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Sigfrid Karg-Elert - Wikipedia

Sigfrid Karg-Elert

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Sigfrid Karg-Elert (* 21. November 1877 in Oberndorf am Neckar, † 9. April 1933 in Leipzig) war einer der bedeutendsten und originellsten Komponisten von Orgelmusik des 20. Jahrhunderts sowie Musikschriftsteller und Harmonist.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Siegfried Theodor Karg soll als jüngstes von zwölf Kindern schon in früher Kindheit eine enorme musikalische Begabung gezeigt haben. Ein regelrechtes Familienleben hat er wohl kaum erlebt. Vielmehr waren die ersten Lebensjahren durch ständige Wohnungswechsel innerhalb Deutschlands geprägt. Ein Blick in die Meldeunterlagen der Familie Karg lassen primitive und beengte Lebensumstände erahnen: Vier der zwölf Kinder überlebten das erste Lebensjahr nicht und von den restlichen acht waren drei vorehelich. Die Geburtsorte der Kinder lagen mit Berlin, Leipzig, Zürich, Augsburg und Oberndorf am Neckar teilweise erheblich voneinander entfernt. Der Vater Johann Jacob Joseph Karg (1823-1889) war Buchhändler und lebte viele Monate von seiner Frau Marie Auguste Friederike, geb. Ehlert (1840-1908) samt Familie getrennt. Die Familie blieb hingegen nur wenige Jahre in Oberndorf und zog 1882 nach Leipzig.

In Leipzig erhielt er eine erste musikalische Ausbildung im neu gegründeten Chor der Johanniskirche. Es folgten privater Klavierunterricht und erste Kompositionsversuche, die er dem Komponisten Emil Nikolaus von Reznicek (1860-1945) anlässlich einer „Leipziger Tonkünstler Versammlung“ im Jahre 1896 vorstellte. Reznicek erkannte Kargs Begabung und erwirkte für ihn ein dreijähriges Freistudium am Leipziger Konservatorium.

An diesem renommierten Institut in der Grassistraße studierte er bei so bedeutenden Persönlichkeiten wie Salomon Jadassohn, Carl Reinecke, Alfred Reisenauer und Robert Teichmüller. Von August 1901 bis September 1902 war Karg als Klavierlehrer am „Sannemann’schen Konservatorium“ und am „Neuen Konservatorium für Musik“ in Magdeburg tätig. In diese Zeit fällt auch die Veränderung seines Namens: Unter Auslassung des Buchstabens „h“ fügte er seinem Familiennamen den Mädchennamen seiner Mutter hinzu. Seinem Vornamen gab er dabei die nordische Schreibweise „Sigfrid“.

Im Jahre 1904 machte er die Bekanntschaft des Berliner Verlegers und Harmoniumspezialisten Carl Simon, der ihn auch an das „Kunstharmonium“ heranführte. Bis Mitte der zwanziger Jahre entstanden für dieses Instrument zahlreiche Kompositionen und Unterrichtswerke. „Papa Simon“, wie Karg-Elert seinen Verleger freundschaftlich nannte, war dabei mehr als ein Geschäftspartner: Simon war enger Vertrauter und Mäzen, der den chronisch finanzschwachen Komponisten oftmals finanziell unterstützte. Als Harmonium-Virtuose unternahm Karg-Elert verschiedene Konzertreisen.

Durch den Gewandhausorganisten Paul Homeyer wurde Karg-Elert zu Orgelkompositionen angeregt. Mit seinem bedeutenden Opus 65, den 66 Choralimprovisationen, legte er dann schließlich 1909 den Grundstein für sein umfangreiches Orgelwerk.

Am 25. Juli 1910 heiratete Karg-Elert Minna Louise Kretzschmar (1890-1971); am 21. April 1914 wurde die Tochter Ingeborg Annelies Käthchen (genannt: Katharina) geboren. 1919 wurde Sigfrid Karg-Elert zum Lehrer am Leipziger Landeskonservatorium ernannt. Er unterrichtete später so bedeutende Komponisten wie Johannes Weyrauch und Wilhelm Weismann.

