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Wandbilder in Berlin - Wikipedia

Wandbilder in Berlin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wandbild in Berlin, Bachstraße Ecke Siegmunds Hof, Entwurf Ben Wagin
Wandbild in Berlin, Bachstraße Ecke Siegmunds Hof, Entwurf Ben Wagin

Das erste Berliner Wandbild war Ben Wagins Weltbaum – Grün ist Leben aus dem Jahr 1975. Es reihte sich in eine seit Beginn der 1970er Jahre in anderen Städten Deutschlands populär gewordene neue Form der Wandmalerei ein. Seither sind mehr als 450 solcher Kunstwerke in Berlin entstanden und teilweise wieder verschwunden, da ihre Lebensdauer durchschnittlich nur etwa 15 bis 20 Jahre beträgt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte der Wandbild-Malerei

Wandbilder als künstlerische Produkte haben zu einer Öffnung der Kunst für ein breites Publikum beigetragen. Niemand kann mehr daran gehindert werden, sich selbst ein Bild zu machen. Als öffentlich zugängliche Kunst verdienen sie wie kaum eine andere Kunstform das Prädikat "demokratisch" und damit modern.

Dabei ist die Wandmalerei keine Erfindung der jüngsten Vergangenheit der Gegenwart. Fasst man ihren Begriff weit auf, so lässt sie sich bis zur eiszeitlichen Höhlenmalerei in Südfrankreich und Spanien zurückverfolgen. Seither haben Künstler ganz unterschiedlicher Kulturkreise Wandmalereien hervorgebracht, die auch heute noch oder wieder gefallen. Das reicht von Grabmalereien in Ägypten, setzt sich in den Villen und Palästen des kretischen Raumes und Pompejis fort und endet, um hier nur einiges genannt zu haben, noch lange nicht bei den Fresken des Renaissance-Künstlers Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle oder den barocken Kuppel- und Deckenmalereien in Süddeutschlands Kirchen.

In unserem Jahrhundert erhielt die Wandmalerei wichtige Anstöße aus Mexiko. Hier waren es vor allem die Mexikanischen Künstler Diego Rivera (1886-1957), Jose Clemente Orozco (1883-1949) und David Alfaro Siqueiros (1896-1974). die sich, beeinflusst von der mexikanischen Revolution 1910, verstärkt der sozialen Thematik in ihren Werken annahmen. Dargestellt wurden in ihren Wandbilder nun vorrangig Episoden aus der nationalen Entwicklung Mexikos - die Geschichte der Indianer, die Diktatur der herrschenden Oligarchie, die - nicht selten pathetisch wiedergegeben - Revolution der unterdrückten Massen.

Mit ihren Arbeiten wurden Sie über die Grenzen Ihrer Heimat bekannt, "eckten" gelegentlich damit aber auch an. So erhielt Rivera einen Auftrag für die Gestaltung eines Bildes für das Rockefeller Center in New York. als "Der Mensch am Scheideweg", so der Titel des Gemäldes, auch ein Portrait Lenis zeigte, hatte New York einen Handfesten (Kunst)-Skandal. Man schrieb schließlich das Jahr 1933. Um Proteste zu vermeiden, wurde das angefangene Wandbild erst einmal abgedeckt, dann, als Rivera eine Übermalung ablehnte, endgültig zerstört. Im darauf folgenden Jahr entstand übrigens eine Replik dieses Gemäldes in Mexiko-Stadt.

Auch in den Vereinigten Staaten fand die Wandmalerei, nicht zuletzt durch den direkten Kontakt mit dem mexikanischen Maler, weite Verbreitung. Dabei erwies sich die schlechte wirtschaftliche Lage als ein Katalysator für ihre Popularisierung. So wurde vom amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt im Rahmen der 1933 eingeleiteten Reformen zur Überwindung der Wirtschaftskrise auch ein Unterstützungsprogramm für Künstler in Gang gesetzt. Wände von Schulen, Bibliotheken, Postämtern und andre öffentlichen Einrichtungen wurden so künstlerisch gestaltet. Durch dieses Förderprogramm im Rahmen des New Deal entstanden in den USA mehr als 3 500 Wandbilder zwischen Ney York und Los Angeles, wo man auch heute noch immer interessante Beispiele sehen kann.

