Psychologische Beratung
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Psychologische Beratung (amerik.-engl. Counseling Psychology, brit.-engl. Counselling Psychology) bietet Unterstützung von Menschen und Systemen in verschiedensten Situationen. Sie ist ein wichtiger Teilbereich der Psychologie, der sich mit der wissenschaftlich-fundierten Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Beratungsmaßnahmen befasst, die aber ggf. auch durch andere psychologische Interventionen ergänzt werden (z.B. durch psychologische Trainingsmaßnahmen). Zentral ist die Rolle der psychologischen Diagnostik (keine psychologische Intervention ohne wissenschaftlich-fundierte Diagnostik!).
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[Bearbeiten] Themenbereiche psychologische Beratung
Beratende Psychologen sind u.a. in folgenden Themenbereichen tätig: Lebensberatung, Berufs- und Studienberatung, Bildungsberatung, Ehe- und Partnerschaftsberatung, Erziehungsberatung, Familienberatung, Jugendberatung und Drogenberatung, genetische Beratung, Gesundheitsberatung, Beratung zur Bewältigung spezieller Erkrankungen (z.B. Herzleiden, Krebs) oder auch von Schmerzpatienten, Dialysepatienten, u.ä., sowie Menschen mit Behinderungen, aber auch Personal- und Führungskräfteberatung, Coaching, Supervision, Konfliktberatung, Entscheidungsberatung, Konfliktmanagement und Mediation, Mobbingberatung, Opferberatung, sowie allgemein Krisenintervention usw. und natürlich im Bedarfsfall auch eine Beratung in Bezug auf Möglichkeiten und Planung einer Psychotherapie.
[Bearbeiten] Diagnostik in der psychologischen Beratung
Psychologische Diagnostik ist keine (reine) Störungsdiagnostik (wenn sinnvoll, kann diese in einigen Feldern aber Bestandteil der Diagnistik sein). Sie strukturiert vielmehr Situationen, erhebt Informationen über psychologische Prozesse (Kognition, Emotion, Verhalten, Motivation usw.), ermittelt Ressourcen und stellt ein der Situation angemessenes komplexes, geordnetes Abbild der Struktur des Beratungs-Anliegens, der Bedürfnisse, Wünsche, Ziele, Möglichkeiten und ggf. Defizite des Beratung Suchenden dar, auf dessen Grundlage gezielt verschiedene auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Beratungsformen angewendet werden können.
Eine Unterstellung pathologischer Ursachen findet aber im Allgemeinen nicht statt. Leider herrscht zunehmend ein medizinisches (Krankheits-) Paradigma vor, durch das sehr gut qualifizierte Psychologen gezwungen werden, sich noch zum Psychotherapeuten fortzubilden und dann Beratung Suchende primär unter diesem Gesichtspunkt psychotherapeutisch zu behandeln. Beratende Psychologen finden sich nur noch in wenigen Institutionen. Eine psychologische Beratungspraxis außerhalb der Psychotherapie ist nur in seltensten Fällen wirtschaftlich möglich. Der Beruf eines klassischen Counselling Psychologist hat sich in Deutschland leider (bisher) nicht etablieren können. Hintergrund dieser Entwicklung ist die ökonomische Einbindung von psychologischer Beratung in die Systeme der Gesundheitsversorgung (Beratung als "kleiner Bruder" der Psychotherapie).
[Bearbeiten] Charakteristk der psychologischen Beratung
Psychologische Beratung ist im Wesentlichen eine Lösungen suchende, klärende und unterstützende Interventionsform, die sich vorwiegend sprachlicher Ausdrucksmittel (Interaktion und Kooperation) bedient; im Zentrum steht also das psychologische Gespräch. Dessen Ausgestaltung (z.B. eher lösungsorientiert oder eher klärend) hängt vom Bedarf des / der Beratung Suchenden und von der Situation ab. Zentral ist aber eine Grundhaltung des Psychologen des sich aus Forschungen weiterentwickelten klienten-zentrierten Ansatzes, sowie aus seit den 1950er Jahren wissenschaftlich weiterentwickelten Gesprächsmethoden, die z.T. schon in der Antike Anwendung fanden, insbesondere der Mäeutik. Auf dieser allgemeinen Grundlage werden dann die durch Diagnostik ermittelten speziellen Beratungsmethoden eingesetzt. Zumindest in größeren Institutionen werden sowohl diagnostische Verfahren wie auch die Beratung durch Evaluation und Begleitforschung verbessert und ausdifferenziert, teilweise werden auch neue Verfahren entwickelt und evaluiert.
