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Sonderaktion Prag

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Sonderaktion Prag war der von deutschen NS-Besatzungsorganen der Tschechoslowakei gewählte Name einer Aktion, am 17. November 1939 tschechische Einrichtungen des Hochschulwesens zu besetzen, zu schließen und zu beschlagnahmen. Davon waren Hochschuleinrichtungen der Slowakei wegen der dortigen besonderen politischen Lage nicht betroffen.

Die politische Lage Anfang November 1939 war noch spannungsgeladen, weil es am 28. Oktober 1939, dem Gründungstag der Tschechoslowakei, zu Demonstrationen, Arbeitsniederlegungen und bei den Studenten in Prag zum Boykott der Vorlesungen gekommen war. Aus den Arbeitervierteln strömten Tausende von Arbeitern in Richtung Stadtzentrum. Am Abend des 28. Oktobers, als die Demonstrationen ihren Höhepunkt erreichten, kam es zu Auseinandersetzungen mit der deutschen Polizei, die unter dem Kommando von Karl Hermann Frank stand.

Während des Polizeieinsatzes erlitt der Medizinstudent der Karlsuniversität, Jan Opletal, eine Schussverletzung, an deren Folgen er am 11. November 1939 erlag. Am 15. November 1939 wurde er aufgebahrt und durch Prag gefahren. Hunderte Studenten folgten seinem Sarg und es schlossen sich immer mehr Einwohner an. Als sein Sarg zum Transport in seinen Heimatort gebracht wurde, stimmte die inzwischen auf Tausende von Menschen angewachsene Menge die tschechische Hymne an.

Das war das Zeichen, so dass die deutschen Besatzungskräfte mit aller Härte eingriffen. Adolf Hitler ließ sich persönlich am nächsten Tag persönlich über die Ereignisse in Prag berichten. Er geriet angesichts des gezeigten Widerstandswillen der Bevölkerung außer sich, und er gebrauchte Ausdrücke wie „in Blut ertränken“, „einsperren“, „alle Waffen anzuwenden“, „ich werde nicht davor zurückscheuen, in den Straßen auch Kanonen aufzustellen....und in jede Menschenmenge mit Maschinengewehren schießen zu lassen...Prag lasse ich dem Erdboden gleichmachen“[1]

Damit waren die Voraussetzungen für das Vorgehen der deutschen Besatzungskräfte aus der Sicht der NS-Herrscher gegeben. Kurz vor Mitternacht am 16. November 1939 gab es einen Überfall der Gestapo auf die Räume des Studentenverbandes, wo zu diesem Zeitpunkt eine Sitzung des Studentenkomitees stattfand. Neun Vertreter des Studentenverbandes wurden verhaftet und in die ehemalige Kaserne in Prag-Ruzyne abgeführt. Ohne jegliche Gerichtsverhandlung wurden sie noch in der Nacht erschossen.

Als Karl Hermann Frank nach dem Krieg zu dieser Erschießung verhört wurde, sagte er u.a. dazu aus:

„Ich wußte, daß neun Personen erschossen werden sollten, ich kümmerte mich nicht um diese Personen, so wie ich mich überhaupt nie um andere Details kümmerte, die die Ausführung des Befehls, die Ermittlung der Namen und das Schicksal der Opfer betrafen. Für mich war der Führerbefehl ein Befehl. Auf die Frage zu antworten, ob diese Exekution ein Mord war, muß ich zugeben, daß nach menschlichem Ermessen und menschlichem Gesetz dies als Mord bezeichnet werden muß.“[2]

In den frühen Morgenstunden des 17. Novembers wurde die Sonderaktion von SS-Sonderkommandos bei den Studentenheimen in Prag begonnen, die mit schweren LKWs zu ihren Einsatzorten gefahren wurden. Im Studentenheim Hlavkova kam es gegen vier Uhr zum Überfall eines SS-Kommandos. Türen wurden aufgebrochen und mit Gewehrschlägen wurden die Zimmertüren eingeschlagen. Mit Knüppeln wurden die Studenten aus ihren Unterkünften geprügelt, die teilweise barfuß und noch in Schlafanzügen notdürftig bekleidet waren. In den Innenräumen mussten sich diese dicht gegrängt an die Wände stellen.[1]

Ähnliche Szenen spielten sich bei anderen Prager Studentenheimen ab. Zeigten sich Studenten an den Fenstern, wurde sogar das Feuer aus Gewehren auf sie eröffnet. Nach der Erstürmug der Studentenheime wurden Hunderte von geschlagenen Studenten festgenommen und vor die Gebäude der Kasernen von Prag-Ruzyne verbracht. Von den insgesamt 15.000 betroffenen Studenten wurden 1.200 bis 1.300 in das KZ Sachsenhausen verschleppt ohne jede Gerichtsverhandlung. Die Befehlsgrundlage dieser Aktion wurde durch Hitler am 16. November 1939 getroffen: „Schließung der Hochschulen im Protektorat Böhmen und Mähren...“

Ziel der Aktion war, zuerst das Hochschul- und später auch das mittlere Schulwesen auszulöschen. Insgesamt wurden zehn Hochschulen, darunter die Karlsuniversität, die Tschechische Technische Hochschule, die Theologischen Fakultäten in Prag und Olmütz, die Akademie der bildenen Künste, die Universität Brünn u.a. geschlossen. Die Gebäude der Hochschuleinrichtungen wurden beschlagnahmt. Die Koutnicky-Sudentenheime in Brno wurden in ein Gefängnis mit Foltereinrichtungen umgewandelt.

Die Bibliotheken wurden geschlossen und viele Professoren erlitten das gleiche Schicksal wie ihre Studenten. Der Besitz der tschechischen Hochschulen wurde beschlagnahmt. Ein überwiegender Teil der wissenschaftlicher wertvoller Sammlungen wurde vernichtet. Die Ereignisse stießen in aller Welt auf entschiedene Ablehnung. Auf einer Solidaritätsversammlung in London erklärten Studenten aus 26 Ländern aus aller Welt den 17. November zum Internationalen Studententag.

Die Hauptverantwortlichen auf deutscher Seite für die Aktion waren der Reichsprotektor Konstantin Freiherr von Neurath und Karl Hermann Frank. Frank wurde in Prag zum Tode, von Neurath in Nürnberg zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Der verantwortliche Gestapo-Chef von Prag, Dr. Hans-Ulrich Geschke, tauchte nach dem Krieg unter und wurde für tot erklärt.

[Bearbeiten] Literatur

  1. a b Verfolgung tschechischer Studenten während der Okkupation, Prag 1945 (tschech.)
  2. Protokoll zum Verhör Karl Hermann Frank, 5. Oktober 1945 in der Strafanstalt des Bezirksgerichts in Prag-Pankrac (tschech.)
  • Slavomir Horsky: Verbrechen, die nicht verjähren, Prag 1984 (deutsch)
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