Seine Position am renommierten Leipziger Landeskonservatorium und in der Messestadt im allgemeinen war die eines Außenseiters. Die sukzessive Nationalisierung des deutschen Musikbetriebes führte in den zwanziger Jahren zur schrittweisen Negierung des Komponisten Karg-Elert. Sein „kosmopolitischer“ und „artifizieller“ Kompositionsstil unterschied ihn von Zeitgenossen, die Musik nur noch als „deutsche“ Musik wahrnahmen. Allenthalben stieß Karg-Elert auf Ablehnung, die er auf Intrigen, Klüngelwirtschaft und Verkennung seiner Fähigkeiten zurückführte.

Eine besonders unglückliche Rolle spielte dabei Karl Straube (1873-1950), Thomaskantor und Leiter des Kirchenmusikalischen Institutes am Landeskonservatorium. Hatte er Karg-Elert anfänglich noch durch Aufführungen seiner Werke gefördert, präsentierte er sich in den zwanziger Jahren als dessen erbitterter Gegner. Auch der Reger-Schüler Hermann Grabner (1886-1969), ebenfalls Lehrer am Konservatorium, galt als Antipode zu Karg-Elert. Herman Berlinski, ein ehemaliger Student am Konservatorium, erinnert sich:

Für Grabner galt der vierstimmige Satz gewissermaßen als Bibel, musikalisch ist er kaum über Brahms hinausgelangt, er hat, glaube ich, den Brahms nicht einmal begriffen. [...] Das DEUTSCH schwang immer in seinen Reden mit. Karg-Elert sprach von Musik, Grabner von DEUTSCHER Musik. Dieser Akzent übertrug sich auf viele seiner Schüler. Karg-Elert selbst hat die Welt mit jeder Komposition überrascht, er war stilistisch ausgesprochen wandlungs- fähig, zudem ein großer Techniker und ein kluger, kühner Theoretiker.

Der Schritt zu einer nationalistischen und rassistischen Argumentation war nicht weit. Karg-Elert wunderte sich bereits 1926:

Was doch die verdammte Schnüffelei bei uns für groteske Blüten treibt. So, so, weil ich 'Sigfrid‘ heiße, deshalb muß ich 'Jude‘ sein! Weil manche meiner Werke französische Titel tragen, muß ich ein 'Undeutscher‘ sein, den man boykottiert. O, was mir die Freundschaft und Sympathie zu England, Frankreich und Italien schon oft geschadet hat, man wird sofort als Jude, Verräter und Bolschewik abgestempelt — . Es ist schlimm!

Der Vorwurf des undeutschen und das Gerücht der jüdischen Abstammung gipfelten 1935 in der posthumen Denunziation als „nichtarischer Musikbeflissener“. Karg-Elerts Name wurde in die Erstauflage des perfiden Pamphlets „Das musikalische Juden-ABC“ von Christa Maria Rock und Hans Brückner aufgenommen. Trotz 1936 erfolgter Korrektur blieben die Schäden für die Rezeptionsgeschichte seiner Werke für Jahrzehnte irreparabel. Ein Musiker, der sich für Schönberg, Debussy und Skrjabin interessierte und Atonalität nicht als Ausdruck von „Entartung“ verstand, blieb weithin suspekt.

Im Mai 1930 nahm Karg-Elert als Ehrengast an einem zehntägigen Festival teil, das die „Londoner Organ Music Society“ zu seinen Ehren in England ausrichtete. Im Frühjahr 1932 machte er einen verhängnisvollen Fehler, indem er das Angebot zu einer Orgelkonzerttournee durch die USA annahm. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits von Diabetes und Misserfolgen in Deutschland gezeichnet, wobei ihm die Amerikatournee als „Fluchtmöglichkeit“, weg von den Leipziger Intrigen erschien. Er erhoffte sich den Erfolg, der ihm in Deutschland versagt blieb. Der Nicht-Organist Karg-Elert konnte jedoch die hohen Erwartungen des amerikanischen Publikums nicht erfüllen, so dass sich diese Tournee zum Fiasko entwickelte, war das amerikanische Publikum doch die europäischen Standards eines Marcel Dupré, Louis Vierne oder Marco Enrico Bossi gewohnt.

Ernsthaft erkrankt nach Deutschland zurückgekehrt, verstarb Sigfrid Karg-Elert am 9. April 1933 in Leipzig.

