Ägyptologie
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Die Ägyptologie erforscht alle Bereiche der altägyptischen Hochkultur (Alltagsleben, Sprache und Literatur, Geschichte, Religion, Kultur und Kunst, Wirtschaft, Recht, Ethik und Geistesleben) von der Vorgeschichte des 5. Jahrtausends v. Chr. (z.B. die Kulturen Negade und Badari) bis zum Ende der Römerherrschaft im 4. Jahrhundert n. Chr. Sie ist in Deutschland sehr sprachenorientiert, während in den anglo-amerikanischen und in anderen Ländern wie Frankreich, Italien und Polen auch die Archäologie selbst einen breiten Raum innerhalb der Lehre und des Fachs einnimmt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Forschungsgeschichte
[Bearbeiten] Erste Ansätze der Ägyptologie
In der Renaissance, dem Wiederentdecken der Antike, kam es zu ersten Bestrebungen, die ägyptische Kultur zu entdecken und die Sprache zu entziffern. Athanasius Kircher (1601–1680) beschäftigte sich mit den ägyptischen Denkmälern und machte die ersten Schritte zur Entzifferung der Hieroglyphen.
Eine erste Grundlage für die Arbeit an den erhaltenen textlichen und bildlichen Zeugnissen ließ Napoleon auf seinem Feldzug nach Ägypten anfertigen (Description de l'Egypte - siehe dazu: Die Ägyptische Expedition Napoleons).
Eine wichtige Rolle spielte auch die Ägyptenbegeisterung der europäischen Eliten im 19. Jh., die mit dem Begriff Ägyptomanie bezeichnet wird. Es gehörte zum guten Ton, eine Ausgrabung zu finanzieren, selbst daran teilzunehmen oder zumindest eine Reise nach Ägypten zu unternehmen und Kunstgegenstände mitzubringen. Unter den Reiseandenken waren oft auch Mumien, die dann als Höhepunkt bei einer Abendgesellschaft ausgewickelt wurden. Eine der berühmtesten Entdeckungen konnte nur durch das Interesse am alten Ägypten gemacht werden: Das Grab des Tutanchamun. Dieser großartige Fund ist der Patronage des Lord Carnarvon zu verdanken.
Während diese Gruppe die Finanzierung stellte und amateurhafte Ausgrabungsversuche unternahm, man spricht hierbei oft von Gentlemanarchäologen, lag die wissenschaftliche Arbeit in den Händen einiger weniger. Einen spezielle Ausbildung zum Umgang mit altertümlichen Funden, deren Dokumentation und Konservierung gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die Männer waren Autodidakten oder wurden von einem Forscher mit mehr Erfahrung ausgebildet - was nichts anderes heißt, als dass sie einige Zeit unter ihnen arbeiteten.
Hierbei gab es einige frühe Forscher, die sich durch besondere Fähigkeiten hervortaten, unter ihnen Flinders Petrie. So grub er mehrere Tempel aus und zeichnete gewissenhaft die für ihn unverständlichen Hieroglyphen, wie z.B. in Amarna, ab. Zudem benutzte er 1898 die erst kurz zuvor entdeckten Röntgenstrahlen, um die Mumie des Ramses zu durchleuchten. So wies er die nachträgliche Ausstopfung (ein Samenkorn in der Nase, um den charakteristischen Höcker nach der Austrockung nachzubilden) einer Mumie nach. Durch diese erste Verwendung der Röntgenstrahlen ist sein Name ebenfalls untrennbar mit der der Paläopathologie verbunden. Er gilt als "Ausbilder" von Howard Carter, der in einer von Petrie geleiteteten Ausgrabung seine ersten archäologischen Erfahrungen sammelte.
Die Entzifferung der Hieroglyphen brachte schließlich den Schlüssel zum Verständnis der ägyptischen Kultur und läutete somit die moderne Ägyptologie, eine neue Wissenschaft, ein.
[Bearbeiten] Moderne Ägyptologie
Als Geburtsstunde der modernen Ägyptologie gilt das Jahr 1822, in dem es Jean-François Champollion gelang, die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern. Grundlage hierfür war der Stein von Rosette. Denn nur mit Kenntnis der ägyptischen Schrift und der Sprache war es von nun an möglich, einen Einblick in die altägyptische Kultur zu gewinnen und diese auch zu verstehen.
In Deutschland gilt Richard Lepsius als Begründer der Ägyptologie.
[Bearbeiten] Aufgabengebiet
Ägyptologen beschäftigen sich mit den Hinterlassenschaften der altägyptischen Kultur von ihren Anfängen um ca. 3200 v. Chr. bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte hinein. Spuren dieser Kultur finden sich vor allem im Niltal vom Mittelmeer bis Khartum im heutigen Sudan als auch von der Libyschen Wüste im Westen bis nach Vorderasien im Osten sowie im gesamten Mittelmeerraum. Grundlage der Ägyptologie ist die Beherrschung der altägyptischen Schriften und Sprachen, denn es gibt Texte in Hieroglyphen, Hieratisch, Demotisch und Koptisch. Hieroglyphen und Hieratisch sind Schriftarten, in denen die Sprachstufen Altägyptisch, Mittelägyptisch (oder Klassisches Ägyptisch) und Neuägyptisch überliefert sind, bei Hieroglyphen auch das sog. "Ptolemäische Ägyptisch", das durch eine Vielzahl neuer Zeichen gekennzeichnet ist. Demotisch und Koptisch sind weitere Sprachstufen, die sich durch eigene Schriften auszeichnen. Die erhaltenen Texte stammen aus vielen Lebensbereichen. So finden sich Grab-, Stelen- oder Statueninschriften, Texte zu Ritualen, Festkalender, Hymnen, religiöse Texte u.v.m., die häufig in Stein gemeißelt sind. Daneben gibt es literarische Erzählungen sowie Lebenslehren, die jedoch vor allem auf Papyrus und Kalksteinscherben geschrieben sind. Über das Beamtentum im alten Ägypten geben Verträge, Quittungen, Briefe, Notizen, Listen, Handbücher, Gerichtsprotokolle u.a.m. Auskunft.
