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Ritterlichkeit - Wikipedia

Ritterlichkeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ritterlichkeit umfasst einen Katalog von tugendhaftem Verhalten oder bestimmter Tugenden; manchmal sogar einen Ethos. Es stammt vom mittelhochdeutschen Adjektiv bzw. Adverb rîtterlich oder rîterlich, das Nomen Ritterlichkeit ist also späteren Ursprungs. Dort bezeichnet es das einem Ritter geziemende Verhalten [1].

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Chronologischer Abriss

[Bearbeiten] Mittelalter

[Bearbeiten] Hochmittelalter

Während des Hochmittelalters (1170 bis 1250) beinhaltete der Begriff vor allem in der Literatur, das Ideal eines nichtkodifizierten Ethos des Rittertums, das folgende Wertvorstellungen umfasste:

  • mâze (sprich: maaze): maßvolles Leben, Zurückhaltung (P)
  • zuht (sprich: zucht): Erziehung nach festen Regeln, Anstand, Wohlerzogenheit (P)
  • êre (sprich: ere): ritterliches Ansehen, Würde
  • triuwe (sprich: trüwe): Treue (S)
  • hôher muot (sprich: hoher muot): seelische Hochstimmung (P)
  • höveschkeit: Höfischkeit, Höflichkeit (S)
  • diemüete: Demut (S)
  • milte: Freigiebigkeit, Großzügigkeit (S)
  • werdekeit: Würde (P)
  • staete: Beständigkeit, Festigkeit (P)
  • güete: Freundlichkeit (S)
  • manheit: Tapferkeit (S)

Die ritterlichen Tugenden bestanden aus persönlichen (P) wie sozialen (S) Normen, die zum einen das Ansehen des Rittertums und damit des Adels überhaupt erhalten und begründen (êre, zuht), aber auch die Ordnung der sozialen Beziehungen der Menschen festigen und garantieren sollten. Sie dienten damit auch der Legitimation des Adels als herrschendem Stand.

Natürlich fußten sie auf den militärischen Tugenden von Treue und Tapferkeit (denn Ritter waren zunächst nichts anderes als die Soldaten eines Lehnsherren), überstiegen diese jedoch weit. Wichtig dabei ist zu beachten, dass es sich dabei um Idealisierungen handelt, die vornehmlich der so genannten höfischen Dichtung wie Erec, Parzival oder Iwein sowie dem Minnesang entlehnt sind und die sich dort in ritualisierten Handlungen niederschlagen. Die höveschkeit, aus dessen Begriff der neuhochdeutsche Begriff der Höflichkeit sich noch speist, bezeichnet die Umgangsformen am Hof, welcher ein gesittetes wie musisch gebildetes Verhalten nahelegt.

Im Minnesang (genauer: in der Hohen Minne) etwa wird diese Ritterlichkeit am stärksten ritualisiert, indem das lyrische Ich die Angeminnte zu einem unerreichbaren Ideal stilisiert, wobei es diese stets seines hôhen mouts, staete, diemüete und triuwe versichert.

Auch in den großen Ritterepen kommen die Ritterfiguren nur durch mâze und staete an ihr Ziel. Ritterlichkeit und christliche Tugenden wie sie sich in den mönchischen Tugenden der Hilfsbereitschaft, keuschen Zucht und Askese wiederfinden, ergänzen sich. Wenig umstritten ist auch die These, dass die ritterlichen wesentlich auf den christlichen Tugenden beruhen.

Für das Verständnis von mittelalterlicher Ritterlichkeit ist der Unterschied zwischen dem Figurentyp des Helden und dem des Ritters entscheidend. Der Held, wie er in Heldenepen des Artussagenkreises oder der Nibelungensage etwa in den Personen Siegfrieds oder König Artus' dargestellt wird, entspricht nicht dem Ideal höfischer Ritterlichkeit. Siegfried wird dort als ungehobelter, recht einfacher, jedoch mutiger Mann beschrieben, der nicht die ritterlichen Kriterien von êre und höveschkeit erfüllt. Die keltische Artussage (um 500) wird erst durch ihre spätere Rezeption in Frankreich (12. Jahrhundert) für die höfisch-ritterliche Dichtung interessant.

