Ostfriesische Nachrichten
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Die Ostfriesischen Nachrichten (ON) sind eine in Aurich in Ostfriesland erscheinende Tageszeitung im Verbreitungsgebiet „Altkreis Aurich“ und Brookmerland.
[Bearbeiten] Aktuelle Situation
Mit einer Auflage von etwa 15.000 Exemplaren erscheinen die ON montags bis sonnabends jeweils früh morgens. Die Zeitung wird mit eigenen Boten an die Abonnenten ausgeliefert. Der größte Teil der Auflage wird deshalb über diese Abonnements vertrieben. Herausgeber ist das Verlagshaus Dunkmann
Der redaktionelle Schwerpunkt liegt auf Meldungen aus Aurich und dem Umland. Eine Hauptrubrik „Ostfriesland“ bietet täglich Meldungen, Berichte und Features aus ganz Ostfriesland. Innerhalb der Ostfriesland-Seiten gibt es zwei Lokalrubriken für Brookmerland und Südbrookmerland. Die Hauptrubrik „Politik & Wirtschaft“ behandelt nationale und internationale Themen. Großen Raum nimmt die Rubrik Sport ein, in der umfassend über lokalen und internationalen Sport berichtet wird.
Das 1864 gegründet Blatt ist heute - neben der Rheiderland-Zeitung in Weener - die letzte ostfriesische Tageszeitung in Familienbesitz.
Im Frühjahr 2005 wechselten die ON den Anbieter der überregionalen Mantelseiten. Diese werden nun nicht mehr von der Nordwest-Zeitung in Oldenburg geliefert, sondern von der Neuen Osnabrücker Zeitung in Osnabrück.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Gründerzeit für freie Presse
Rund 350 Jahre blieben Druckerzeugnisse fest in der Hand der jeweiligen Obrigkeiten. Dies änderte sich erst im 19. Jahrhundert. Im Jahr 1856 zog der junge Buchdrucker-Geselle Adolf Hermann Friedrich Dunkmann nach Aurich und fand dort zunächst eine Anstellung bei der Tapperschen Druckerei. Weil Tapper durch den Druck des Amtsblattes und weiterer Behörden-Aufträge ausgelastet war und sich aufgrund seiner Monopolstellung um weitere Aufträge nicht bemühte, plante Dunkmann ein Konkurrenz-Unternehmen aufzubauen.
Am 1. April 1861 stellte er einen entsprechenden Antrag beim Magistrat der Stadt Aurich und handelte sich damit erhebliche politische Widerstände ein, vor allem ausgelöst durch seinen ehemaligen Arbeitgeber Tapper. Am 4. Oktober 1861 erhält Dunkmann die Druck-Konzession. Etwa zweieinhalb Jahre später, am 26. Januar 1864, erscheint die Nr.1 der dunkmannschen „Auricher Nachrichten“. Das Format umfasst 20 x 28 cm. Das Blatt erscheint dienstags und freitags - immer zu den Auricher Markttagen, hat vier Seiten und kostet jährlich einen Taler. Der Anzeigenpreis ist mit sechs Pfennig pro Zeile angesetzt.
[Bearbeiten] ON entwickelt journalistisches Profil
Die „Auricher Nachrichten“ sind dermaßen erfolgreich, dass sich Dunkmann zur Namensänderung entschließt. Am 2. Januar 1872 wird das Blatt in „Ostfriesische Nachrichten“ umbenannt, erweitert um einen Emder Lokal-Anzeiger - inzwischen mit einer Auflage von 1200 Exemplaren. Zum Jahresbeginn 1895 übergibt A.H.F. Dunkmann die Firma an seinen Sohn Adolf Heinrich. Mit ihm beginnt die ON sich auch journalistisch zu profilieren.