[Bearbeiten] Beratungsanliegen
Mögliche Beratungsziele sind Vorbeugung, Lösung, Klärung oder Linderung von Lebensproblemen, Krisen aller Art und von vielfältigen inneren oder äußeren Konflikten, z.B. von Entscheidungsschwierigkeiten, von als ethisch oder moralisch unklar empfundenen Problemlagen, von Fragen zur Lebensänderung, solchen zur allgemeinen, beruflichen oder familiären Neuorientierung, bei Schwierigkeiten mit körperlichen Leiden und Erkrankungen, dem Altern, einer Behinderung, Fragen zu Bildungsmöglichkeiten und -eignungen, zur Karriereplanung, bei allgemeinen beruflichen Fragen, bei Problemen am oder mit dem Arbeitsplatz, zur Verbesserung des Arbeitens und Lernens, zur Verbesserung der Kommunikation, zur Optimierung des Führungsverhaltens uvm.
Unterschiedlichste Gründe motivieren Personen fachliche Hilfe in Form einer Psychologischen Beratung in Anspruch zu nehmen. Anstoß ist meistens ein aktuelles (Lebens-)problem. Dieses abgegrenzte Problem, dieser Konflikt wird subjektiv als schwer lösbar empfunden. Der Ratsuchende (oder die Ratsuchenden) fühlt sich möglicherweise vor einer unüberwindbaren Hürde, sieht sich in einer Sackgasse oder fühlt sich überfordert oder orientierungslos. Dennoch fühlt er sich nicht als Kranker, vielmehr erachtet er sich als beratungsbedürftig, wobei das durch die Situation verursachte Leidensempfinden aber durchaus so erheblich sein kann, dass es individuellen Krankheitswert erreicht, auch ohne dass eine psychische Störung bzw. ohne dass die Symptome (nach den klinischen Diagnosesystemen) vorliegen. Die Person beurteilt die momentane (Lebens-)schwierigkeit durchaus als veränder- und lösbar. Auch der Psychologe wird diese Person nicht als krank bezeichnen, noch wird er die momentane Lebensschwierigkeit auf eine psychische Störung zurückführen; generell unterbleiben pathologische Unterstellungen.
Generelles, übergeordnetes Ziel der Psychologischen Beratung ist die Verbesserung der Lebensqualität. Sie wird in bestimmten Konstellationen mulitdiziplinär durch andere professionelle und semi-professionelle, v.a. sozialpädagogische/-arbeiterische Beratung und Seelsorge, wie auch durch Einrichtungen der Selbsthilfe, insbesondere Selbsthilfegruppen ergänzt.
Zunehmend wird die psycholgische Beratung auch (endlich wieder) zur Klärung und Aufarbeitung (existenzieller) Sinnfragen aufgesucht. In diesem Zusammenhang kann inzwischen u.a. auch auf fundierte Forschungsergebnisse zur Psychologie des Glücks zurückgegriffen werden; ein Forschungsbereich, der in der letzten Dekade äußerst produktiv war. In Deutschland ist dieses Beratungsanliegen aber leider vor institutionelle Probleme gestellt.