Ausgangspunkt des universitären Unterrichts ist die Vermittlung der Sprache und die Lektüre der Texte, kulturgeschichtliche und archäologische Themen bilden weitere Bereiche. Die Schwerpunkte richten sich nach den jeweiligen Fachvertretern. Derzeit wird Ägyptologie an 16 deutschen Universitäten, in Europa, Amerika, China und Japan, Australien sowie weiteren Ländern und natürlich in Ägypten gelehrt. Das Tätigkeitsfeld eines heutigen Ägyptologen liegt nicht unbedingt in der Feldarbeit, sondern sie arbeiten auch an reinen Ägyptischen Museen oder Museen mit ägyptischen Abteilungen, bereiten Sonderausstellungen vor, haben einen Lehrauftrag an Universitäten oder sind in der Erwachsenenbildung tätig. Das Deutsche Archäologische Institut (DAI), Abteilung Kairo, ist neben anderen internationalen Einrichtungen in Ägypten selbst angesiedelt. Von dort, sowie von verschiedenen universitären Projekten aus, werden Feldarbeiten in Ägypten durchgeführt.
Die Ägyptologie überschneidet sich inhaltlich und fachlich in bestimmten Teilen mit den Fächern "Vor- und Frühgeschichte", "Alte Geschichte", "Archäologie des Nahen Ostens" bzw. "Biblische Archäologie", teilweise "Klassische Archäologie" (je nach Schwerpunktsetzung der Universität) sowie, in weiterem Sinne, der christlichen Theologie. Die Aufzeichnungen der frühen Kirchen in Ägypten sind durchweg in Koptisch erhalten.
Voraussetzung für das Studium in Deutschland ist der Nachweis von Englisch- und Französischkenntnissen, wobei auch Italienisch bei der Bibliotheksarbeit sehr hilfreich ist. Außerdem wird vielerorts Altgriechisch gefordert.
[Bearbeiten] Aktuelle Forschungssituation
Von den zahlreichen altägyptischen Quellen vor Ort und in den Museen der Welt sind nach wie vor viele unbearbeitet oder unpubliziert. In Ägypten gilt es vor allem, Denkmäler oder Siedlungsstrukturen, Friedhöfe etc. aufzudecken, wissenschaftlich zu dokumentieren und vor weiterer Zerstörung zu schützen. Aufgrund der verschiedenen Quellengattungen ist die Zusammenarbeit der Ägyptologie mit anderen Disziplinen von jeher entscheidend. In jüngerer Zeit werden auch auf administrativer Ebene die ägyptologischen Institute/Seminare immer öfter in größere Einheiten integriert. Die Ägyptologie arbeitet vielerorts auch in inter- oder transdisziplinären Forschungsverbünden mit. Wenngleich für das Verständnis der altägyptischen Kultur eine möglichst umfassende Sicht aller Quellen nötig ist, haben sich besondere Spezialisierungen in der Forschung herausgebildet: Ägyptische Philologie (neben den zentralen Sprachstufen Alt-. Mittel- und Neuägyptisch besonders die Ptolemaistik, Demotistik und Koptologie), Religion, Literatur, die verschiedenen Bereiche der materiellen Kultur, Architektur, Bildwerke, altägyptische Mathematik, Pharmazie und Medizin, Rechtsgeschichte, Musikgeschichte u.a.m.
Das bisherige Studium der Ägyptologie als Haupt- oder Nebenfach mit dem Abschluss Magister artium ist oder wird in Kürze durch die neuen Bachelor-Studiengänge mit anschließendem Master ersetzt, wobei vielerorts bestimmte Kombinationen mit anderen Disziplinen erforderlich wurden (z.B. mit Afrikanistik, Altorientalistik o.ä.).
[Bearbeiten] Siehe auch
![]() |
Portal: Ägyptologie – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Ägyptologie |
- Liste von Ägyptologen
- Pyramide (Bauwerk)
- Ägypten
- Altes Ägypten
- Geschichte des Alten Ägyptens
- Ägyptische Chronologie
- Archäologie
- Liste ägyptischer Götter
- Liste der Pharaonen
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Wichtige Einführungen
- Adolf Erman, Hermann Ranke (Bearb.): Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum. Gerstenberg, Hildesheim 1987. (4.Aufl.) ISBN 3-8067-0907-6
- Erik Hornung: Einführung in die Ägyptologie. Stand, Methoden, Aufgaben. Primus, Darmstadt 1996. (4.Aufl.) ISBN 3-89678-302-5
- Erik Hornung: Grundzüge der ägyptischen Geschichte. Wiss. Buchges., Darmstadt 2005 (5.Aufl.) ISBN 3-534-18779-2
[Bearbeiten] Zeitschriften
- Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde
[Bearbeiten] Weblinks
- DFG-Sondersammelgebiet Ägyptologie an der Universität Heidelberg
- Das Studium der Ägyptologie in Deutschland
- Verzeichnis mit Links zu digitalen, ägyptologischen Büchern I
- Verzeichnis mit Links zu digitalen, ägyptologischen Büchern II
- Weblinks zu Ägypten bei www.archaeologie-online.de
- Geschichte russischer Ägyptologie (rus)