Rubbiatron
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Als Rubbiatron (engl. auch „energy amplifier“) wird ein neues Konzept von Kernreaktoren bezeichnet. Dieses neue Reaktorkonzept geht zurück auf Ideen von Carlo Rubbia, Nobelpreisträger und ehemaliger Direktor des Forschungszentrums CERN bei Genf, mit Hilfe dessen langlebige, stark toxische Radionuklide (Plutonium und andere Aktiniden) aus dem Betrieb von Kernkraftwerken gezielt in kurzlebigere, weniger toxische Nuklide umgewandelt werden können.
Im Konzept von Professor Rubbia wird ein Teilchenbeschleuniger mit einem Spaltreaktor kombiniert (Accelerator Driven Transmutation Technology - ADDT). Als Beschleuniger wird ein herkömmliches Zyklotron eingesetzt, mit dem Protonen auf eine Energie von ca. 1 GeV beschleunigt werden. Die Protonen treffen in einem unterkritischen Reaktor auf ein Target aus flüssigem Blei, in dem durch Spallation Neutronen produziert werden, die auf eine Brennstoffmischung aus Thorium und den umzuwandelnden Aktiniden aus dem Abfall aus Kernreaktoren treffen. In einer kernphysikalischen Reaktion werden die Neutronen aus dem Spallationsprozess vom Thorium-Atomkern absorbiert, was dazu führt, dass sich das nicht spontan spaltende Thorium in ein spontan spaltendes Uranisotop umwandelt. Die kernphysikalischen Reaktionsgleichungen sehen dabei wie folgt aus:
In Gleichung 4) ist zu sehen, dass das Uranisotop U233 unter Aussendung von nur zwei Neutronen spaltet. Für eine spontane, überkritische Kettenreaktion wären aber 3 Neutronen notwendig, wie es für z. B. für das Uranisotop U235 der Fall ist. Somit ist das Rubbiatron vom Design her unterkritisch, d. h. im Gegensatz zu vielen anderen Kernreaktortypen ist eine außer Kontrolle geratene Kettenreaktion nicht möglich. Der Reaktor läuft nur solange, wie der Protonenstrahl aus dem Beschleuniger auf das Spallationstarget trifft.
Die Spaltung des Uranisotops U233 setzt Energie frei, die als Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Diese Wärme kann wie in konventionellen Kernreaktoren über einen Kühlkreislauf abgeführt werden und mittels Dampfturbinen in elektrische Energie umgewandelt werden. Fernziel des Konzepts ist der Bau eines Reaktors, der mehr elektrische Energie liefert, als für die Erzeugung des Protonenstrahls notwendig ist.
Nebeneffekt der oben beschriebenen Kernreaktionen ist die Möglichkeit, neben den Elementen Thorium und Blei radioaktive Abfallstoffe aus konventionellen Kernreaktoren in das Rubbiatron einzubringen. Dieser Abfall, der meist aus langlebigen Actiniden besteht, wird durch die Bestrahlung mit den Spallationsneutronen in kurzlebigere Isotope umgewandelt. Dadurch wird es möglich, möglichst wenige dieser in den abgebrannten Brennelementen oder – in deutlich geringerem Maße - auch den radioaktiven Abfällen enthaltenen langlebigen Radionukliden in ein Endlager einzubringen. Es gibt auch noch andere technische Vorschläge mit derselben Zielsetzung. Zusammenfassend werden diese Verfahren als Transmutation bezeichnet. Da in der Regel vor der Umwandlung eine Abtrennung der zu bearbeitenden Bestandteile (im Englischen als Partitioning bezeichnet) stattfindet, wird vielfach in Fachkreisen auch der Begriff „Partitioning & Transmutation“ oder P & T verwendet.
In der Fachwelt ist die praktische Realisierbarkeit der Transmutation und damit des Rubbiatrons umstritten, da der enorme Aufwand und damit die zu erwartenden Kosten möglicherweise nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zum erzielten Nutzen stehen.
[Bearbeiten] Literatur
- James Varley: Fast neutron incineration as an alternative to geological disposal: the Rubbia proposal. In: Nuclear Engineering International, July 1997