[Bearbeiten] Finanzierung der Beratung
Psychologische Beratung erfolgt zumeist kostenfrei im Rahmen der erweiterten Gesundheitsversorgung, zumeist in Beratungsstellen, Krisenzentren, dem sozial-psychiatrischen Dienst beim Gesundheitsamt usw., dort allerdings dann in psychotherapeutischer Ausrichtung. Ansonsten muss psychologische Beratung vollständig privat bezahlt werden. Insbesondere wenn keine Symptome vorliegen, die einer "milden" psychischen Störung entsprechen (noch eine Störung ohne Krankheitswert), isst dies vor Probleme gestellt. Zudem fehlt es an Bereitschaft der Beratung Suchenden, solche fachlich qualifizierten Dienstleistungen (wie auch allgemein für verantwortungsvolle Arbeit mit Menschen, z.B. für private häusliche Pflege, Kinderbetreuung usw.), entsprechend angemessen zu gratifizieren (im Gegensatz zur Versorgung mit materiellen Gütern, bestimmten Aktivitäten, insbesondere während des Urlaubs usf.).
Dafür mag einerseits die erwähnte psychotherapeutische Ausrichtung in Institutionen mit verantwortlich sein. Andererseits eventuell auch eine völlig unklare Situation auf dem deutschen "Beratungsmarkt", auf dem sich unzählige, oft mehr oder minder nebenberuflich tätige, "psychologische Berater" tummeln, ganz ohne oder mit zweifelhafter Ausbildung. Denn jeder darf in Deutschland behaupten, psychologische Beratung durchzuführen, jeder darf sich "psychologischer Berater" nennen, auch wenn er kein entprechendes wissenschaftliches Psychologiestudium absolviert hat, auch dann, wenn zweifelhafte, pseudowissenschaftliche Verfahren oder sogar Verfahren mit sehr hohen Risiken angewendet werden (die materiellen Folgen finanziert die Allgemeinheit durch das Gesundheitssystem, die persönlichen der Betroffene - unter Umständen ein Leben lang).
[Bearbeiten] Beratungsvorgang
Der Beratungsvorgang ist kooperativ; Psychologe und Beratung Suchender sind gleichwertige Persönlichkeiten und sie suchen gemeinsam nach Klärung und nach Lösungsmöglichkeiten. Psychologische Beratung ersetzt weder eine ärztliche Behandlung noch psychotherapeutisch indizierte Hilfeleistung. Sie reiht sich als mildeste, niedrigschwellige Form in den Bereich der psychosozialen Versorgung ein, greift aber dafür auch wesentlich breiter. Weiteres Merkmal ist die ambulante Durchführbarkeit wie etwa in örtlichen Beratungsstellen oder in psychologischen Praxen, wobei hier wie erwähnt, ein psychotherapeutischer Ansatz vorherrscht.
Eine förderliche Psychologische Beratung führt den unterbrochenen Entwicklungsprozess im Sinne des lebenslangen Lernens und einer guten Lebenskunst fort. Der prophylaktische Wert ist erheblich. Denn aus emprischen Studien ist gesichert, dass solche Probleme, Krisen usw. die Entstehung von psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen begünstigen (vgl. z.B. Forschungen zum Diathese-Stress-Modell), vielfach kann eine solche nicht zeitnah bewältigte Krise also in eine schwere Erkrankung münden.
Psychologische Beratung ist die angemessene Form an Hilfeleistung in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Aichhorn A (1959) Erziehungsberatung und Erziehungshilfe. Huber, Bern
- Brem-Gräser L (1993) Handbuch der Beratung für helfende Berufe. Bd. 1–3. Reinhard, München – Basel
- Dietrich G (1987) Spezielle Beratungspsychologie. Hogrefe, Göttingen
- Fatzer G/Eck Claus D (Hg.) (1990) Supervision und Beratung. Ein Handbuch. Edition Humanistische Psychologie, Köln
- Nestmann F., Engel F. & Sickendiek, U. (Hrsg.) (2004). Das Handbuch der Beratung. Tübingen: dgvt-Verlag. ISBN 3-87159-050-9
- Perrez M/Büchel F/Ischi N/Patry JL/Thommen B (1985) Erziehungspsychologische Beratung und Intervention als Hilfe zur Selbsthilfe in Familie und Schule. Huber, Bern
- Schmalohr E (1995) Klären statt Beschuldigen. Beratungspsychologie mit Eltern, Kindern und Lehrern. Klett-Cotta, Stuttgart
- Textor MR (1991) Scheidungszyklus und Scheidungsberatung. Ein Handbuch. Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen