Wahl der konstituierenden Nationalversammlung
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Die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919 war die erste freie und gleiche Wahl in der Geschichte Österreichs.
Christlichsoziale und Sozialdemokraten konnten gemeinsam mehr als 75 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Stimmen- und mandatsstärkste Partei wurde die SDAPÖ unter Staatskanzler Karl Renner. Zweitstärkste Partei wurde die Christlichsoziale Partei. Insgesamt schafften 19 verschiedene Listen den Einzug ins Parlament. Die Mandatszahl betrug, nach Lagern zusammengefasst:
- Sozialdemokraten 72
- Christlichsoziale 69
- Deutschnationale Parteien 26
- Demokratische Parteien 2
- Jüdisch-Nationale 1
- Tschechische Sozialdemokraten 1
Wahlberechtigt waren 3.544.242 Menschen. Die Wahlbeteiligung betrug 84,4 Prozent.
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[Bearbeiten] Hintergrund
Nachdem sich am 21. Oktober 1918 die deutschsprachigen Abgeordneten des Reichsrates im niederösterreichischen Landhaus in der Wiener Herrengasse zu einer ersten provisorischen Nationalversammlung getroffen hatten, verzichtete der Habsburger Kaiser Karl I. am 11. November 1918 auf seinen Anteil an den Staatsgeschäften. Erster Staatskanzler wurde der Sozialdemokrat Karl Renner.
Bei der Wahl der konstituierenden Nationalversammlung konnten Frauen in Deutschösterreich (wie das Land von 1918 bis 1919 hieß) nach langen politischen Kämpfen erstmals ihr allgemeines und gleiches Wahlrecht wahrnehmen.
Insgesamt standen mehr als 20 Listen zur Wahl. Viele kandidierten jedoch lediglich auf regionaler Ebene und nicht im gesamten Bundesgebiet.
Obwohl eine Wahl im gesamten Anspruchsgebiet vorgesehen war wurde nur in den Gebieten, die tatsächlich von Deutschösterreich kontrolliert waren (etwa heutiges Bundesgebiet minus Burgenland) gewählt.
[Bearbeiten] Endergebnis
Partei | Stimmen | Prozent | Sitze |
---|---|---|---|
Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ) | 1 211 814 | 40,8 | 72 |
Christlichsoziale Parteien 1 | 1 068 382 | 35,9 | 69 |
Deutschnationale Partei | 173 881 | 5,8 | 8 |
Vereinigte tschechoslowakische Parteien | 67 514 | 2,3 | 1 |
Deutsche Volkspartei | 59 918 | 2,0 | 2 |
Deutsche Ordnungs- und Freiheitspartei | 56 365 | 1,9 | 5 |
Bürgerliche Demokraten + D-Ö Wirtschaftspartei der Festbesoldeten | 48 847 | 1,6 | 1 |
Steirische Bauernpartei | 47 078 | 1,6 | 3 |
Nationaldemokratische Partei | 46 577 | 1,5 | – |
Kärntner Bauernbund | 33 412 | 1,1 | 2 |
Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei | 23 334 | 0,8 | – |
Deutschvölkischer Wahlausschuß | 15 679 | 0,5 | 1 |
Demokratische Partei | 15 133 | 0,5 | |
Demokratische Ständevereinigung | 12 336 | 0,4 | 1 |
Freiheitlicher Salzburger Bauernbund | 8 507 | 0,3 | 1 |
Jüdischnationale Partei | 7 760 | 0,3 | 1 |
Demokratische Mittelstandspartei | 5 967 | 0,2 | - |
Demokratische Wirtschaftspartei | 3 909 | 0,1 | - |
Deutschösterreichische Volkspartei | 1 688 | 0,1 | - |
Treiplpartei | 864 | 0,0 | - |
Wirtschaftspolitische Volkspartei | 411 | 0,0 | - |
1) davon Christlichsoziale 687.603 (47 Mandate), Niederösterreichischer Bauernbund 222.701 (12), Christlichsoziale Bürger- und Arbeiterpartei 61.603 (-), Tiroler Bauernbund 50.461 (3), Tiroler Volksverein 46.014(7)
[Bearbeiten] Folgen
Karl Renner blieb Staatskanzler und bildete die erste demokratisch legitimierte Regierung im damaligen Deutschösterreich. Nachdem der ehemalige Kaiser Karl I. im Schweizer Exil seine Verzichtserklärung vom November 1918 widerrufen hatte, beschloss die Nationalversammlung am 3. April 1919 das Habsburgergesetz. Dieses Gesetz regelte die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen durch die Republik Deutschösterreich sowie die Abschaffung aller Vorrechte des früheren Herrscherhauses. In der Folge wurden alle Mitglieder des Hauses Habsburg, die sich weigerten auf ihre Herrschaftsansprüche zu verzichten und sich nicht als Bürger der Republik Deutschösterreich bekannten, des Landes verwiesen. Das an den Kaiserhof gebundene hofärarische Familienvermögen wurde beschlagnahmt. Lediglich das Privatvermögen der Habsburger blieb von den Habsburgergesetzen unberührt.
Mit dem Ende der Monarchie und dem Entstehen der Republik erhielt auch das parlamentarische System eine neue gesetzliche Grundlage im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG). Das B-VG wurde 1920 von der Konstituierenden Nationalversammlung beschlossen. Noch heute gilt das B-VG in der Fassung von 1929, das neben der Direktwahl des Bundespräsidenten etwa die parlamentarische Tagungszeit sowie eine tagungsfreie Zeit regelt.
Am 10. September 1919 unterzeichnete Renner den Friedensvertrag von Saint-Germain, der am 21. Oktober von der Nationalversammlung ratifiziert wurde. Die Verwendung der Staatsbezeichnung "Deutschösterreich" sowie ein Anschluss an Deutschland wurden im Vertrag verboten. Von nun an trug der Staat den bis heute gültigen Namen "Republik Österreich".
[Bearbeiten] Weblinks
- www.bmi.gv.at Ergebnis der Wahlen in Stimmen und Prozenten
- www.oeaw.ac.at Detailergebnis der Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung
- www.modernpolitics.at Wahlergebnis nach politischen Lagern
Erste Republik:
(1919) | 1920 | 1923 | 1927 | 1930
Zweite Republik:
1945 | 1949 | 1953 | 1956 | 1959 | 1962 | 1966 | 1970 | 1971 | 1975 | 1979 | 1983 | 1986 | 1990 | 1994 | 1995 | 1999 | 2002 | 2006