Themenzentrierte Interaktion
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Die Themenzentrierte Interaktion (TZI) ist ein professionelles Konzept, das von der Psychoanalytikerin und Pädagogin Ruth Cohn, vom Therapeuten Norman Liberman und von weiteren Vertreterinnen der Humanistischen Psychologie seit Mitte der 1950er Jahre in den USA entwickelt wurde. Die TZI beruht auf dem theoretischen Hintergrund der Psychoanalyse, der Gruppentherapien, sowie der Humanistischen Psychologie, und berücksichtigt Erfahrungen aus der Gestalttherapie. Inhalt der TZI ist, vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialsiumus Ruth Cohns, ein Konzept zu entwickeln, das »dem ursprünglich gesunden Menschen ein Leben ermöglicht, in dem er gesund bleiben kann«. Anders ausgedrückt: Was muss man tun, damit Menschen nicht erst in psychotherapeutische Einzelbehandlung wieder zu relativ gesunden Menschen werden oder nur in Extremsituationen auf der Couch der PsychoanalytikerInnen landen? (Vgl. Barbara Langmaack, Einführung in die Themenzentrierte Interaktion TZI. Leben rund ums Dreieck, Weinheim/Basel 2001, 17.) Das ursprünglich in therapeutischem Zusammenhang entwickelte Konzept wird heute auch in anderen Bereichen, u. a. der Pädagogik rezipiert.
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[Bearbeiten] Bezüge der TZI
Die TZI ist eng mit der Geschichte der Psychotherapie des 20. Jahrhunderts verbunden. Ausgehend von Siegmund Freud nimmt sie Theorien von Carl Gustav Jung und Alfred Adler auf. Darüber hinaus beeinflussten Ansätze des Behaviorismus und die humanistische Psychologie die Entwicklung der der TZI. Hierbei spielten insbesondere Fritz Perls (Gestalttherapie), Carl Rogers, Eric Berne (Transaktionsanalyse), Virginia Satir und Abraham Maslow eine zentrale Rolle.
[Bearbeiten] Das Menschenbild der TZI
Den Idealbild der TZI entsprechend ist der Mensch eine Person, die
- ihre Vergangenheit kennt;
- ihre Zukunft entwickelt;
- in der Gegenwart handelt;
- sich von der Gleicheit untereinander tragen lässt und die Andersartigkeit anderer akzeptiert;
- die Chancen, voneinander zu lernen nutzt und
- nicht stehen bleibt, wenn es Entwicklungsmöglichkeiten gibt.
(Vgl. hierzu Barbara Langmaack, Einführung in die Themenzentrierte Interaktion TZI. Leben rund ums Dreieck, Weinheim/Basel 2001, 38.)
Grundsätzlich geht die TZI davon aus, dass der Mensch sowohl autonom ist als auch in Beziehungen (Interdependenzen) lebt und handelt.
[Bearbeiten] System der TZI
Das Strukturmodell beschreibt vier Faktoren, welche die Interaktion einer Gruppe konstituieren:
- 1. das ICH. Damit sind die einzelnen Personen mit ihren Anliegen und Befindlichkeiten gemeint;
- 2. das WIR. Hierbei geht es um das Miteinander der Personen, also um Interaktionen;
- 3. das ES umfasst die Aufgabe, das Ziel der Gruppe. Früher wurde das "ES" als "Thema" verstanden. In der aktuellen TZI-Literatur (Reiser/Lotz 1995) wird differenziert: Das Thema, an welchem eine Gruppe arbeitet, ist von allen vier Faktoren beeinflusst und nicht bloß vom "ES". Darin besteht das Spezifische der TZI.);
- 4. der Globe. Er meint das organisatorische, physikalische, strukturelle, soziale, politische, ökologische, kulturelle engere und weitere Umfeld der Gruppe.
[Bearbeiten] Axiome der TZI
Die TZI entwickelt sich auf der Basis dreier Problemstellungen, der sogenannten "Axiome":
- "Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit. Er ist auch Teil des Universums. Er ist darum autonom und interdependent. Autonomie (Eigenständigkeit) wächst mit dem Bewusstsein der Interdependenz (Allverbundenheit)." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 120)
- "Ehrfurcht gebührt allem Lebendigem und seinem Wachstum. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll, Inhumanes ist wertbedrohend." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 120)
- "Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äusserer Grenzen. Erweiterung dieser Grenzen ist möglich." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 120)
[Bearbeiten] Postulate der TZI
Die Axiome führen zu den zwei Postulaten:
- Sei deine eigene Chairperson, die Chairperson deiner selbst!
Darin steckt die Aufforderung sich selbst, andere und die Umwelt in den Möglichkeiten und Grenzen wahrzunehmen und jede Situation als ein Angebot für die eigene Entscheidung anzunehmen.
- Störungen haben Vorrang! (im Sinne von "nehmen sich Vorrang")
Cohn dazu: "Das Postulat, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle den Vorrang haben, bedeutet, dass wir die Wirklichkeit des Menschen anerkennen; und diese enthält die Tatsache, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen Träger unserer Gedanken und Handlungen sind." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 122) Die Postulate sind nicht als Regeln zu verstehen, sondern als Beschreibungen. Will heißen: Störungen nehmen sich de facto Vorrang - ob wir ihn ihnen einräumen oder nicht. (Liegt eine Tanne quer zur Straße, wird der Radfahrer ihr Vorrang lassen müssen, will er sich nicht verletzen. Ähnlich beim Chairperson-Postulat: Der Mensch hat de facto Verantwortung für die Teilmacht, die ihm gegeben ist. Er ist de facto für sein Tun und Lassen verantwortlich. Wenn die beiden Postulate nun als Imperativ formuliert sind, ist darin eine Aufforderung zu sehen, sich auch so zu verhalten.