Neben den amtlichen Mitteilungen, Berichten aus der Region und anderen „nützlichen Informationen“, beginnt Adolf Heinrich Dunkmann in der Zeitung auch Position zu beziehen. Höhepunkt dieses neuen Stils war der Wahlkampf 1903, bei dem Dunkmann in nie gekannter Form Flagge zeigt. Er veröffentlicht auf der Titelseite einen Wahlaufruf zugunsten des national-liberalen Dr. Semmler, der dann auch in den Reichstag einzieht. Das Dunkmann nun nichtmehr als „neutraler Berichterstatter“ tätig war, sondern auch selbst auf Wahlversammlungen vor Freund und Feind engagiert das Wort nimmt, erbost viele - prägte jedoch bis heute das journalistische Profil der Zeitung.
Nach der Devise „viel Feind, viel Ehr“ etabliert Adolf Heinrich die ON als die wichtigste Zeitung in Ostfriesland und beeinflusst damit auch die politischen Entwicklungen in der Region. „Unparteiisch für ostfriesische Heimatpolitik“ lautet die redaktionelle Linie. Die klaren Worte tragen auch wirtschaftlich Früchte. Steigende Auflage und wachsende Verbreitung zwingt Dunkmann schließlich zur Vergrößerung des väterlichen Unternehmens. Ein neues Verlagshaus in der Kirchstraße wird gebaut.
[Bearbeiten] Weltkrieg und Inflation bedrohen das Verlagshaus
Adolf Heinrich Dunkmann stirbt drei Tage vor Vollendung seines 54. Lebensjahres am 18. März 1918. Nach dem Tod Adolf Heinrich Dunkmanns führt der ON-Prokurist und Redakteur Karl Meyer das Unternehmen durch die äußerst schwierige Zeit. Der noch junge Sohn Adolf Heinrichs, Dietmar Dunkmann, arbeitet als Angestellter in der Firma.
Die Auflage der ON ist auf 10.300 geklettert, doch dem Verlag stehen schwere Zeiten bevor. Nach dem Krieg werden alle Versorgungsgüter knapp - auch Papier. Die Inflation kündigt sich an. 1923 kostet die ON-Einzelnummer 150 Mark, das monatliche Abo 3500 Mark. Bis Jahresmitte hält sich die Inflation noch in Grenzen. Im Juli kostet die Einzelnummer noch 400 Mark, das Abo 10.000 Mark. Dann beginnen die Preise so schnell zu steigen, dass sich der Bezugspreis oft von einem Tag zum anderen ändert. Für Material und Herstellung sind die Preise bis auf das Hundertfünfzigfache gestiegen, für die ON geht es mittlerweile um die nackte Existenz.
Zwischenzeitlich muss die Zeitung wegen Papierknappheit das Erscheinen einstellen. Ab 1. September kommt sie aber wieder täglich - Bezugspreis eine Millionen Mark. Drei Wochen später müssen für eine Ausgabe 20 Millionen Mark bezahlt werden. Am 3. November kostet die ON 600 Millionen Mark. Im Dezember wird mit Goldmark gerechnet. Der ON-Bezugspreis liegt nun verbindlich bei 2,50 Goldmark - umgerechnet 2,5 Billionen Papiermark.
[Bearbeiten] Der Nationalsozialismus zwingt ON fast in die Knie
Durch die Folgen der Inflation ist das Verlagshaus Dunkmann schwer angeschlagen. 1932 übernimmt Dietmar Dunkmann die Leitung des Hauses, allerdings unter denkbar schlechten Voraussetzungen. Der bürgerlich-liberalen ON setzen die Nationalsozialisten eine braune Lokalzeitung als Konkurrenz vor die Tür, die „Ostfriesische Tageszeitung - Nationalsozialistisches Volksblatt für Schaffende aller Stände“ (OTZ). Mit einer Auflage von 11 400 Exemplaren wird dieses NS-Blatt zwar bei Dunkmann gedruckt, dennoch machen die OTZ-Herausgeber mit politischem Druck allen Vereinen, Verbänden und Behörden klar, das alleinige Verkündungsorgan zu sein.
