Spagyrik
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Spagyrik oder Spagirik (Griechisch spao = "trennen" und ageiro = "vereinigen, zusammenführen") ist ein Begriff aus der Alchemie oder besser gesagt der Alchymie. Er bezeichnet eine besondere Therapierichtung, die alchymistische Erkenntnisse in der Heilkunde umsetzt; Spagyrik ist also der therapeutische Teil der Alchymie (Alchemie). Die Alchymie, im Sinn einer "Wissenschaft vom Leben in der Materie", hat eine eigene Sicht des Menschen. Der Mensch umfasst nach dieser Sicht nicht nur die Physis, sondern auch ein Vital, eine Seele und einen Geist. Die Alchymie ist Philosophie im alten Sinn, der Alchymist wird auch als der Philosoph bezeichnet. Der Begriff Philosoph wird dabei aber anders als im heutigen Sprachgebrauch verwendet. In die heutige Sprache übertragen wäre der alchymistische Philosoph der Naturphilosoph. Im Gegensatz dazu ist die "Alchemie" eher der Vorläufer der modernen Chemie; der Begriff Alchemie ist erst sehr spät entstanden.
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[Bearbeiten] Geschichte der Spagyrik
Die Alchymie ist in vorgeschichtlichen Zeiten entstanden. Die ältesten Hinweise auf eine Existenz der Alchymie findet man in China, Indien und Ägypten. Der bekannteste und zugleich letzte bekannte europäische Alchymist und Spagyriker war Paracelsus. Die paracelsischen Schriften führten im 17. Jahrhundert zum Bekanntwerden der Alchymie in damaligen schulmedizinischen Kreisen. Damit entstand aber auch eine Degeneration der Alchymie. Der nichtmedizinische Teil der Alchymie wurde von da an fast ausschließlich mit der künstlichen Herstellung von Gold assoziiert. Der medizinische Teil wurde von Geschäftemachern, Scharlatanen und Jahrmarktsheilern in Verruf gebracht. Johann Rudolph Glauber (1604-1670) verfasste 1654 eine Pharmacopoea spagyrica, die eine Anleitung zur Herstellung von Heilmittel enthielt. Die Pharmacopoea spagyrica enthielt neben wenigen spagyrischen Anleitungen auch solche zur Herstellung von chemisch definierten Arzneimitteln. Mit Glauber verschwandt auch die ältere naturphilosophische Erkenntnis der Alchymie. Die Folge war die Konzentration auf Wirksubstanzen, das Entstehen der Alchemie als Vorläufer der Chemie und die darauf folgende Entstehung der modernen Pharmazie.
Im 19. Jahrhundert entwickelte der Italiener Cesare Mattei (1809 - 1896) ein Verfahren der Heilmittelgewinnung, das spagyrische Grundzüge trug und von ihm als "Elektrohomöopathie" bezeichnet wurde. Er gewann rasch Anhänger für seine Methode, nicht nur in Italien sondern auch in Deutschland. Der deutsche Arzt Carl-Friedrich Zimpel (1801 - 1879) entwarf durch Mattei inspiriert 1870 ein eigenes spagyrisches Heilsystem, dessen Arzneimittel er später von einer Göppinger Apotheke herstellen ließ. Das Verfahren, das aber im gegenwärtigen amtlichen Homöopathische Arzneibuch (HAB) nach Zimpel benannt ist, wurde von ihm nie angewandt. Im Gegensatz zum HAB-Verfahren "spag. Zimpel", das zu einer sogenannten Essenz führt, war das originale Zimpel-Verfahren eine Methode zur Herstellung von Tinkturen. Das HAB-"Zimpel-Verfahren" fußt auf spagyrischen Vorgaben der Pharmacopoea spagyrica von Glauber.
Im 20. Jahrhundert wurde nach dem Tode Matteis Theodor Krauß (1864 - 1924) zur führenden Persönlichkeit unter den Anhängern der "Elektrohomöopathie". Alexander von Bernus (1880 - 1965), Schriftsteller und Alchymist, gründete ein Labor, in dem er zusammen mit Conrad Johann Glückselig eigene Spagyrika nach der Methode von Bernus, die anthroposophisches Gedankengut Rudolf Steiners mit einbezog, herstellen ließ. Weitere Labore zur Herstellung von spagyrischen Arzneimitteln entstanden im 20. Jahrhundert, die aufzuzählen den Rahmen sprengen würde. Die Verfahren nach Zimpel, Krauß und Glückselig fanden Eingang im amtlichen Homöopathischen Arzneibuch (HAB).
[Bearbeiten] Philosophie, Menschenbild und Arzneimittel
Eine besondere Bedeutung hat die klassisch-alchymistisch Philosophie für die Arzneimittelherstellung. Durch bestimmte Verfahren wie Mazeration, Digestion, Calcination, Reverberation, Zirkulation (Rotation), Extraktion, Destillation bzw. Sublimation oder Konjugation soll die Heilkraft der Ausgangssubstanz erhöht werden. Als Ergebnis entsteht ein Extrakt, eine Essenz oder eine Tinktur mit hoher Heilkraft auf passender stofflicher Basis. Der Grundgedanke war dabei, die drei philosophischen Prinzipien der Alchymie in der Herstellung von Arzneimitteln umzusetzen. Die Prinzipien werden symbolisch Sal, Merkur und Sulfur genannt.
