Dampfturbine
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Läufer mit Beschaufelung einer modernen Dampfturbine
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Vereinfachte CAD-Darstellung eines einstufigen Turbinenläufers
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Ältere Dampfturbine mit auseinandergezogenen Gehäusedeckeln; ausgestellt im Rheinischen Industriemuseum Zinkhütte Alternberg in Oberhausen
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Eine Dampfturbine ist eine Turbinenbauart. Sie besteht aus einer schnell rotierenden Welle, bestückt mit vielen Turbinenschaufeln, die von Wasserdampf angeströmt werden.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Bezeichnungen
[Bearbeiten] Genormte Bezeichnungen
Nach DIN sind folgende Bezeichnungen zu unterscheiden:
- Dampfturbine: Sie ist die reine Kraftmaschine mit den rotierenden Bauteilen,
- Dampfturbosatz: Er besteht neben der Dampfturbine aus den angeschlossen Arbeitsmaschinen, gegebenenfalls zusätzlich ein Getriebe,
- Dampfturbinenanlage: Darunter versteht man die Gesamtheit aus Dampfturbine, Arbeitsmaschine, Kondensator und angeschlossene Rohrleitungen.
[Bearbeiten] Weitere Bezeichnungen
- Nach der Durchflussrichtung: Axialturbine und Radialturbine
- Nach dem Arbeitsverfahren: Aktionsturbine (Abbau des Enthalpiegefälles auf den Leitschaufeln) und Reaktionsturbine (Abbau des Enthalpiegefälles auf den Leitschaufeln und den Laufschaufeln)
- Nach dem Dampfzustand: Heißdampf-, Nassdampfturbine sowie Hochdruck-, Mitteldruck- und Niederdruckturbine
- Nach der Dampfzuführung: Frischdampf-, Abdampf- und Speicherdampfturbine
- Nach der Dampfabführung: Kondensations- und Gegendruckturbine
[Bearbeiten] Entwicklung
Die Dampfturbine nutzt die Totalenthalpie des Dampfes. Je nach Aufteilung des Enthalpiegefälles auf Leitrad und Laufrad spricht man entweder von Aktions- oder Reaktionsturbinen. Das Prinzip der Reaktionsturbine entdeckte bereits in der Antike Heron von Alexandria und nutzte es für den Bau einer primitiven Version einer solchen (Aeolipile). Diese erste Erfindung einer Turbine wurde aber nie einer weiteren Nutzung zugeführt, sondern nur als Spielerei verwendet.
Die Idee, heißen Dampf zum Antrieb der Schaufeln eines Turbinenrades zu verwenden, hatte Giovanni Branca bereits im Jahre 1629. Die ersten einsetzbaren Dampfturbinen entwickelten der Schwede Carl Gustav Patrik de Laval 1883 (Aktionsprinzip) und der Engländer Charles Parsons (1884) (Reaktionsprinzip). Beide Originalmaschinen stehen im Deutschen Museum in München. Parsons war auch der erste, der eine Dampfturbine in ein Schiff, die Turbinia, einbaute. Der Vorteil der Aktionsturbine besteht darin, dass für Lauf- und Leitreihen die selben Schaufeln verwendet werden können. Die schwedischen Brüder Birger und Frederik Ljungstöm entwickelten vor dem Ersten Weltkrieg einen gegenläufigen Radialturbinentyp im Gegendruckbetrieb, der mit Leistungen mit bis zu 30 Megawatt und den Möglichkeiten des Betriebs in einem Fernwärmenetz oder auf einen Kondensator sehr flexibel einzusetzen war. Prinzipbedingt liegt die größte Leistung dieses Typs allerdings ebenfalls bei etwa 30 Megawatt; deshalb werden Ljungströmturbinen in der heutigen Zeit nicht mehr gebaut.
[Bearbeiten] Funktion
Der idealisierte (verlustfreie) thermodynamische Kreisprozess einer Dampfturbine stellt sich wie folgt dar:
- 1 - 2: Reibungsfreies (adiabates) Verdichten des Arbeitsmittels Wasser auf den im Dampferzeuger herrschenden Druck,
- 2 - 3: Isobares Erwärmen des Wassers auf die zum Druck gehörende Verdampfungstemperatur,
- 3 - 4: Überführung des flüssigen Wassers in Dampf bei konstantem Druck,
- 4 - 5: Weitere Erwärmung (Überhitzung) des Dampfes bei konstantem Druck,
- 5 - 6: Reibungsfreie Entspannung des Dampfes bei konstanter Entropie in der Dampfturbine mit gleichzeitiger Entstehung der ersten Wassertropfen,
- 6 - 1: Isobare Kondensation des nassen Dampfes im Kondensator.
Die vom dargestellten Kreisprozess eingeschlossene Fläche repräsentiert die technisch nutzbare Arbeit bezogen auf die durchströmende Dampfmenge. Der Prozess selbst ist sehr stark vereinfacht, in der Praxis kommen noch weitere Schritte wie beispielsweise die Zwischenüberhitzung des Dampfes bei 5 - 6 oder die Vorwärmung des Wassers bei 1 - 2 mit Anzapfdampf aus der Dampfturbine hinzu.