Im Vertrauen darauf, dass der Lohndruck für die nationalsozialistische OTZ den Fortbestand des Verlagshauses sichert, kauft Dietmar Dunkmann 1933 mit Krediten finanziert eine sündhaft teure acht Seiten-Rotationsmaschine. Doch 1934 ziehen die braunen Machthaber den OTZ-Auftrag nach Emden ab. Dunkmann ist ein wirtschaftlich ruinierter Mann.
Der Abzug hat Methode, denn Dietmar Dunkmann lässt sich nicht auf Parteikurs zwingen. Auch nach der Machtübernahme zwingt er kein Betriebsmitglied dazu, den obligatorischen Hitlergruß anzuwenden. Er riskiert Betrieb, Leib und Leben, als am 2. Mai 1933 in Wilhelmshaven engagierte Gewerkschafter verhaftet werden und er einen Funktionär am gleichen Tag einstellt und damit den Fängen der Gestaposchergen entzieht. Bis 1937 kann er den verschiedenen Repressalien widerstehen. Dann muss er auf Druck der Reichspressekammer der Partei beitreten.
Wegen seiner Weigerung, das Parteiabzeichen zu tragen, wird er mit Haft bedroht. Die ostfriesischen Gauleiter wollen ihm mehrfach wegen seiner freundschaftlichen Geschäftsverbindungen zu Auricher Juden ans Leder.
Die Zeitung verliert an publizistischen Profil - journalistische Seiltänze werden zum Alltag. Einerseits drücken finanzielle Sorgen, die 1937 in Hausverkäufen gipfeln, zum anderen gerät die nicht linientreue ON unter die verschärften Bedingungen der NS-Zensur. Jede Ausgabe muss vor Drucklegung der Kreisleitung vorgelegt werden. Zugleich verliert ON viele Anzeigenkunden an OTZ - selbst Weihnachtsausgaben enthalten keine Geschäftsanzeigen. Nur wenige Leser und Unternehmen halten der Zeitung die Treue. Die ON sind so gut wie tot, jedoch nicht gänzlich in die Knie gezwungen.
[Bearbeiten] Neuanfang im Nachkriegsdeutschland und Gentlemens Agreement der Ostfriesischen Verleger
Tief geprägt von den Erfahrungen in der Nazi-Diktatur und im Bemühen, an die journalistische Tradition seines Vaters, Adolf Heinrich Dunkmann anzuknüpfen, tritt Dietmar Dunkmann nach 1945 bis zur Selbstaufgabe für eine freie und unabhängige Presse ein. Dies gestaltet sich allerdings sehr schwierig. Bei den Millitärbehörden stehen vor allem Lokalzeitungen unter dem Generalverdacht, mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht zu haben.
Erst 1949 erhält Dunkmann die ersehnte Zeitungslizenz. Am 27. September 1949 dürfen die Ostfriesischen Nachrichten wieder erscheinen. Neun Monate später stirbt Dietmar Dunkmann, erst 45 Jahre alt. Er erliegt im Anschluss an eine Verlegersitzung am 7. Juni 1950 in Hohenschwangau einem Herzschlag.
Auf seine Witwe Maud Dunkmann kommen schwere Monate zu. Das hat vor allem mit dem Kampf der alten Heimatzeitungen um ihre Stammleser zu tun. In Ostfriesland droht ein Zeitungskrieg, bei denen alle verlieren und keiner gewinnen kann. Das Ringen um Auflage, Abonnenten und Anzeigen wird härter.