[Bearbeiten] Wandbilder in Berlin

Anfang der 70er Jahre findet die Wandmalerei im engeren Sinne ihren Weg nach Deutschland. Hier entstehen 1972 erste Wandbilder in der Bremer Böttcherstraße. Nach weiteren drei Jahren 1975, gibt es nun auch in Berlin ein Wandgemälde. Initiiert von Ben Wagin, der zusammen mit den Künstlern Peter Janssen, Fritz Köthe, Narendra Kumar Jain und Siegfried Rischar auch den Entwurf lieferte, wuchs am Siegmundshof und der Straße des 17. Juni in unmittelbarer Nähe des S-Bahnhofs Tiergarten der „Weltbaum – Grün ist Leben“. Seither sind diesem Vorbild viele weitere gefolgt. Insgesamt ist ihre Zahl, wie bereits gesagt, auf über 450 gewachsen (1975 bis 2006), wobei in diese Zahl auch jene Kunstwerke eingerechnet sind, die bereits wieder verschwunden sind. Wandbilder sind nun einmal, vielleicht mehr als alle anderen Werke der bildenden Kunst, solche auf Zeit.

Alle Hausbemalungen sind vergänglich, und in der heute so belasteten Großstadtluft beträgt die durchschnittliche Lebensdauer nur etwa 15 bis 20 Jahre. Auch verschwinden die Wandbilder durch Baulückenschließung aus dem Stadtbild, wie dies mit der 1976 von Eduardo Paolozzi entworfenen ornamentalen Darstellung von Maschinenteilen auf der wand des Statistischen Bundesamtes an der Kurfürstenstraße geschehen ist. Durch die Bebauung des davorliegenden Grundstückes mit einem Neubau eines Bankgebäudes ist das Bild nun von der Straße aus nicht mehr sichtbar.

Nicht wenige der wie auch immer bedrohten Wandbilder verdanken ihre Entstehung der öffentlichen Hand. Voraussetzung dazu waren die Programme und Wettbewerbe „Kunst am Bau“ und „Farbe im Stadtbild“ des Berliner Senats. Von der 1979 neu geschaffenen Aufgabenstellung Kunst im Stadtraum bei der „Um- und Neugestaltung Berliner Stadträume unter Einbeziehung künstlerischer Aktivitäten“, wie es etwa umständlich in den Ausschreibungsunterlagen zu diesem Wettbewerb hieß, hat auch die Wandmalerei in der Stadt profitiert.

Auch als Berlin noch geteilt war, wurde im Ostteil von Berlin die Wandmalerei (ca. 1982) für den öffentlichen Raum entdeckt. Auch hier fanden Wettbewerbe statt, wobei immer 3% von der Bausumme für Kunst am Bau an öffentlichen Gebäuden bereitstand. So findet man die meisten Wandbilder im östlichen Teil von Berlin an Schulen und Turnhallen sowie an Kindertagesstätten.

Auch andere Finanzierungsträger treten darüber hinaus in Erscheinung. Gritta Hesse gibt dazu ein Beispiel in der Einleitung des von ihr herausgegebenen Buches „Gemalte Illusionen“: Statt einer einfarbig gestrichenen Giebelwand möchte eine Künstlerin im Rahmen einer anstehenden Renovierung ein Wandbild gestalten. „Spontan macht eine dort ansässige Künstlerin einen kühnen Bildentwurf, der den Bewohner und der Hausbesitzerin gleichermaßen gut gefiel. Alle wollten ihn gemeinsam ausführen. Aber es fehlte an Geld für das Gerüst und die Farben. Nach längeren Bemühungen gelang es, eine Wohnbaugesellschaft zu finden, die die vergleich geringen Kosten übernahmen.

