Sprachsoziologie
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Sprachsoziologie ist eine Teildisziplin der Soziologie, die das Verhältnis von Sprache zu Gesellschaft beschreibt. Hierbei werden die Funktionen verschiedener sprachlicher Soziolekte (bestimmte Varietät einer Sprache) in verschiedenen Kontexten beschrieben. So werden Varietäten von Sprachen (Soziolekt, Dialekt, Sprache) in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten beschrieben und man untersucht welchen Einfluss die Sprache auf die Gesellschaft nimmt und umgekehrt. Die Sprachsoziologie ist fundamental für die Sprachwissenschaft, da Sprache ohne Gesellschaft bedeutungslos ist. Ebenso bedeutsam ist die Sprachsoziologie für die Soziologie, da Sprache Gesellschaften in der Regel definiert. Die angewandte Sprachsoziologie beschäftigt sich mit der Sprachpolitik und der Sprachplanung.
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[Bearbeiten] Nationenprofile
Ein Nationenprofil bezeichnet im Rahmen der Sprachsoziologie, die Beschreibung der verschiedenen Soziolekte in einem Land. Sprachen lassen sich allgemein nach ihrer Funktion im Kommunikationsprozess beschreiben. Hierbei werden die Sprachen nach Ausbau, Status und Funktion in den verschiedenen Gesellschaften beschrieben.
[Bearbeiten] Ausbau
Charles Ferguson (1968) unterteilte Sprachen in ihrem Ausbau (language development) in 4 (sukzessive) Stufen:
- No Graphization - Eine Sprache die nicht geschrieben wird.
- Graphization - Eine Sprache mit einer Orthographie, welche regelmäßig gebraucht wird.
- Standardization - Eine Sprache mit einer von (nahezu) allen Sprechern akzeptierten Orthographie. Hierbei wird eine bestimmte Varietät einer Sprache zur Norm.
- Modernization - Eine Sprache mit einer von (nahezu) allen Sprechern akzeptierten Orthographie, deren Übersetzbarkeit gewährleistet ist. Hierbei geht es vor allem um den Ausbau des Lexikons einer Sprache, um moderne Konzepte ausdrücken zu können.
[Bearbeiten] Status
Weiterhin unterteilte Charles Ferguson (1966) die Sprachen einer Nation in 3 Kategorien:
- Major language (Abgekürzt Lmaj) - Eine Sprache, die von mindestens 25% der Bevölkerung einer Nation gesprochen wird ODER von mindestens 1 Millionen Sprecher gesprochen wird ODER als Unterrichtssprache in den Städten benutzt wird.
- Minor language (Abgekürzt Lmin) - Eine Sprache, die von mindestens 100.000 Sprechern gesprochen wird ODER von mindestens 5% der Bevölkerung einer Nation gesprochen wird.
- Language of special status (Abgekürzt Lspec) - Eine Sprache, die keine der oben genannten Qualifikationen erfüllt und die nur in einem ganz bestimmten Kontext verwendet wird (beispielsweise Kirchensprachen).
William Alexander Stewart ergänzte noch folgende 5 Kategorien, nach denen er Sprachen (hauptsächlich sprachhistorisch) kategorisierte:
- vernacular language (Abgekürzt V) - Ein Antonym zu offizieller Sprache, Verkehrssprache oder Standardsprache.
- standard language (Abgekürzt S) - Eine Standardsprache ist eine (hauptsächlich schriftsprachlich) genormte Sprache, die weitläufig akzeptiert ist.
- classical language (Abgekürzt C) - Eine klassische Sprache ist eine alte Sprache, mit einem großen Korpus an eigener Literatur, wie beispielsweise Latein, Altgriechisch oder Arabisch.
- pidgin language (Abgekürzt P) - Eine Verkehrssprache mit stark vereinfachter Sprachstruktur.
- creole language (Abgekürzt K) - Eine Pidginsprache, die zur Muttersprache von Sprechern geworden ist.
[Bearbeiten] Funktion
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[Bearbeiten] Wissenschaftsgeschichte
Die Sprachsoziologie wurde erstmalig im 3. Reich in Deutschland zur Abgrenzung von anderen betreiben. Wichtige Vertreter waren Georg Schmidt-Rohr, Heinz Kloss, und Uriel Weinreich. Um 1960 begann die Sprachsoziologie dann aufzublühen, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Später bemühten sich Susan M. Ervin-Tripp und William Labov die Sprachsoziologie als eigene Wissenschaft zu etablieren, die Kommunikationswissenschaften, welche die Sprachwissenschaft und die Soziologie vereinen sollte.
[Bearbeiten] Literaturangaben
- Pierre Bourdieu: Was heisst sprechen? Zur Ökonomie des sprachlichen Tausches. 2. Auflage, Braumüller, 2005, ISBN 370031518X
- Charles Ferguson, 1966: National sociolinguistic profile formulas. In W. Bright: Sociolinguistics. 309–324.
- Charles Ferguson, 1968: Language development. In Fishman, Joshua A. & Charles A. Ferguson & Jyotirindra Das Gupta (eds.): Language Problems of Developing Nations,pp. 27–36. John Wiley & Sons: New York, London et al.
- William A. Stewart, 1968: A Sociolinguistic Typology for Describing National Multilingualism. In Fishman, Joshua A.(ed.): Readings in the Sociology of Language. Mouton & Co.: The Hague.
[Bearbeiten] Weiterführende Literatur
- Walter Benjamin: Probleme der Sprachsoziologie, in Zeitschrift für Sozialforschung (1935)
- Lutz Winckler: Kulturwarenproduktion. Aufsätze zur Literatur- und Sprachsoziologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-00628-2
- Theorie der Lebenswelt 2
- Alfred Schütz: Sprachsoziologie (Vorlesung, Mitschriften 1950, 1952/53) in: ders. Theorie der Lebenswelt 2 - Die kommunikative Ordnung der Lebenswelt, 2003, herausgegeben von Hubert Knoblauch, Ronald Kurt und Hans-Georg Soeffner ISBN 3-89669-744-7
[Bearbeiten] Siehe auch
Benachbarte Fachbereiche
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