Pilgerzeichen
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Pilgerzeichen sind kleine Plaketten, Medaillen oder Flachgüsse aus einer Blei-Zinn-Legierung, in einer Größe von etwa 4 x 4 cm, die vorwiegend im Mittelalter an Wallfahrtsorten verkauft und von Pilgern am Hut oder an der Kleidung getragen wurden.
Bereits die frühen Christen suchten besondere Orte, wie das Grab Christi oder Begräbnisstätten der Apostel auf, um dort zu beten. Diese Stätten lagen überwiegend im Heiligen Land oder in Rom, man kann sie daher als die ersten Wallfahrtsorte bezeichnen. Allerdings blieb die Reisetätigkeit bis zur Jahrtausendwende wegen der fehlenden Möglichkeiten verhältnismäßig gering. Ab etwa 900 n. Chr. entwickelte sich allmählich eine rege Wallfahrt zum Grab des Heiligen Jakobus nach Santiago de Compostela. Ab dem 11. Jahrhundert kamen weitere Wallfahrtsorte in Mitteleuropa hinzu.
Bei den Pilgern entstand das Bedürfnis, eine Erinnerung an die Wallfahrt mitnehmen zu können, einerseits als Zeichen der Frömmigkeit, aber auch um den Angehörigen zu beweisen, dass man tatsächlich an der heiligen Stätte gewesen war. Ab dem 12. Jahrhundert wurden daher an den Wallfahrtsorten kleine Zeichen aus einer Blei-Zinn-Legierung verkauft, die entweder den Heiligen oder dessen Attribute, dort verehrte Reliquien oder das Heiligtum selbst abbildeten. Das bekannteste Beispiel ist die Jakobsmuschel (Pecten jacobaeus) als Abzeichen für die Wallfahrt nach Santiago de Compostela. Weitere Beispiele sind Abbildungen von Petrus und Paulus für die Wallfahrt nach Rom oder der Heiligen Drei Könige für die Wallfahrt nach Köln.
Bis zum Spätmittelalter sind die Zeichen auf bestimmte, bedeutende Wallfahrtsorte beschränkt, da das Privileg, Pilgerzeichen zu verkaufen, vom Papst selbst verliehen wurde. Zweifellos war die Herstellung und der Verkauf von Pilgerzeichen ein einträgliches Geschäft und trug wesentlich zum Reichtum einiger Wallfahrtsorte bei.
Der Verkauf von Pilgerzeichen erreichte seinen Höhepunkt im 14./15. Jahrhundert. Sie dienten aber nicht nur als profanes Erinnerungsstück, sondern ihnen wurde auch eine wundertätige Wirkung zugeschrieben, die unmittelbar mit dem verehrten Heiligen in Zusammenhang stand. Der Glaube an die heilkräftige Wirkung ging so weit, dass man das Pilgerzeichen auf ein erkranktes Glied auflegte oder es in Wasser oder Wein tauchte und es Kranken zum Trinken gab, um sie zu heilen. Die Medaillen galten aber auch als Amulette zur Abwehr des Bösen und wurden zu diesem Zweck im Haus oder im Stall aufgehängt oder auf dem Feld vergraben. Ab dem 14. Jahrhundert wurden Pilgerzeichen auch auf Kirchenglocken abgebildet. Dahinter stand der Glaube, dass sich die segensreiche Wirkung des Heiligen mit dem Glockenschall über das Land verbreiten sollte.
Der Glaube an die Schutzwirkung von Pilgerzeichen ist heute noch ungebrochen, wie die oben abgebildeten Beispiele aus Guadalajara (Mexiko) zeigen.
Für Historiker sind Funde von Pilgerzeichen – beispielsweise als Grabbeigaben – bedeutend, da sie geeignet sind, Pilgerzüge und Reisewege im Mittelalter zu belegen.
Schöne Sammlungen von Pilgerzeichen findet man im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg oder im Musée national du Moyen Âge in Paris.