[Bearbeiten] Orgelwerke

  • Passacaglia es-moll op. 25B (1905/07)
  • Phantasie und Fuge D-dur op.39B
  • 66 Choralimprovisationen op. 65
    • Heft 1: Advent, Weihnachten
1. Ach bleib mit deiner Gnade (Christus der ist mein Leben)
2. Aus meines Herzens Grunde
3. Alles ist an Gottes Segen
4. Es ist das Heil uns kommen her
5. Freu dich sehr, o meine Seele
6. Gelobet seist du, Jesu Christ
7. Lobt Gott, ihr Christen allzugleich
8. Macht hoch die Tür
9. Mit Ernst, o Menschenkinder (Von Gott will ich nicht lassen)
10. Vom Himmel hoch (Dies ist der Tag, den Gott gemacht)
11. Valet will ich dir geben (Wie soll ich dich empfangen)
    • Heft 2: Passionszeit
12. An Wasserflüssen Babylon (Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld)
13. Herr Jesu Christ, dich zu uns wend
14. Herr und Ältster deiner Kreuzgemeinde
15. Herzlich lieb hab ich dich, o Herr
16. Herzlich tut mich verlangen (O Haupt voll Blut und Wunden)
17. Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen
18. Ich will dich lieben, meine Stärke
19. Ich dank dir schon durch deinen Sohn
20. O Lamm Gottes, unschuldig
21. O Welt, ich muss dich lassen
22. Sollt ich meinem Gott nicht singen (Lasset uns mit Jesu ziehen)
    • Heft 3: Neujahr, Ostern und andere Festtage
23. Allein Gott in der Höhe sei Ehr (Gloria in excelsis Deo)
24. Dir, dir, Jehova, will ich singen
25. Erschienen ist der herrlich Tag
26. Jesu, hilf siegen, du Fürste des Lebens
27. Jesu, meine Zuversicht
28. Lobe den Herren, o meine Seele
29. Machs mit mir, Gott, nach deiner Güt
30. Nach einer Prüfung kurzer Tage
31. Nun lasst uns Gott dem Herren
32. Ringe recht, wenn Gottes Gnade
33. Wachet auf, ruft uns die Stimme
    • Heft 4: Himmelfahrt, Pfingsten
34. Ach Gott und Herr (Zeuch uns nach dir)
35. Gott des Himmels und der Erden (Komm, o komm du Geist des Lebens)
36. Herr, wie du willst (Auf Christi Himmelfahrt)
37. Ich danke dir, lieber Herre (O komm, du Geist der Wahrheit)
38. Jesu, meine Freude
39. Komm, heiliger Geist, Herre Gott
40. O, dass ich tausend Zungen hätte (Wer weiß, wie nahe mir mein Ende)
41. O Durchbrecher aller Bande
42. O Ewigkeit, du Donnerwort
43. O Gott, du frommer Gott (1. Version)
44. Wie schön leucht' uns der Morgenstern (O heiliger Geist, kehr bei uns ein)
    • Heft 5: Reformationsfest, Bußtage, Abendmahl
45. Aus tiefer Not schrei ich zu dir
46. Christe, du Lamm Gottes
47. Ein feste Burg ist unser Gott
48. Jerusalem, du hochgebaute Stadt
49. Meinen Jesum lass ich nicht
50. O Gott, du frommer Gott (2. Version)
51. Schmücke dich, o liebe Seele
52. Sollt es gleich bisweilen scheinen
53. Straf mich nicht in deinem Zorn (Tretet her zum Tisch des Herrn)
54. Werde munter, mein Gemüte (Herr, du hast für alle Sünder)
55. Wer weiß, wie nahe mir mein Ende
    • Heft 6: Konfirmation, Trauung/Hochzeit, Taufe, Erntefest
56. Jesu, geh voran (Seelenbräutigam, Jesu, Gottes Lamm)
57. Liebster Jesu, wir sind hier
58. Lobe den Herren, den mächtigen König
59. Nun danket alle Gott
60. O du Liebe meiner Liebe (Bei dir, Jesu, will ich bleiben)
61. Was Gott tut, das ist wohlgetan
62. Wer nur den lieben Gott lässt walten (dur)
63. Wer nur den lieben Gott lässt walten (moll)
64. Wie schön leuchtet der Morgenstern (Ich und mein Haus)
65. Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen
66. Wunderbarer König (Festlicher Choral für Orgel, Trompeten, Posaunen und Pauken)
  • Trois Impressions op. 72
1. Harmonies du soir
2. Clair de lune
3. La nuit
  • Choralpreludes op. 75
1. Funerale
2. In Dulci jubilo
3. Der Höllen Pforten
4. Gelobt sei Gott
  • Homage to Handel. 54 Studies in Variation Form op. 75 B
  • First Sonatina a-minor op. 74
  • 22 leichte Pedalstudien op. 83
  • Zehn charakteristische Tonstücke op. 86
1. Prologus tragicus
2. Canzona a-moll
3. Cantilena
4. Quasi Marcia
5. Pax vobiscum
6. Aria seriosa
7. Sempre semplice
8. Studio
9. Impression
10. Aphorismus
  • Drei sinfonische Choräleop. 87
Nr. 1 „Ach bleib mit deiner Gnade“
Nr. 2 „Jesu meine Freude“
Nr. 3 „Nun ruhen alle Wälder“
  • „Seven Pastels from the Lake of Constance op.96“
1. The Soul of the Lake
2. Landscape in Mist
3. The Legend of the Mountain
4. The red-grown Waters
5. The Sun’s Evensong
6. The mirrored Moon
7. Hymn to the Stars
  • Partita in E op. 100
  • Cathedral Windows op.106
1. Kyrie eleison
2. Ave maria
3. Resonet in laudibus
4. Adeste fideles
5. Saluto angelico
6. Lauda Sion
  • Sunset, Starlight, Elegiac Poem op. 108
  • 20 Prä- und Postludien (Choralstudien) op. 78
1. Allein Gott in der Höh
2. Alles ist an Gottes Segen
3. Aus meines Herzens Grund
4. Aus tiefer Not schrei ich zu dir
5. Christe, du Lamm Gottes
6. Christus der ist mein Leben
7. Dir, dir, Jehova, will ich singen
8. Es ist das Heil uns kommen her
9. Herr Jesu Christ, dich zu uns wend
10. Jesus, meine Zuversicht
11. Liebster Jesu, wir sind hier
12. Lobt Gott, ihr Christen allzugleich
13. Machs mit mir, Gott, nach deiner Güt
14. Nach einer Prüfung kurzer Tage
15. Nun sich der Tag geendet hat
16. O Gott, du frommer Gott
17. Sollt ich meinem Gott nicht singen
18. Wachet auf, ruft uns die Stimme
19. Was Gott tut, das ist wohlgetan
20. Vom Himmel hoch da komm ich her
  • Tryptich op. 141
1. Legend
2. Gregorian Rhapsody
3. Marche Pontificale
  • Sempre semplice op. 142 [II]
1. In Modo Dorico
2. Litanei
3. Trio Continuo
4. Tenebrae
5. Invocation
6. Idillio Buccolico
7. Ciacona Con Variazioni
8. Before the Image of a Saint
9. In Memoriam
10. Noel
11. Basso Ostinato (B.A.C.H.)
12. Postludio Festivo
  • Sinfonie fis-Moll op. 143
  • Kaleidoscope op. 144
  • Music for Organ op. 100
  • Passacaglia and Fugue on B-A-C-H op. 150
  • Partita retrospettiva III op. 151
  • Eight short pieces op. 154
  • Sequence a-moll o. op.

