Protestwähler
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Begriff Protestwähler bezeichnet einen Wähler, der durch seine Wahlentscheidung seinen politischen Protest ausdrücken will. Von anderen Wählern unterscheidet ihn der Umstand, dass er keinen Wechsel, sondern ein Umdenken zu erzielen beabsichtigt; da er somit davon abhängig ist, was als Protest gewertet und wie viel Aufmerksamkeit dadurch erregt wird, wird die Zugehörigkeit eines Wählers zu den Protestwählern stets durch die Situation bestimmt. Motivational betrachtet stimmt er nicht für eine Partei, sondern gegen eine oder mehrere andere.
[Bearbeiten] Verwendung und Diskussion
Im Zusammenhang mit der deutschen Politik ist die Verwendung des Begriffs problematisch. Er wird er in der Regel als Erklärung für den Zulauf für rechts-, aber auch linksextremistische Parteien in Krisenzeiten benutzt.
Manche verweisen darauf, dass das Phänomen der Protestwähler erst durch die große Berichterstattung der Medien und der Äußerungen vieler Politiker entstanden sei. Dadurch wären die Wähler erst in die Lage und zur Möglichkeit gekommen, ihre Unzufriedenheit durch das Wählen extremistischer Parteien Ausdruck zu verleihen.
Kritiker monieren, dass es sich dabei um eine Verharmlosung und Verschleierung extremistischer Gesinnungen handle und dass die Unabhängigkeit von den programmatischen Inhalten nicht gegeben sei. Dabei wird übersehen, dass bereits aus der Definition hervorgeht, dass ein "echter" Protestwähler sich zwangsläufig mit der Protestpartei nicht stärker identifizieren darf als mit der Partei/den Parteien, auf die er Einfluss nehmen will.
Ein anderer Streitpunkt ist, dass sich tiefer liegende extremistische Überzeugungen durchaus hinter einer Schein-Identität als Protestwähler verstecken lassen, um soziale Ächtung zu vermeiden. Da die individuelle Wahlentscheidung aber unter das Wahlgeheimnis fällt, gibt es für einen Wähler mit extremistischer Orientierung keinen Grund sie preiszugeben, wenn er sie gleichzeitig verheimlichen will.
Auch wird Protestwählern oft ein Mangel an geschichtlichem Verantwortungsgefühl sowie an demokratischer Reife vorgeworfen in Anbetracht der historischen Wurzeln und Vorbilder extremistischer Parteien. Die Protestwähler argumentieren im Gegenzug, dass gerade der Versuch, in kritischen Punkten ein Umdenken zu erzielen, sie verantwortungsvoller handeln lasse als jene, die dies nicht tun würden. Ebenso müssten politische Handlungen und Entscheidungen sich nach den Bedürfnissen der Gegenwart und Zukunft richten und nicht nach jenen der Vergangenheit.
Es herrscht Uneinigkeit darüber, welchen Anteil die Protestwähler an der Zahl der Gesamtwähler stellen, da nicht klar erkennbar ist, bei wem es sich tatsächlich um einen Protestwähler handelt und wer sich nur als einen solchen ausgibt; die Bundeszentrale für politische Bildung nimmt jedoch beispielsweise an, dass der PDS bei der Landtagswahl 1994 in Sachsen-Anhalt "Protestwähler in erheblichem Umfang" [1] zuströmten.
Die grundlegende und meist nicht auszuräumende Differenz zwischen den beiden Positionen besteht in der Antwort auf die Frage, welche Mittel moralisch gestattet sein sollen, um Politik auf den als richtig angesehenen Kurs zu bringen.
Als alternative Protestparteien eignen sich bei ausreichender Aufmerksamkeit auch satirische Parteien, also Spaßparteien mit radikalen Forderungen, deren Stimmengewinn ebenfalls öffentliches Aufsehen erregt und in der vom Protestwähler gewünschten Weise interpretiert wird: negativ und als Aufforderung an eine oder mehrere Parteien zur Veränderung des bisherigen Verhaltens. Dies war beispielsweise 2005 bei der PARTEI der Fall und ist deshalb möglich, weil der Protestwähler nicht oder kaum an die Ziele der betreffenden Partei gebunden ist. Unbekanntere Parteien dagegen sind - unabhängig von ihren Inhalten und ihrer Darstellung - keine Option für ihn, da zuteil werdende Aufmerksamkeit eine wesentliche Komponente ist hinsichtlich der Wirksamkeit seines Protestes.
[Bearbeiten] Hintergrund
Die Erkenntnisse der Operanten Konditionierung helfen die Mechanismen zu verstehen, die hier wirken. Wenn in einem Laborexperiment ein Versuchstier ein unerwünschtes Verhalten zeigt und dafür einen Stromstoß erhält, so spricht man von einer positiven Bestrafung ("positiv" bedeutet hier, dass ein Reiz gegeben wird, z.B. ein Stromstoß). Ebenso bestraft der Protestwähler die Partei/en, indem er einen Stimulus gibt, der von ihnen als unangenehm empfunden wird, was zu einer Verringerung des unerwünschten Verhaltens der Partei führen soll.
Der Protestwähler dagegen erfährt eine positive Verstärkung. Das bedeutet, dass er ein Verhalten zeigt (protestwählen) und dafür etwas erhält, das ihn in dieser Verhaltensweise bestärkt (Aufmerksamkeit, Reflexion seitens der Partei/en). Eine Analogie wäre ein lärmendes Kind, dass durch sein (obwohl unerwünschtes) Verhalten den Verstärker "Zuwendung" erhält. Der Protestwähler glaubt, seinen Verstärker ausschließlich oder am effektivsten über sein unerwünschtes Verhalten zu erlangen - eine Löschung des unerwünschten Verhaltens bei simultaner Achtung der Grundrechte muss also darauf abzielen, ihm die Überzeugung zu vermitteln, diesen Verstärker auch und leichter über erwünschte Verhaltensweisen erlangen zu können.
Siehe auch: Stammwähler, Wechselwähler, Nichtwähler, Stimmungsdemokratie