Verfassungsgerichtshof (Österreich)
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Der österreichische Verfassungsgerichtshof (Abkürzung VfGH, in Deutschland bisweilen auch VerfGH) ist ein Gerichtshof des öffentlichen Rechts mit Sitz in Wien. Er ist als einzige in Österreich zur Ausübung der Verfassungsgerichtsbarkeit berufene Institution eine der wichtigsten Einrichtungen im Rechtsschutzsystem der österreichischen Bundesverfassung.
Die Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes werden im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) abschließend geregelt, die Organisation und das Verfahren dagegen nur in ihren Grundzügen. Nähere Regelungen enthalten das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) und eine vom Verfassungsgerichtshof auf seiner Grundlage erlassene Geschäftsordnung.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Organisation
Der Verfassungsgerichtshof besteht aus:
- einem Präsidenten (derzeit Karl Korinek, seit 2003)
- einem Vizepräsidenten (derzeit Brigitte Bierlein, seit 2003)
- zwölf weiteren Mitgliedern, und zwar derzeit:
- Karl Spielbüchler (seit 1976)
- Kurt Heller (seit 1979)
- Peter Oberndorfer (seit 1987)
- Lisbeth Lass (seit 1994)
- Gerhart Holzinger (seit 1995)
- Willibald Liehr (seit 1996)
- Eleonore Berchtold-Ostermann (seit 1997)
- Rudolf Müller (seit 1998)
- Claudia Kahr (seit 1999)
- Hans Georg Ruppe (seit 1999)
- Herbert Haller (seit 2003)
- Christoph Grabenwarter (seit 2005)
- sechs Ersatzmitgliedern, derzeit:
- Erwin Felzmann (seit 1985)
- Gabriele Kucsko-Stadlmayer (seit 1995)
- Lilian Hofmeister (seit 1998)
- Wolfgang Pesendorfer (seit 1999)
- Heinz Schäffer (seit 1999)
- Robert Schick (seit 1999)
Mitglied oder Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes kann nur werden, wer das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und mindestens zehn Jahre einen einschlägigen Beruf (z. B. Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Universitätsprofessor) ausgeübt hat. Die Ernennung erfolgt durch den Bundespräsidenten, wobei dieser an die Vorschläge bestimmter anderer Staatsorgane gebunden ist:
- Der Präsident, der Vizepräsident, sechs weitere Mitglieder und drei Ersatzmitglieder werden von der Bundesregierung vorgeschlagen.
- Drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder werden vom Nationalrat vorgeschlagen.
- Drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied werden vom Bundesrat vorgeschlagen.
Bestimmte (politische) Staatsfunktionen schließen eine Mitgliedschaft oder Ersatzmitgliedschaft im Verfassungsgerichtshof aus (Inkompatibilität; siehe näher Artikel 147 B-VG).
Anders als die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofes keine Berufsrichter, sondern üben ihre Funktion als "Nebenamt" aus, sind dabei aber an keine Weisungen gebunden. Die Mitglieder erhalten für die Ausübung ihrer Funktion monatliche Bezüge. Die Amtszeit der Mitglieder und Ersatzmitglieder endet mit Ablauf des Jahres, in dem sie ihr 70. Lebensjahr vollendet haben.
Im Gegensatz zum deutschen Bundesverfassungsgericht entscheidet der Verfassungsgerichtshof immer im Plenum aller 14 Mitglieder (wobei in der Praxis allerdings nur selten alle Mitglieder anwesend sind). Für die Beschlussfähigkeit ist die Anwesenheit des Vorsitzenden (also des Präsidenten oder Vizepräsidenten) und mindestens acht stimmführender Mitglieder erforderlich, in bestimmten Fällen (sogenannter „Kleiner Senat“) genügt auch die Anwesenheit von vier stimmführenden Mitgliedern. Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefasst, wobei der Vorsitzende grundsätzlich nicht mitstimmt; dieser gibt seine Stimme nur bei Stimmengleichheit ab und gibt dadurch den Ausschlag (sogenanntes Dirimierungsrecht).
Die Angelegenheiten der Justizverwaltung des Verfassungsgerichtshofes werden vom Präsidenten besorgt.
[Bearbeiten] Kompetenzen
Dem Verfassungsgerichtshof kommen im Einzelnen folgende Kompetenzen zu:
[Bearbeiten] Normenkontrolle
Die Normenkontrolle oder Verfassungsgerichtsbarkeit im engeren Sinne umfasst die:
- Gesetzesprüfung (Artikel 140 B-VG)
- Verordnungsprüfung (Artikel 139 B-VG)
- Staatsvertragsprüfung (Artikel 140a B-VG)
- Gliedstaatsvertragsprüfung (Artikel 138a B-VG)
- Wiederverlautbarungsprüfung (Artikel 139a B-VG)
[Bearbeiten] Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit
In Ausübung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit (Artikel 144 B-VG) erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem
- verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder
- wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung,
- einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrag),
- eines verfassungswidrigen Gesetzes,
- eines rechtswidrigen Staatsvertrages
in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
[Bearbeiten] Kompetenzgerichtsbarkeit und Kompetenzfeststellungen
- Kompetenzgerichtsbarkeit (Artikel 138 Abs 1 B-VG)
- Entscheidung, ob ein Akt der Gesetzgebung oder Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt (Art 138 Abs 2 B-VG)
- Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes oder einer dem Rechnungshof gleichartigen Einrichtung eines Landes regeln (Artikel 126a und 127c B-VG)
- Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft oder eines Landesvolksanwalts regeln (Artikel 148f und 148i B-VG)
[Bearbeiten] Sonstige Kompetenzen
- Kausalgerichtsbarkeit (Artikel 137 B-VG)
- Wahlgerichtsbarkeit (Artikel 141 B-VG)
- Staatsgerichtsbarkeit (Artikel 142 und 143 B-VG)
- Völkerrechtsgerichtsbarkeit (diese in Artikel 145 B-VG projektierte Kompetenz kann mangels entsprechendem Ausführungsgesetz nicht ausgeübt werden)
[Bearbeiten] Verfahren
Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist im Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) und in der Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofes näher geregelt. Subsidiär (ersatzweise) kommt die Zivilprozeßordnung (ZPO) zur Anwendung.
[Bearbeiten] Weblinks
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