[Bearbeiten] Technik
Der Dampf dazu wird mit Erdgas, Erdöl, Kohle (fossiler Energie), Biomasse, Solarenergie oder Kernenergie im Dampferzeuger bereitgestellt und über Rohrleitungen der Turbine zugeführt. Dort wird dann die Enthalpiedifferenz des Dampfes bis zu der Temperatur und dem Druck genutzt, die vom Kondensator vorgegeben wird. Diese Maschinenbauart heißt daher auch "Kondensationsturbine". Die heutigen Dampfturbinen haben durch die Aufteilung der Dampfmenge auf separate Teilturbinen mit einer gemeinsamem Welle eine Leistung von bis zu 1500 Megawatt. Die technisch mögliche Grenzleistung dieser Bauart wird mit 4000 MW abgeschätzt.
Dampfturbinen mit teilweise über 1000 MW Leistung pro Block werden vornehmlich in Kernkraftwerken eingesetzt. In den meisten Kernkraftwerken befinden sich Sattdampfturbinen, bestehend aus einem Hochdruck- sowie zwei oder drei Niederdruckteilen in separaten Gehäusen mit insgesamt zwei oder drei Kondensatoren. Die leistungsstärkste Dampfturbine (1600 MW) wird zurzeit für das finnische Kernkraftwerk Olkiluoto III gebaut. Die größte Schaufellänge des Niederdruckteiles beträgt etwa 1400 mm; im Betrieb erreicht die Schaufelspitze bei 3000 Umdrehungen pro Minute eine Geschwindigkeit von 500 Metern pro Sekunde, was in etwa der 1,5-fachen Schallgeschwindigkeit in der Luft entspricht. Die zugehörige Zentripetalbeschleunigung der Schaufelspitze beträgt in diesem Betriebszustand 157.750 m/s². Die daraus resultierende und an einer Schaufel wirkende Fliehkraft entspricht dem Gewicht eines vollbetankten Airbus 380 und wirkt an jeder der ca. 50 Laufschaufeln der Niederdruckstufe. Nicht nur die Schaufeln selbst müssen diesen Kräften standhalten, sondern auch die Schaufelfüße, die wiederum die Kräfte in die Rotorwelle weiterleiten. Derartige Belastungen sind nur noch durch spezielle Werkstoffe wie beispielsweise Titanlegierungen zu beherrschen.
Ein schwierig zu beherrschender Nebeneffekt ergibt sich beim Betrieb von Niederdruckdampfturbinen. Der Dampfdruck sinkt dabei weit unter 1 bar. Zwischen bestimmten Teilbereichen der Schaufeln der letzten Stufen erreicht der Dampf die zugehörige Schallgeschwindigkeit. Die zuvor bei der Entspannung entstehenden Wassertropfen erodieren die Beschaufelung der Turbine und beim Eintritt in den Kondensator dessen Berohrung. Aufgrund der stark absinkenden Dichte kommt es zu einem radialen Druckgefälle und somit zu ungleichen Strömungsgeschwindigkeiten über der Schaufelhöhe. Gelöst wird dieses Problem durch die Verwendung eines Kondensators. Der Kondensator wird hierbei unter Vakuum gesetzt, um den Kondensationspunkt abzusenken. Die Abdampftemperatur beträgt hierbei nach Verlassen der Turbine im Hochvakuum nur noch 35 °C und wird darauffolgend um zwei bis drei Grad abgekühlt, um den Aggregatwechsel einzuleiten.
[Bearbeiten] Einsatzbereich Dampfkraftwerke
Der heute weitreichendste Einsatzbereich von Dampfturbinen findet sich in der Stromerzeugung in Kraftwerken für fossile Brennstoffe oder in Kernkraftwerken. Diese Dampfturbinen gelten mit Leistungen bis 1600 MW (zur Zeit im Bau für das finnische Atomkraftwerk Olkiluoto III) als die größten ihrer Art.
Bei der Stromerzeugung gilt es jedoch besondere Rahmenbedingungen einzuhalten: So beträgt die Netzfrequenz in Europa 50 Hz, was bei einer Zweipolmaschine eine Drehzahl von 3000 U/min und bei einer Vierpolmaschine 1500 U/min zwingend erforderlich macht. Diese Anforderung muss auf die Umdrehung genau eingehalten werden, um die Synchronität zum Netz nicht zu verlieren. Aus diesem Grund werden ganz spezielle Anforderungen an die Regelung gestellt. Aus technischer Sicht ist die niedrigere Drehzahl günstiger - dennoch wird in vielen Kraftwerken mit 3000 U/min gearbeitet, da die Eigenfrequenz vieler Turbinenwellen im Bereich 1200 - 1400 U/min liegt und somit zu nahe an der Betriebsdrehzahl.