Die ostfriesischen Altverleger rücken schließlich zusammen und schließen ein Gentlemens Agreement, bei dem sie ihre Verbreitungsgebiete „in gegenseitiger Rücksichtnahme im Wettbewerb“ schützen. Auf dieser Grundlage entsteht in Ostfriesland eine bis heute vielfältige Zeitungslandschaft, wie sonst nirgendwo in der Bundesrepublik. Jeder Landkreis behielt seine angestammte Heimatzeitung mit entsprechend differenzierter Lokalberichterstattung. Auch nach der Gebietsreform im Jahre 1978, bei der der Landkreis Norden im Landkreis Aurich aufging, blieb die ON beim Verbreitungsgebiet „Altkreis Aurich“. Entsprechend hat der Landkreis Aurich zwei traditionelle Lokalzeitungen. Bis heute wird im „Altkreis Norden“ der Ostfriesische Kurier gelesen.
[Bearbeiten] Neue Anforderungen an die Lokalpresse
1964 feiern die ON ihr 100jähriges Bestehen. In diesem Jubiläumsjahr übernehmen die Brüder Frank-Michael und Hilmar Dunkmann die Führung im Hause. Dabei führen sie eine Arbeitsteilung zwischen Redaktion (Frank-Michael) und Verlag (Hilmar) ein. Als Chefredakteur lehrt Frank-Michael Dunkmann den Auricher Kommunalpolitikern das Fürchten. Seinen Redakteuren hämmert er ein, mit „Herzblut“ zu schreiben. In der Tradition seines Großvaters erwartet er, dass die Zeitung Position bezieht. Das bringt ihm neben Achtung auch viel Feindschaften ein. Dennoch werden seine bisweilen zornigen Kommentare aufmerksam gelesen und bestimmen das lokalpolitische Geschehen. Auflage und Bedeutung der Ostfriesischen Nachrichten wachsen.
Die Zeitung profiliert sich als besonders kommentierfreudiges Blatt, dass gern gegen den Stachel löckt und sich als öffentlicher Wächter gegen mögliche Verwaltungs- und Ratswillkür versteht. Dabei wird ON von links und rechts gleichermaßen unter Beschuss genommen - zur Freude „fdu's“, der dies als Bestätigung für „lebendige Demokratie“ wertet. Die damit verbundenen auch belastenden Feindschaften übersieht er, betrachtet es auch als Ehre und verschleißt sich frühzeitig daran.
Am 6. Februar 1984 stirbt Frank-Michael Dunkmann in einem Oldenburger Krankenhaus. Erschüttert vom frühen Ableben des profilierten Journalisten sind nicht nur die Familie und das Haus Dunkmann, sondern auch die, die manchen Strauß mit oder gegen ihn fochten.
Hilmar Dunkmann kümmert sich derweil um die wirtschaftlichen Belange des Verlagshauses und reorganisiert das Bürowesen. 1978 wird er zum Motor der Umstellung vom Blei- in das Computerzeitalter. Enorme Investitionen in eine damals noch waghalsige Technik erweisen sich als richtig.
Das damalige Fotosatz-System Alfa war bereits das dritte EDV-gestützte System. Dabei hatten sich alle ostfriesischen Zeitungshäuser auf das gleiche System verständigt. Dies diente auch dem Zweck, dass sich die ostfriesischen Zeitungsverlage mittels Datenfernübertragung gegenseitig „Nachbarschaftshilfe“ leisten konnten, falls es in einem der Betriebe zu Ausfällen kam.
Darüber hinaus wurde ein großes Stromaggregat installiert, welches den Produktionsbetrieb auch beim Zusammenbrechen der öffentlichen Stromversorgung funktionsfähig erhält.
Nach dem frühen Tod Frank-Michaels wird die Last für Hilmar Dunkmann überaus schwer. Um seinen verlegerischen Aufgaben gerecht zu werden, delegiert er Aufgaben an bewährte Mitarbeiter.
Obwohl Hilmar Dunkmann das Zeitungshaus in eine neue technische Zeit zu führen hatte, blieb er der Tradition des alten Buchdruckergewerbes verhaftet. Als gelernter Schriftsetzerlehrmeister begann er mit dem Aufbau eines Firmenmuseums, welches die Erinnerungen an die schwarze Kunst wachhält.