[Bearbeiten] Spätmittelalter

Die hochmittelalterlichen Idealvorstellungen von Ritterlichkeit sind auch Gegenstand nachträglicher Glorifizierung. In der Literatur zum Beispiel bei Thomas Malory (um 1405-1471) und seinen Geschichten von König Arthus und den Männern von der Tafelrunde. Hier werden die Geschichten um den keltischen Artussagenkreis zu einem Prosa-Heldenepos verschmolzen.

Cervantes' (1547-1616) Don Quijote bildet den Abgesang auf die idealisierenden und verklärenden Vorstellungen von Ritterlichkeit in einer Zeit, da das Rittertum durch die Erfindung des Schießpulvers militärisch obsolet geworden und wirtschaftlich veramt war. Tatsächlich gibt Cervantes mit seinem „Ritter von der traurigen Gestalt“ alle Vorstellungen einer neuen Ritterlichkeit der Lächerlichkeit preis; die Zeiten der Ritter sind schlicht vorbei.

[Bearbeiten] Romantik

Am stärksten rezipiert und wiederbelebt wurden die ritterlichen Ideale in der Romantik, in denen die feudale Ordnung mit ihren ritterlichen Tugenden als rückwärtsgewandte Utopie gegen die neue bürgerliche Gesellschaft eskapistisch formuliert wird. Vor allem die Ritterromane des 19. Jahrhunderts vermitteln das Bild einer heilen Welt von Ritterlichkeit.

Heinrich Heine hatte schon am 18.August 1820 in einem mit „Die Romantik“ überschriebenen Artikel des Rheinisch-westphälischen Anzeiger. Kunst und Wissenschaftsblatt auf den Zusammenhang zwischen Romantik und Rittertum hingewiesen:

„Viele aber, die bemerkt haben, welchen ungeheuren Einfluß das Christentum, und in dessen Folge das Rittertum, auf die romantische Poesie ausgeübt haben, vermeinen nun beides in ihren Dichtungen einmischen zu müssen, um denselben den Charakter der Romantik aufzudrücken.“

Auch in seiner Schrift „Die Romantische Schule“ wird dies erwähnt. Und tatsächlich: Neben Ludwig Tiecks Ritter Blaubart fiel auch die Herausgabe der Deutschen Sagen durch die Gebrüder Grimm in die Zeit der Romantik. Ob dies jedoch mit einem Wiederaufleben des ritterlichen Ideals und der Ritterlichkeit einherging, ist in der Forschung nicht mehr nur umstritten, sondern wird auch zunehmend bestritten.

[Bearbeiten] Moderne

Ritterlichkeit ist heute der Begriff für ein faires und rücksichtsvolles und höflich-zuvorkommendes Handeln, wird jedoch zunehmend seltener verwendet. In der Literatur spielt das Ideal der Ritterlichkeit mit wenigen Ausnahmen wie dem Fantasy-Bestseller Die Nebel von Avalon heute nur mehr eine untergeordnete Rolle. In Film und Fernsehen werden die Ideale der Ritterlichkeit vornehmlich von Fantasy-Filmen aufgegriffen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Horst Brunner: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. 2. Aufl. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN 3-15-009485-2.
  • Joachim Bumke: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. 5. Aufl. dtv, München 2004, ISBN 3-423-04552-3.
  • L. Peter Johnson: Die höfische Literatur der Blütezeit. In: Joachim Heinzle (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit. Bd. II/1. Niemeyer, Tübingen 1999, ISBN 3-484-10700-6.
  • Werner Paravicini: Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters. Oldenbourg, München 1994, ISBN 3-486-55008-X.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Referenzen

  1. siehe Eintrag des Mittelhochdeutschen Wörterbuchs
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