Wilhelm von Gloeden
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Wilhelm Baron von Gloeden (* 16. September 1856 in Mecklenburg; † 16. Februar 1931 in Taormina) war ein deutscher Fotograf, der hauptsächlich in Sizilien arbeitete. Er gilt als einer der Pioniere künstlerischer Aktfotografie. Berühmt wurde er durch seine Akte sizilianischer Knaben mit antikisierenden Requisiten und Kostümen, die eine arkadische Antike suggerieren.
Aus moderner Sicht ist sein Werk durch die kontrollierte Nutzung von Beleuchtung sowie die häufig eleganten Posen seiner Modelle bedeutungsvoll. Er war zudem der erste Fotograf, der mit Körperschminke (einer Mischung aus Milch, Olivenöl und Glyzerin) arbeitete, um die unreine Haut der stets arbeitenden Knaben zu kaschieren.
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[Bearbeiten] Biografie
Von Gloeden war angeblich ein deutscher Aristokrat von niederem Adel[1] aus Mecklenburg. Er studierte Kunstgeschichte und Malerei und pflegte eine leidenschaftliche Liebe zum Theater. Ein schweres Lungenleiden jedoch führte dazu, dass er des Klimas wegen 1876 nach Taormina in Sizilien übersiedelte. Hier schloss er Freundschaft mit dem Bürgermeister von Taormina, dem deutschen Maler Otto Geleng. Dies und sein im Vergleich zur damals äußerst armen Bevölkerung Süditaliens beträchtlicher Reichtum mögen erklären, warum seine Homosexualität und deren offensichtliche Ausprägung in seiner Arbeit von den Einheimischen toleriert wurde.
Er seinerseits fand sich in einem Italien, das ein mythisches Ideal der Antike wieder aufleben ließ: "Die Lektüre von Homer, von Theokrits Gedichten in Sizilien regten meine Phantasie an. Felsen und Meer, Berge und Täler erzählten mir von arkadischen Hirten und vom Poliphem". Auch das unverkrampfte Verhältnis der Bevölkerung zur Nacktheit (damals waren Kinder oft nackt in der Öffentlichkeit zu sehen) mag für Gloeden eine Erlösung von der deutschen Körperfeindlichkeit und Prüderie gewesen sein.
Neben den Knabenakten, mit denen Gloeden 1880 begann, fertigte er auch Porträtstudien der örtlichen Landarbeiter und fotografierte Landschaften. Als seine Familie in den 1890ern durch die Hammerstein-Affäre in finanzielle Not geriet, wurde aus seiner Liebhaberei ein Beruf. Bereits eine lokale Berühmtheit in der Gegend von Taormina, wurde seine Arbeit durch verschiedene Ausstellungen (London und Berlin) schnell in ganz Europa populär.
Sein Atelier fand Erwähnung im Baedeker, was dazu führte, dass Größen wie z. B. Oscar Wilde, der "Kanonenkönig" Friedrich Alfred Krupp, Richard Strauss und der deutsche Kaiser Wilhelm II. nach Taormina reisten. Etwa um die Jahrhundertwende begann auch das Geschäft mit Postkarten, das weiter zur Berühmtheit Gloedens beitrug. Der Großteil von Gloedens Werk stammt aus der Zeit bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Während des Krieges musste er das Land verlassen, nach seiner Rückkehr 1918 fotografierte er nur noch äußerst wenig. Bei seinem Tod hinterließ Gloeden sein Werk seinem Assistenten Pancrazio Bucini.
[Bearbeiten] Beziehung zu Guglielmo Plüschow
Gloedens Vetter Guglielmo Plüschow, der in Rom arbeitete, verschrieb sich ebenfalls der Aktfotografie. Von einem künstlerischen Standpunkt aus betrachtet ist Plüschows Werk dem Gloedens unterlegen, weil die Beleuchtung in seinen Aufnahmen oft zu hart ist und die Posen seiner Modelle oft sehr gekünstelt aussehen.
Plüschow war bereits ein etablierter Fotograf, als Gloeden mit dem Fotografieren anfing. Es wird sogar vermutet, dass Plüschow selbst Gloeden die damals schwierige Kunst des Fotografierens beibrachte. Gloeden übertraf Plüschow jedoch bald und spätere Arbeiten von Plüschow wurden häufig fälschlicherweise Gloeden zugeschrieben.
[Bearbeiten] Werk
Gloeden arbeitete ausschließlich mit Plattenkameras, die eine lange Belichtungszeit erforderten. Das bedeutet, dass seine Fotografien sorgfältig inszeniert werden mussten. Dies mag zu der großen, fast archaischen Ruhe beigetragen haben, die seine Fotografien oft ausstrahlen. Er war einer der ersten Fotografen, die Aktaufnahmen im Freien machten, was erst um die Jahrhundertwende populär wurde. Das verwendete Kollodiumverfahren erforderte, dass die Glasplatte sofort am Ort bearbeitet werden musste, so dass Gloeden eine Art mobile Dunkelkammer mitführte. Gloeden hinterließ etwa 3.000 Fotografien, von denen der größte Teil von der italienischen Polizei unter Mussolini wegen des Vorwurfs der Pornografie vernichtet wurde.
[Bearbeiten] Wirkung
In den 60er Jahren wurde Gloeden im Zuge der sexuellen Revolution wiederentdeckt. Seine Fotografien wurden unter anderem 1977 auf der documenta 6 in Kassel ausgestellt. Künstler wie Robert Mapplethorpe, Cecil Beaton, Andy Warhol und Bruce Weber schätzten und sammelten seine Fotografien. Ein Gutteil der schwulen Nachkriegsfotografie zeigt den Einfluss Gloedens.
In Taormina trägt ein Platz seinen Namen.
[Bearbeiten] Ausstellungen
- Jahresausstellungen der Londoner Royal Photographic Society, London 1893 ff.
- Internationale Ausstellung zur Amateurphotographie, Berlin 1899
- Baron Wilhelm von Gloeden (1856-1931). Kunsthalle Basel 1979
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Weiermair: Wilhelm Von Gloeden: Erotische Fotographien, Köln (Taschen Verlag) 1994, ISBN 3822893153
- Ulrich Pohlmann: Wilhelm von Gloeden: Taormina, München (Schirmer Mosel) 1998, ISBN 3888144744
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Wilhelm von Gloeden – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Einträge zu Wilhelm von Gloeden in der Landesbibliographie Mecklenburg-Vorpommern
- W. von Gloeden, Sitzungsbericht der Hauptversammlung der "Freien Photographischen Vereinigung zu Berlin" (1898).
- W. von Gloeden, Kunst in der Photographie (1899).
- Biografie und Galerie
- Biografie und Galerie
- Essay und umfangeiche Galerie
- Wilhelm von Gloeden (1856-1931).
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ Allerdings ist umstritten, ob er tatsächlich den Titel "Baron" trug, siehe http://www.sover.net/~falklorn/WilhelmvonGloeden.html
Personendaten | |
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NAME | Gloeden, Wilhelm von |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Fotograf, |
GEBURTSDATUM | 16. September 1856 |
STERBEDATUM | 16. Februar 1931 |