Amerindische Sprachen
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Amerindisch, auch Amerind oder Amerindische Sprachfamilie, ist eine von Joseph Greenberg vorgeschlagene Makrofamilie.
Sie umfasst alle Sprachen der indigenen Völker Amerikas, außer den eskimo-aleutischen Sprachen und den Na-Dené-Sprachen, die als dem Amerind gleichrangige Sprachfamilien aufgefasst werden.
Der Ansatz wird von einem Großteil der (meinungsbildenden angloamerikanischen) Amerikanisten abgelehnt. Weniger stark ist die Ablehnung der von Joseph Greenberg als Untergliederung des Amerind postulierten Makrofamilien (engl. stocks). Diese wurden zum Teil bereits schon anfangs des 20. Jahrhunderts vom Amerikanisten Edward Sapir vorgeschlagen. Sie sind heute zum Teil allseits anerkannte Sprachfamilien, sind umstritten oder werden mehrheitlich abgelehnt.
Im Falle der amerikanischen Sprachen wird allerdings die einvernehmliche Großgliederung stark dadurch erschwert, dass einerseits in großen Teilen Amerikas (v.a. Südamerika) viele Sprachen bisher nur ungenügend erforscht und dokumentiert wurden und dies aufgrund des dramatischen immer noch laufenden Aussterbens vieler Sprachen teilweise auch nicht mehr nachgeholt werden kann. Andererseits erlaubt die Vielfältigkeit und Vielzahl der Sprachen es auch kaum einem einzigen Amerikanisten, über das für die Klassifizierung vieler Sprachfanmilien nötige Detailwissen zu verfügen. Weiter erschwerend kommt hinzu, dass der Wissensaustausch zwischen englischsprachigen Linguisten einerseits sowie spanisch-portugiesischen Forschern andererseits institutionell, ausbildungsmäßig und bezüglich kulturbedingter Vorurteile recht gering ist.
Entsprechend besteht gerade in der Amerikanistik ein sehr breiter Graben zwischen den "lumper" (Anhängern einer Zusammenfassung der Sprachen in möglichst wenigen Familien) und "splitter" (zum Teil äußerst kritisch gegenüber nicht über jeden Zweifel erhabenen Sprachfamilien). Entsprechend sehen die einen Linguisten nur eine (Amerind) oder höchstens ein Dutzend (macro-phyla, stocks) genetische Großeinheiten, während andere Linguisten etwa 200 Sprachfamilien und isolierte Einzelsprachen auf dem Kontinent annehmen.
Greenbergs Klassifikation, die die Sprachen der amerikanischen Bevölkerung (vor der Ankunft der Europäer) in drei Großgruppen einteilt, hat ihren Reiz darin, dass sie anthropologischen, kulturellen und migrationstheoretischen Befunden entspricht, die auf eine Besiedlung des amerikanischen Kontinents in drei großen Einwanderungswellen hindeuten. Bei den hunderten von Einzelsprachen, über die zudem oft nur bruchstückhaftes Material vorliegt, erscheint es jedoch als gewagtes Unterfangen, diese in nur drei Gruppen einzuteilen.
Während über die Verwandtschaft der eskimo-aleutischen Sprachen nicht und über die Verwandtschaft der Na-Dené-Sprachen kaum noch diskutiert wird, sind die unter dem Namen "Amerindisch" zusammengefassten Sprachen dermaßen unterschiedlich, dass normalerweise von einigen Dutzend Sprachfamilien anstelle von einer einzigen ausgegangen wird. Greenbergs lexiko-statistische Methode, die auf einem statistischen Vergleich gemeinsamer Stammwörter der Sprachen basiert, kann geeignet sein, die normale linguistische Herausarbeitung von Sprachverwandtschaften zu ergänzen. Bei sehr weit zurückliegenden echten oder vermeintlichen Sprachkontakten lässt sich aber kaum noch feststellen, ob die sprachlichen Gemeinsamkeiten von verschiedenen Sprachen auf gemeinsamer Herkunft, komplizierten Sprachübernahmeprozessen oder auf Zufall beruhen.
[Bearbeiten] Literatur
J. Greenberg, Language in the Americas. Stanford University Press 1987.