Beim Menschen entsprechen die drei philosophischen Prinzipien folgenden Bereichen:
- „Sal“ = Physis
- „Merkur“ = Vital, Lebenskraft
- „Sulfur“ = Astral, Bauplan
Das spagyrische Arzneimittel muss dem Menschen entsprechen. Es enthält daher drei Bereiche, die die 3 philosophischen Prinzipien darstellen:
- „Sal“ = stoffliche Basis eines Spagyrikums
- „Merkur“ = "anonyme" Heilkraft eines Spagyrikums
- „Sulfur“ = indikationsspezifische Ausrichtung (der Heilkraft) eines Spagyrikums
Spagyrische Arzneimittel gibt es als Mono- oder Kombinationspräparate (sogenannte "spagyrische Kombinationsmittel"). Beim Monopräparat ist die Grundlage eine Pflanze, ein Mineral oder ein Metall. Bei den Kombinationspräparaten werden mehrere Ausgangssubstanzen kombiniert – besonders wichtig sind die Pflanzen-Metall-Kombinationen ("Konjugationen"). Die Darreichungsformen sind Tropfen, Tabletten, Kapseln, Linimente, Salben, Sprays und Injektabilia.
[Bearbeiten] Charakter und Wirkung der spagyrischen Arzneimittel
Lässt man den philosophischen Hintergrund beiseite, ist die Spagyrik eine Erweiterung der Phytotherapie durch mineralische, metallische und seltener tierische Grundstoffe.
Die Wirkung spagyrischer Zubereitungen basiert auf der Trias der philosophischen Prinzipien: der spezifischen stofflichen Basis, der Heilkraft und der indikationsspezifischen Ausrichtung (der Heilkraft). Die Wirksamkeit der spagyrischen Arzneimittel ist aus schulmedizinischer Sicht nicht wissenschaftlich nachgewiesen, da es noch keinerlei klinische Studien mit echten spagyrischen Präparaten gab. Ein Wirksamkeitsnachweis ist aber plausibel, da es Wirksamkeitsnachweise auch für phytotherapeutische, metallische und animalische Zubereitungen gibt. Es gibt auch eine Vielzahl von praktischen Therapeuten, die mit Spagyrika sehr gute Erfahrungen gemacht haben und ihnen eine gute Wirksamkeit nachsagen. Wie homöopathische Arzneimittel werden Spagyrika nicht zugelassen (mit Indikation) sondern nur registriert (ohne Indikation), wenn kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt. Mit einem Wirksamkeitsnachweis ist allerdings eine Zulassung möglich.
Beispiele spagyrischer Arzneimittel
- Kombination von Silybum marianum (Mariendistel) und Zink zur Behandlung von Leberleiden
- Kombination von Crataegus (Weißdorn) und Magnesium zur Behandlung von bestimmten Formen von koronarer Herzkrankheit
Mischungen spagyrischer Urtinkturen können auch individuell zusammengestellt werden, indem man funktiotrope (dh. auf körperliche Funktionen wie Entzündung, Krampf etc. gerichtete), organotrope (d.h. auf Organe wie Leber, Niere, Herz etc. gerichtete) und personotrope (d.h. auf das Temperament des Patienten wie Choleriker, Phlegmatiker etc. ausgerichtete) Komponenten individuell kombiniert (konjugiert).
[Bearbeiten] Verhältnis zur Homöopathie
Die Spagyrik wird wie die Phytotherapie zur Naturheilkunde gezählt und die Homöopathie zur Alternativmedizin. Obwohl einige spagyrische Verfahren in standardisierter Form in das amtliche Homöopathische Arzneibuch (HAB) übernommen wurden, bestehen keine Gemeinsamkeiten, die beiden Lehren befinden sich sogar in direktem Widerspruch. Während die Homöopathie versucht, den Körper mittels Informationen (dynamis, die Potenz oder Möglichkeit), die in eine neutrale Vehikelsubstanz imprägniert sind, nach dem Ähnlichkeitsprinzip zu einer heilenden Selbstregulation anzuregen, setzt die Spagyrik auf stoffliche und als Besonderheit auf energetische Mechanismen (energeia / Energie, die lebendigen Wirksamkeit). Dabei sind die Wirkstoffe gar nicht oder zum Zweck der Dosierung nur wenig verdünnt. Die Spagyrik versucht im Gegensatz zur Homöopathie immer ein spezifisches energetisches Defizit aufzufüllen.
[Bearbeiten] Verhältnis zur Schulmedizin
In der universitären Medizin ist die Spagyrik nicht bekannt. Aus medizinischer Sicht fehlt der Spagyrik daher die naturwissenschaftliche Basis.
[Bearbeiten] Literatur
Klassische Alchymie und Spagyrik:
- Alchymie und Heilkunst Bernus, Alexander von. - [Dornach] : Geering, 1994, 5. Aufl., neu durchges. und erw.
Spagyrik nach Zimpel:
- Hans-Josef Fritschi: Spagyrik: Lehr und Arbeitsbuch, G.Fischer, 1997, ISBN 3-437-55230-9
[Bearbeiten] Weblinks
- alChy - Alchymie und Spagyrik Alchymie, Spagyrik und verwandte Themen
- Ulrich Arndt: Das "Große Werk" des spagyrischen Heilens erschienen in: esotera 10/1997, S. 50-56
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