Eine Reihe von Künstlern beteiligten sich schon im Vorfeld der Entstehung eines Bildes an den Entwürfen und führten sie später auch selber aus. Wichtige Impulse für ihre Arbeit kamen dabei oft aus der Berliner Hausbesetzerszene, die vor allem in den von der Stadtsanierung betroffenen Bezirken viele „Protestbilder“ entstehen ließen. Häufig lösten solche Wandmalereien heftige Reaktionen innerhalb der Bevölkerung aus – Kunst wurde zum allgemeinen Gesprächsstoff auch auf der Straße.

Die bekannteste Fassadengestaltung aus diesem Umfeld waren wohl die nicht mehr vorhandenen Wandbilder am KuKuCK, dem selbstverwalteten „Kunst-und-Kultur-Centrum-Kreuzberg“ in der Anhalter Straße. Titel des Wandbildes „Modell Deutschland“. Marilyn Green, Rainer Warzecha und viele andere Künstler malten das Wandbild (1981). Das Gebäude war auch das Zentrum der Hausbesetzer-Szene in Kreuzberg. 1984 wurde das Gebäude geräumt und die Wandbilder entfernt.

Einige der Künstler unterstützten die Besetzer mit ihrem Fachwissen bei der künstlerischen Verwirklichung ihrer Vorstellungen von Wandbildern. Hier ist vor allem die Gruppe „Ratgeb“ zu nennen, die allerdings heute nicht mehr besteht. Dieser Malergruppe gehörten die Künstler Paul Blankenburg, Werner Brunner, Werner Steinbrecher, NIL Ausländer (ein glueck haben die mich damals rausgeschmissen) und Bernd Micka an. Genannt hatten sie sich programmatisch nach Jerg Ratgeb, der Anfang des sechzehnten Jahrhunderts ein angesehener Schöpfer sakraler Kunstwerke war. Doch nicht nur in der Hausbesetzerbewegung stoßen Wandmalereien auf Interesse. Nach einer ersten Phase des Abwartens sind in zunehmendem Maße in den letzten Jahren auch Firmen, Wohnungsbaugesellschaften und Hausbesitzer bereit, die Fassaden ihrer Gebäude zum Blickfang gestalten zu lassen. Das 1979 von Gert Neuhaus für das Ingenieurbüro Krogmann & Co. entworfene und im Innenhof des Grundstückes Zillestraße ausgeführte Giebelwandbild „Reißverschluss“ ist ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich dabei um eine „verblüffende malerische Verfremdung einer Brandmauer. Die akribische Gestaltung des Reißverschlusses und der Gründerzeitfassade verleiht der schweren Mauer eine heitere Leichtigkeit. Man fühlt sich an die magische Malerei des René Magritte erinnert. Die alte Brandmauer wurde nur zum Teil verputzt und anschließend bemalt. Der besondere Reiz liegt in der optischen Täuschung: Die auf den Putz gemalte Hausfassade scheint in den Hintergrund gerückt, wohingegen die Ziegelmauer, die eigentlich hinter der Verputzung liegt, deutlich in den Vordergrund rückt“, so hat Wolfgang Entress 1988 das Bild in einem Begleittext zur Lichtbildreihe „Stadtbilder“ der Landesbildstelle Berlin beschrieben.

Das Beispiel zeigt zweierlei: Das Engagement privater Auftraggeber für Wandbilder und das allgemein wachsende Interesse an diesen Kunstwerken. Denn der „Reißverschluss“ fristet kein letzten Endes nur von der näheren Umgebung wahrgenommenes Dasein, wie dies bei vielen anderen Wandbildern der Fall ist. Unter dem Slogan „Berlin tut gut“ zierte es werbewirksam jene Plakate, mit denen die offizielle Berlin-Werbung Besucher in die Stadt bringen wollte.

