Zugzwang
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Mit Zugzwang wird in Spielen, insbesondere Brettspielen, eine Situation bezeichnet, in der es nachteilig ist, einen Zug ausführen zu müssen. Diese Situation kann nur in Spielen eintreten, bei denen eine Zugpflicht besteht, also beispielsweise beim Schach, nicht aber beim Go. Zugzwang tritt relativ selten auf, da man in aller Regel mit einem eigenen Zug die eigene Stellung verbessern kann. Im Schach hat er jedoch eine sehr hohe Bedeutung, da viele Endspiele ohne Zugpflicht nicht zu gewinnen wären.
In der Schachkomposition wird Zugzwang als paradoxes Element häufig verwendet. In den letzten Jahren wurden die Endspiel-Datenbanken mittels spezieller Programme nach Stellungen gegenseitigen Zugzwangs systematisch durchsucht und in EG publiziert.
Umgangssprachlich wird der Begriff Zugzwang oft in dem Sinne verwendet, dass jemand zu einer bestimmten Handlung oder zumindest zu einer Reaktion gezwungen wird, also eher im Sinne von Drohung.
Das Wort wurde als Germanismus in viele Sprachen, unter anderem ins Englische und Russische übernommen.
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[Bearbeiten] Gegenseitiger Zugzwang
In der Diagrammstellung ist jeweils der am Zug befindliche Spieler im Zugzwang.
- Weiß hat einen Mehrbauern und möchte die Partie gewinnen. Ist Weiß am Zug, dann muss sein König nach c6 ziehen, denn auf andere Königszüge schlägt Schwarz den ungedeckten Bauern, und die Partie ist remis. Nach Kd6-c6 aber ist Schwarz patt. Mit Weiß am Zug ist die Partie bei korrektem schwarzen Spiel nicht zu gewinnen.
- Schwarz kann mit dem König alleine die Partie bestenfalls remis halten. Ist Schwarz am Zug, dann ist Kc8-b7 erzwungen. Darauf zieht der weiße König nach d7. Im nächsten Zug erreicht der weiße Bauer die achte Reihe und verwandelt sich in eine Dame oder einen Turm. Damit gewinnt Weiß die Partie.
Eine solche Situation, in der beide Spieler im Zugzwang sind, wird im Schachjargon als gegenseitiger Zugzwang (mitunter auch reziproker oder mutualer Zugzwang) bezeichnet.
Das folgende Beispiel zeigt einen gegenseitigen Zugzwang, bei dem der am Zug befindliche Spieler verliert. Das "Zugrecht" kostet hier also einen ganzen Punkt.
In der Diagrammstellung sind erneut beide Spieler im Zugzwang.
-
- Beide Könige haben jeweils den gegnerischen Bauern angegriffen und verteidigen zugleich den eigenen Bauern. Wer am Zug ist, muss den Schutz des eigenen Bauern aufgeben, verliert diesen und damit die Partie.
Dieses Motiv wird (vor allem im englischen Sprachraum) als Trébuchet bezeichnet.
Quelle: Golombek: "The Penguin Encyclopedia of chess" sowie diverse Webseiten (Suchabfrage: Trebuchet + chess)
Der am Ende des Artikels angegebene Link zeigt u.a. die Anwendung des Trébuchet-Motivs in einem komplexen Bauernendspiel.
Ein weiteres Beispiel für Zugzwang wird in der Unsterblichen Zugzwangpartie gezeigt, ebenso in der Partie Bogoljubow – Aljechin, Hastings 1922.
[Bearbeiten] Zugwechselmanöver
Um den Gegner in Zugzwang zu bringen, werden besonders im Endspiel Zugwechselmanöver ausgeführt:
- Der einfachste Fall ist ein Wartezug. Das ist ein Zug, der keine neuen Drohungen schafft, aber alle wesentlichen Möglichkeiten der eigenen Stellung aufrecht erhält.
- Gibt es keinen Wartezug, dann wird oft ein sogenanntes Dreiecksmanöver angewandt.
- Allerdings gibt es auch andere Zugwechselmanöver. Die Aufgabe von Manfred Zucker, Der Tagesspiegel, 30. September 1990 zeigt, wie die Dame ein Trapez beschreibt, um ein Tempo abzugeben.
[Bearbeiten] Herstellen einer Zugzwangstellung
In dieser Stellung zog Weiß nun 30. h2-h4, worauf Schwarz aufgab, da er sich in Zugzwang befindet: Der Springer auf c6 ist gefesselt und die anderen Figuren sind an die Verteidigung dieses Springers gebunden, der König hat c7 zu verteidigen. Nach Bauernzügen (g6, h5) wartet Weiß einfach ab und macht Königszüge. Sobald Schwarz dann eine Figur ziehen muss, bricht seine Stellung zusammen: Nach einem Zug des Springers e7 folgt Lxc6, andere Züge werden mit b5 nebst Figurengewinn beantwortet.
[Bearbeiten] Probleme in der Schachprogrammierung
In der Schachprogrammierung stellen Zugzwangstellungen ein Problem für weit verbreitete Pruning-Algorithmen wie den Nullmove-Algorithmus dar, da dessen Prämisse in einer Zugzwangstellung nicht mehr erfüllt ist.
In der Diagrammstellung (1) ist es nicht unüblich, dass ein Computer nicht mehr als ein Unentschieden erkennt. Der Gewinnweg für Schwarz besteht darin, mit 1. ...Td6-d7+ den Zug 2. ...Td7-d8 vorzubereiten. Im 3. Zug kann Schwarz vorteilhaft seinen Turm auf h8 ungedeckt postieren. Entscheidet sich Weiß dafür den Turm zu nehmen, so kann Schwarz mit Ke6-f7 den weißen König einsperren und so die Position in Diagramm 2 erreichen.
Weiß ist genötigt seine Bauern vorwärts zu bewegen, solange sein König auf h8 eingesperrt bleibt. Zieht Weiß b2-b4 oder b2-b3 so kann Schwarz mit a4xb3 (evtl. en passant) seinen Bauern von der a-Linie auf die b-Linie umleiten und in eine Dame umwandeln und schnell den weißen König Matt setzen.
[Bearbeiten] Literatur
- Alex Agnos: You move, I win. Thinker's Press, Davenport 2005, ISBN 1-888710-18-7
[Bearbeiten] Weblinks
- http://chess.jaet.org/cgi-bin/mzugs Liste aller gegenseitigen Zugzwangstellungen mit bis zu 6 Steinen (englisch)
- http://www.herderschach.de/Training/Online/index-tr001.html#a1a Einfache und komplexe Beispiele zum Trébuchet zum Online-Nachspielen