    • Sonate Nr. 6 As-Dur op. 64/2 "Nach alten Skizzen" (1907, rev. 1944)
    • Sonate Nr. 7 C-Dur op. 82 (1949)
    • Sonate Nr. 8 d-Moll op. 83 (1949)
    • Sonate Nr. 9 F-Dur op. 84 (1949)
    • kleinere Stücke

[Bearbeiten] Literatur

  • Soja Gulinskaja: Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski, Moskau 1981, dtsch. Berlin 1985 – die derzeit beste Biographie, mit Werkverzeichnis und zahlreichen Werkbesprechungen. Allerdings hat auch dieses Buch einige Mängel (offensichtlich schreibt die Autorin teilweise über Werke, die ihr nur sehr flüchtig bekannt sind). Dennoch ein Standardwerk, aus dem häufig zitiert wird.

[Bearbeiten] Weblinks

Anmerkung: Doppelte Daten sind erstens gemäß julianischem Kalender angegeben, zweitens gemäß gregorianischem Kalender. Der Wechsel des Kalenders fand, je nach Staat, zwischen 1582 und 1812 statt, in einigen Staaten Osteuropas erst Anfang des 20. Jahrhunderts (beispielsweise in Russland zur Oktoberrevolution 1917).
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