[Bearbeiten] Literatur (Auswahl)

  • Sigfrid Karg-Elert: Die Kunst des Registrierens: Ein Hand- und Nachschlagebuch für Spieler aller Harmoniumsysteme, Op. 91. Berlin ca. 1911.
  • Schenk, Paul: Sigfrid Karg-Elert, Eine monographische Skizze mit vollständigem Werkverzeichnis, Leipzig 1927.
  • Sigfrid Karg-Elert: Verzeichnis sämtlicher Werke, Zusammengestellt von Dr. Sonja Gerlach, Frankfurt/Main 1984.
  • Hartmann, Günter: Die Orgelwerke von Sigfrid Karg-Elert (1877-1933), 2 Bde., Univ. Diss., Bonn 1985.
  • Mitteilungen der Karg-Elert-Gesellschaft, Jahrgänge 1986-1998.
  • Schinköth, Thomas (Hrsg.): Sigfrid Karg-Elert und seine Leipziger Schüler, Die Referate des Kolloquiums der Karg-Elert-Gesellschaft in Leipzig vom 1. bis 3. November 1996, Hamburg 1999.
  • Michel, Johannes (Hrsg.): Karg-Elert-Bibliographie, München 2001
  • Bergmann, Hermann F.: Harmonie und Funktion in den Klavierwerken von Sigfrid Karg-Elert (1877-1933), Münster 1991

[Bearbeiten] Weblinks

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