Eine aktive Regelung der Drehzahl über den Dampfventile wäre für diese Anforderung viel zu träge, weshalb man zu einer passiven Regelung über die Last überging. Letztendlich wird die Turbinendrehzahl über die Netzfrequenz vorgegeben.
Die Wellen von Kraftwerksturbinen weisen eine Länge von bis zu 60 m auf und können mehrere 100 Tonnen inklusive Turbosatz wiegen. In Verbindung mit den in dieser Größenordnung hohen Drehzahlen entstehen hierbei gewaltige Kräfte welche im ungünstigsten Fall bei einem Störfall zu einem Bersten der Turbine führen können. Aus diesem Grund werden in Kernkraftwerken Turbinen stets so aufgestellt, dass wegfliegende Trümmerteile keinesfalls den Kernreaktor treffen können. Auch bei konventionellen Kraftwerken ist die Bauweise so, dass solche Trümmerteile niemals in Richtung der Leitwarte weggeschleudert werden können.
Der Anlauf einer Kraftwerksturbine aus dem Kaltzustand kann bis zu einer Woche andauern. Des Weiteren könnte die schnelle und ungleichmässige Wärmedehnung der Welle gegenüber dem Gehäuse zum Verklemmen derselben führen. Die Turbine wird daher unter ständiger Drehung bei niedriger Drehzahl langsam auf bis zu 300 °C vorgeheizt. Dabei wird die Welle durch einen Elektromotor mit rund 60 U/min angetrieben, um ein Durchhängen und ein axiales Schaben in der Lagerung der Welle zu verhindern. Ist die Turbine auf Betriebstemperatur, so dauert das Hochfahren auf Betriebsdrehzahl in der Regel zwischen 12 und 60 Minuten.
Eine Besonderheit sind die Kraftwerksblöcke für den Bahnstrom der Deutschen Bahn, da hierfür bei einer Zweipolmaschine nicht 3000, sondern nur 1000 U/min benötigt werden. Oftmals werden daher diese Turbosätze nicht direkt, sondern durch ein Getriebe miteinander verbunden, so das nur der Generator mit niedrigerer Drehzahl betrieben wird.
In besonders effizienten Kraftwerken findet die Dampfturbine weiterhin Verwendung, da sie mit Gasturbinen kombinierbar ist: Die Abgase der Gasturbinen heizen den Dampferzeuger, durch den im Dampferzeuger entstehenden Dampf wird eine Dampfturbine angetrieben. Diese Form von Kraftwerken nennt man GuD-Kraftwerke (Gas- und Dampf-Kraftwerk).
[Bearbeiten] Weitere Anwendungen

Dampfturbinen wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Seeschiffen eingesetzt, da nur sie aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit der Forderung nach immer höheren Schiffsgeschwindigkeiten gerecht werden konnten. Nachdem Mitte der siebziger Jahre die Preise des Öls für die Befeuerung der Dampfkessel immer weiter stiegen, wurden kaum noch Dampfturbinen in Schiffe eingebaut. Stattdessen gab man den zwar teureren, aber verbrauchsgünstigeren Dieselmotoren den Vorzug. Heute werden Dampfturbinen nur noch bei atomargetriebenen Schiffen zur eigentlichen Krafterzeugung genutzt. Vor allem im Bereich der Militärtechnik wird dabei der vibrationsfreie und geräuscharme Lauf als großer Vorteil gewertet.
Auch zum Antrieb von Verdichtern und Pumpen im hohen Leistungsbereich ( > 1 Megawatt) kommen Turbinen zum Einsatz.
Dampfturbinen finden auch in großen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Anwendung.
[Bearbeiten] Dampfturbinenbau
Im Dampfturbinenbau hat es in den letzten Jahrzehnten einen starken Konzentrationsprozess gegeben. Die verbliebenen Turbinenbauer sind u. a.:
- Alstom Power Generation AG, Mannheim
- GE Power Systems
- Kühnle, Kopp & Kausch (übernommen durch Siemens Power Generation Juli 2006)
- MAN Turbo AG, Oberhausen (Hat zum 1. Januar 2006 auch die Dampfturbinenaktivitäten von Blohm + Voss übernommen.)
- Siemens Power Generation, Erlangen
- TurboAtom, Kharkiv
- Leningrader Metallwerke (LMZ), St. Peterburg
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Dampfturbine – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- http://www.energytech.at/kwk/portrait_kapitel-2_1.html
- http://www.deutsches-museum.de/ausstell/meister4/turbine.htm
[Bearbeiten] Literatur
- Strom aus Steinkohle, Stand der Kraftwerkstechnik, Herausgegeben von der STEAG Aktiengesellschaft Essen, Springer-Verlag 1988, ISBN 3-540-50134-7, Dampfturbinen Seite 148 bis 191
- Die Dampfturbine, Ein Lehr- und Handbuch für Konstrukteure und Studierende, Autor: Wilh. H. Eyermann, Verlag R. Oldenburg 1906