Tommy-Weissbecker-Haus
Tommy-Weissbecker-Haus

Dabei weisen bereits die wenigen bislang genannten Beispiele auf die thematische Vielfalt von Wandbildern in Berlin. Das Spektrum an Themen, die künstlerisch bearbeitet wurden, ist breit angelegt. Das reicht, ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit, von politischen (Tommy-Weissbecker-Haus) zu historischen Themen, setzt sich mit Fragen der Umweltzerstörung (Ben Wagins „Weltbaum I und II“) und Stadtsanierungen sowie architekturbezogener Malerei auseinander, verweist auf die Funktion eines Gebäudes (Bemalung eines Umspannwerkes) erzeugt Illusionen oder dient vorrangig dekorativen Zwecken.

Obwohl also einzelne Wandgemälde auch über die Grenzen der Stadt Berlin hinaus bekannt geworden und Teile der Bilder als Zeitdokumente von hohem Wert sind, genießen sie dennoch keinen Denkmalschutz. Auch ihre künstlerische Qualität kann sie nicht generell davor schützen, durch Renovierungsarbeiten zerstört und durch die Schließung von Baulücken beseitigt zu werden. Es gibt aber wenige Ausnahmen. Das Wandbild von Manuel Garcia Moia stellt den Befreiungskampf des Dorfes Monimbo von Masaya in Nicaragua dar. Das Bild wurde 1985 im Bezirk Lichtenberg von dem Künstler selbst unter Mithilfe von T. Wendisch und M. Hoffmann gemalt. Der Hauseigentümer wollte das Gebäude 2005 mit Wärmedämmplatten modernisieren. Damit wäre das Wandbild verloren gewesen. Erst durch eine Initiative für den Erhalt des Giebelwandgemäldes „Nicaragua“ und den Druck der Universität Los Angeles konnte das Wandbild erneuert werden. Die Rekonstruktion übernahmen der Wandmaler Gerd Wulff und sein Mitarbeiter M. Holst. Da Norbert Martins das Wandbild in seinem Fotoarchiv hatte, konnte er mit diesen Fotos den Maler Gerd Wulff unterstützen. Manuel Gracia Moia war im September 2005 in Berlin und hat mit seiner Unterschrift das Wandbild autorisiert. Das Giebelwandbild mit seiner naiven Malerei gilt mit 255 m² als das größte seiner Art in Europa.

Das Wandbild von Ben Wagin scheint für immer verloren zu sein. Es ist kaum noch zu erkennen und der Hauseigentümer hat kein Geld, um es zu restaurieren. Wagin bemühte sich, das nötige Geld für die Erhaltung des Wandbildes selbst aufzutreiben, leider ohne Erfolg. Wandbilder sind eben „Kunstwerke“ auf Zeit.

Es sind mehr als 450 Wandbilder in dieser Stadt entstanden. Keine Stadt in Europa hat so viele Giebelwandbilder wie Berlin.

[Bearbeiten] Wichtige Wandmaler für Berlin

  • Gerhard Andrées
  • NIL Ausländer
  • Akbar Behkalam
  • Paul Blankenburg
  • Lutz Brandt
  • Werner Brunner
  • Bernd Micka
  • Klaus Dubois
  • Oskar Gonschorr
  • Marilyn Green
  • Abuzer Güler
  • Manfred Henkel
  • Peter Koehne
  • Pit Mischke
  • Gert Neuhaus
  • César Olhagaray
  • Norfried Pahler (Skip)
  • Lothar Scholz
  • Werner Steinbrecher
  • Fred Thieler
  • Ben Wagin
  • Helge Warme
  • Hans-Dieter Wohlmann
  • Walter Womacka
  • Gerd Wulff
  • Hanefi Yeter

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Norbert Martins: Giebelphantasien – Berliner Wandbilder. HetStein-Verlag, Berlin 1989, ISBN 3-926976-07-1 (vergriffen)
  • Gritta Hesse: Gemalte Illusionen - Wandbilder in Berlin. Harenberg Kommunikation, Dortmund 1983, ISBN 3-88379-384-1
  • Wolfgang Entress - Begleittext zur Lichtbildreihe "Stadtbilder" der Landesbildstelle Berlin

[Bearbeiten] Weblinks

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