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Psychophysik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Psychophysik ist der Wissenschaftsbereich, der die Wechselwirkung zwischen objektiv messbaren physischen Prozessen und subjektivem mentalem Erleben untersucht. Er hat sich wissenschaftshistorisch recht früh durch die Arbeiten von Gustav Theodor Fechner im Anschluss an Ernst Heinrich Weber entwickelt.

1) Äußere Psychophysik 2) Innere Psychophysik 3) Physiologie
1) Äußere Psychophysik 2) Innere Psychophysik 3) Physiologie

Auf Fechner geht die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Psychophysik zurück. Während die äußere Psychophysik den Zusammenhang zwischen Reizungen der Sinnesorgane und Erleben misst, beschäftigt sich die innere Psychophysik mit den Relationen zwischen neuronalen Prozessen und Erleben. Meist wird unter „Psychophysik“ primär die Untersuchung Reiz – Erlebenzusammenhängen verstanden, während der Bereich der inneren Psychophysik der kognitiven Neurowissenschaft zugeordnet wird. Diese Zuordnungen resultieren aus der Tatsache, dass Fechner die innere Psychophysik nur theoretisch postulieren konnte, aber aufgrund fehlender neurowissenschaftlicher Methoden nicht an ihr forschen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Teilbereiche der Psychophysik

Gustav Theodor Fechner (1801–1887)
Gustav Theodor Fechner (1801–1887)

Neben der Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Psychophysik, kann man die Arbeitsbereiche in Bezug auf die Sinnesmodalitäten differenzieren. Viele psychophysische Arbeiten sind auf einen Sinn – also etwa auf die visuelle oder auditive Wahrnehmung (s. a. Psychoakustik), den Geruchs- oder Tastsinn – spezialisiert. Zudem kann man vier verschiedene Fragebereiche unterscheiden:

  1. Zum einen kann die Wahrnehmungsschwelle untersucht werden. Dabei wird erforscht wie stark die Reizung eines gegebenen Sinnesorgans sein muss, damit eine Reaktion erfolgt. Durch Adaptionseffekte kann die Wahrnehmungsschwelle in verschiedenen Kontexten erheblich variieren.
  2. Des Weiteren kann die Reizunterscheidung untersucht werden. Wie verschieden müssen zwei Reize sein, damit sie in einem gegebenen Kontext als unterschiedlich empfunden werden? Mittels des Unsicherheitsintervalls werden physisch verschiedene Reize definiert, die beim Menschen jedoch die gleiche Empfindung auslösen. Bei der Farbwahrnehmung spricht man auch von Metamerie.
  3. Ein weiteres Thema ist die Reizerkennung. So kann man fragen, wann etwa ein blaues Dreieck als ein blaues Dreieck erkannt wird. In der Regel wird das Vorhandensein eines Reizes registriert, bevor eine genaue Identifikation möglich ist.
  4. Ein letzter Untersuchungsbereich ist die Skalierung in der nicht nur untersucht wird, ob eine Person einen Reiz erkannt hat, sondern, ob sie schätzen kann, wie stark der Reiz ist. Die Skalierungsfähigkeiten können in verschiedenen Situationen erheblich variieren.

[Bearbeiten] Psychophysische Gesetze

Ernst Heinrich Weber, 1795–1878
Ernst Heinrich Weber, 1795–1878

In der Psychophysik sind drei klassische Gesetze formuliert worden. Das Webersche Gesetz beschreibt die Tatsache, dass das Unsicherheitsintervall in einem bestimmten Verhältnis zur Reizintensität steht: Je stärker der Reiz, desto größer muss die Reizveränderung sein, um einen Unterschied zu bemerken. Die formale Beschreibung lautet:

\frac{\Delta R}{R} = const.

Dabei steht ΔR für die Reizveränderung und R für den Reiz. Ein Beispiel: Gegeben k = 1/10, so braucht man bei einem Reiz von 10 Einheiten eine Reizschwankung von einer Einheit, um einen Unterschied zu bemerken. Bei einem Gewicht von 20 g bräuchte man folglich 2 g, um einen Unterschied zu registrieren. Bei einem Gewicht von 20kg hingegen 2 kg Reizschwankung.

Fechners Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Reiz- und Erlebnisintensität: R E

E = k \cdot \log R + f

E repräsentiert in der Formel die Erlebnisintensität. Sie entspricht dem Logarithmus der Reizintensität multipliziert mit einer Konstante, addiert mit einer weiteren Konstante. Allgemein formuliert besagt Fechners Gesetz, dass die Empfindungsstärke mit dem Logarithmus der Reizstärke wächst. Eine Verdopplung der Reizstärke hat also nicht eine Verdopplung der Empfindungsstärke, sondern etwa nur einen Zuwachs von 30% zur Folge. Neuere Experimente haben allerdings gezeigt, dass Fechners Gesetz nur einen eingeschränkten Geltungsbereich hat: Bei außergewöhnlich schwachen oder starken Reizen kann das Gesetz keine Allgemeingültigkeit beanspruchen.

Aufgrund der eingeschränkten Gültigkeit von Fechners Gesetz hat Stanley S. Stevens 1957 seine Potenzfunktion (Stevenssche Potenzfunktion) formuliert:

G = k \cdot R^m

m repräsentiert hier die modalitätsspezifische Potenz, die für die meisten Sinne kleiner als eins ist (mit Ausnahme des Schmerzes) und G die subjektiv geschätzte Größe eines Attributes. Nach Stevens Potenzfunktion nimmt die durchschnittliche Schätzung der Größe eines Attributes etwa als Power-Funktion der Intensität des Reizes zu.

[Bearbeiten] Wissenschafts- und philosophiehistorische Bedeutung

Die Psychophysik hat sich im Verhältnis zu anderen kognitionswissenschaftlichen Disziplinen sehr früh entwickelt. Webers und Fechners zentrale Arbeiten fallen auf die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihre systematische und empirische Erforschung von Reiz-Erlebnis-Zusammenhängen hat einen großen Einfluss auf viele Wissenschaftler und Philosophen gehabt. Beispiele sind Hermann von Helmholtz und Ernst Mach, Max Weber und Wilhelm Wirth. Die Psychophysik gehörte damit zu den wissenschaftshistorisch bedeutsamen Vorreitern einer naturwissenschaftlichen Erforschung von Bewusstseinsprozessen.

Gleichzeitig bietet das Werk Fechners auch eine kritisch-skeptische Perspektive auf die Naturwissenschaften. Fechner war als Kritiker des Materialismus nicht der Meinung, dass sich mentale Ereignisse auf physische Ereignisse reduzieren lassen. Dennoch versuchte er mit der Psychophysik Korrelationen zwischen diesen Ereignissen herzustellen. Fechners methodologische Einstellung findet sich zum Teil auch heute bei Neurowissenschaftlern wieder, die nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins suchen, ohne damit eine metaphysische Aussage über die Natur des Bewusstseins machen zu wollen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Gustav Theodor Fechner: Elemente der Psychophysik. 1860.
  • Water Ehrenstein: Psychophysik. in: Lexikon der Neurowissenschaft 3. Band. Spektrum Verlag, Heidelberg, Berlin 2001.
  • S.S. Stevens: Psychophysics. New York, 1975.
  • Max Weber: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1988, S. 61-255.

[Bearbeiten] Weblinks

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