[Bearbeiten] Hilfsregeln der TZI
Die Hilfsregeln können die Interaktion in einer Gruppe günstig beeinflussen. Sie sind nicht als allgemeingültige Weisungen zu betrachten.
- Vertritt dich selbst in Deinen Aussagen; Sprich per "Ich" und nicht per "Wir" oder per "Man". Diese Formen lassen auf ein "Verstecken" hinter der Gruppe oder einer öffentlichen Meinung schließen. Hinzu kommt, dass es durch eine derartige Kommunikation leicht fällt, Hypothesen entgegen ihrer Natur als Tatsache darzustellen.
- Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das Interview.
"Echte Fragen verlangen Informationen, die nötig sind, um etwas zu verstehen oder Prozesse weiterzuführen. "Authentische Informationsfragen werden durch die Gründe für die Informationswünsche persönlicher und klarer." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 124) - Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen. Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst, und wähle, was du sagst und tust.
- Halte dich mit Interpretationen von anderen zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus.
- Sei zurückhaltend mit Verallgemeinerungen!
Verallgemeinerungen unterbrechen den Gruppenprozess. Sie dienen dem Gesprächsverlauf nur, wenn sie einen Themenbereich zusammenfassend abschließen und zu einem neuen Thema überleiten. - Wenn du etwas über das Benehmen oder die Charakteristik eines anderen Teilnehmers aussagst, sage auch, was es dir bedeutet, dass er so ist, wie er ist (d. h. wie du ihn siehst.)
- Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären.
Auch wenn Seitengespräche vordergründig stören, sind sie aber meist wichtig für die tieferen Ebenen der Kommunikation. Sie können neue Anregungen bringen, Unklarheiten herausstellen, Missverständnisse verdeutlichen oder auf eine gestörte Interaktion (Beziehung) hinweisen. - Nur einer zur gleichen Zeit bitte.
Niemand kann mehr als einer Äußerung zur gleichen Zeit zuhören. Und einander Zuhören signalisiert das konzentrierte Interesse füreinander, das Gruppen zusammenhalten lässt. - Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, verständigt euch in Stichworten, worüber ihr zu sprechen beabsichtigt.
So werden alle Anliegen kurz beleuchtet, bevor die Gruppenaktion weitergeht. - Beachte die Körpersignale!
Beobachte eigene und fremde Körpersignale.
[Bearbeiten] Anwendung
Die Themenzentrierte Interaktion findet in ganz unterschiedlichen Bereichen Anwendung: Im Management, in der Hochschule, in der psychologischen Beratung und Therapie, in der Supervision, in der Erziehung, Sozial- und Sonderpädagogik, in der Erwachsenenbildung, in der Seelsorge usw.
[Bearbeiten] TZI lernen
TZI wird im Ruth-Cohn-Institut gelehrt. Die Ausbildung besteht aus einer Grundausbildung und einer Diplomausbildung. Die Grundausbildung umfasst Persönlichkeitsbildung und Methodik, dauert 6 1/2 Wochen und schließt mit einem Zertifikat ab. Die Diplomausbildung dauert etwa zehn Wochen und enthält Elemente wie Supervision, Arbeit in Peergruppen und weiterführende Workshops zur Persönlichkeitsentwicklung und Methodik. Die Grundausbildung und Aufbauausbildung erstrecken sich in der Regel über mehrere Jahre. Die Lehrberechtigung in TZI ist die dritte Ausbildungsstufe. Ihr Abschluss wird mit der Graduierung erreicht. Universitäten und andere Bildungseinrichtungen sind bisweilen berechtigt, TZI-Ausbildungen anzubieten, etwa die FernUniversität in Hagen.
Der Verein für Weiterbildung in Supervision auf der Grundlage der Themenzentrierten Interaktion e. V. bietet aufbauend auf dem TZI-Zertifikat eine Supervisions-Regelausbildung an. Diese ist von der Deutschen Gesellschaft für Supervision anerkannt.
[Bearbeiten] Besonders geeignete Literatur
- TZI Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn; Stuttgart 1993; Klett-Cotta; ISBN 3-608-95992-0
- Themenzentrierte Interaktion. Einführende Texte rund ums Dreieck. Langmaack, Barbara ; 4. Auflage 2000; Beltz Taschenbücher; Bd. 60; ISBN 3-621-27233-X
- Themenzentrierte Interaktion als Pädagogik. Helmut Reiser, Walter Lotz: Mainz, 1995: Matthias-Grünewald-Verlag; ISBN 3-7867-1891-1
- TZI - Die Kunst, sich selbst und eine Gruppe zu leiten. Einführung in die Themenzentrierte Interaktion. Löhmer/Standhardt. Klett-Cotta 2006; ISBN 3 - 608 - 94426 - 5
[Bearbeiten] Quelle
- Cohn Ruth C., "Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion", Stuttgart 1975, Klett-Cotta
- Arbeitsblätter zur TZI
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Ruth Cohn Institut für Themenzentrierte Interaktion international
- Ruth Cohn Institut für Themenzentrierte Interaktion Schweiz
- Weiterbildendes Studium Themenzentrierte Interaktion
- TZI in Unternehmen e.V.
- Verein für Weiterbildung in Supervision auf der Grundlage der Themenzentrierten Interaktion e. V.