Anthropologie
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Anthropologie (von griechisch: ἄνθρωπος (anthropos - Mensch)und λόγος'(logos- Lehre), ist frei übersetzt "die Wissenschaft vom Menschen". Die einzelnen Disziplinen zusammenfassend wird unter diesem Oberbegriff die wissenschaftliche Erklärung dessen verstanden, was der Mensch ist. Charakteristisch für die Anthropologie ist ihre (auf I. Kant zurückgehende) Spaltung in einen materialistisch- physischen Zweig und einen idealistisch- pragmatischen Zweig: die Naturwissenschaften beschreiben den Menschen aus der Evolutionstheorie heraus als ein zwar hoch entwickeltes, sich aber nur quantitativ vom Tier unterscheidendes Wesen, während die Geisteswissenschaften in der Freiheit der Entscheidung und der Selbstbestimmung, d.h. in der Personalität, das spezifisch menschliche Wesen entdecken, welches sich qualitativ vom Tier unterscheidet. In Deutschland wird unter dem Universitätsfach "Anthropologie" in Unterschied zu den angelsächsischen Ländern ausschließlich die biologische oder physische Anthropologie verstanden.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Disziplinen
[Bearbeiten] Geisteswissenschaftlicher Ansatz
[Bearbeiten] Philosophische Anthropologie
Hauptartikel: Philosophische Anthropologie
[Bearbeiten] Theologische Anthropologie
Hauptartikel: Theologische Anthropologie
[Bearbeiten] Historische Anthropologie
Hauptartikel: Historische Anthropologie
[Bearbeiten] Naturwissenschaftlicher Ansatz
[Bearbeiten] Biologische Anthropologie
Vergleichende Biologie des Menschen mit den Teilgebieten Primatologie, Evolutionstheorie, Sportanthropologie, Paläoanthropologie, Bevölkerungsbiologie, Genetik, Wachstum (Auxologie), Konstitution, Forensik. Die Methoden sind sowohl beschreibend als auch analytisch. Die biologische Anthropologie ist eine Teildisziplin der Humanbiologie. Institutionen im deutschsprachigen Raum gibt es an Universitäten und an Museen in Kiel, Hamburg, Berlin, Göttingen, Jena, Gießen, Frankfurt am Main, Mainz, Ulm, Freiburg, München, Zürich und Wien. Meist ist dort die Bezeichnung nur "Anthropologie", Zusätze wie biologisch werden erst in jüngerer Zeit notwendig, weil der konkurrierende amerikanische Begriff von "anthropology" auch hier bekannt wird.
[Bearbeiten] Kulturanthropologie
Hauptartikel: Kulturanthropologie
[Bearbeiten] Sozialanthropologie
Hauptartikel: Sozialanthropologie
[Bearbeiten] Forensische Anthropologie
Forensische Anthropologie ist eine der drei gerichtlichen Wissenschaften vom Menschen, neben der Rechtsmedizin und der forensischen Odontologie.
Gebiete der forensischen Anthropologie:
- Identifikation nach Bildern. Die meisten bearbeiteten Fälle betreffen Ordnungswidrigkeiten im Verkehr, also Schnellfahrer und Rotmissachter, die spektakulären Fälle betreffen Bankräuber oder auch zeitgeschichtliche Personen.
- Identifikation von Skeletten und teilskelettierten Leichen, auch in Massengräbern
- Altersdiagnose, insbesondere bei jungen Straftätern
- Abstammungsgutachten (morphologisch)
- Zwillingsdiagnose
Die forensische Anthropologie dient mit den Mitteln der Anthropologie bei der Aufklärung von Verbrechen. Forensische Anthropologen haben vor allem mit der Identifikation von Bankräubern, Schnellfahrern etc. zu tun, dann auch häufig mit stark verwesten oder vollständig skelettierten Leichen. Nicht selten sind sie die letzte Hoffnung zur Aufklärung eines Verbrechens. In Deutschland gibt es eine starke institutionelle Dominanz der Rechtsmedizin, das aber verhindert manchmal den Zugang zu der eigenständigen Kompetenz der Anthropologie.
[Bearbeiten] Andere und Mischformen
[Bearbeiten] Kybernetische Anthropologie
Hauptartikel: Kybernetische Anthropologie
[Bearbeiten] Anthropologische Medizin
In den 20er- und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von Viktor von Weizsäcker, Richard Siebeck und Ludolf von Krehl praktizierte Medizin. [1] Es geht hierbei nicht um die Behandlung von Krankheiten, sondern um die Behandlung des kranken Menschen. Der Patient ist hierbei nicht mehr das Objekt, sondern der Arzt tritt dem Kranken als Subjekt in eine persönliche Beziehung ein. "Das Ganze des Leib-Seele-Wesens Mensch" steht dabei im Vordergrund. Die anthropologische Medizin versteht sich der wissenschaftlichen Medizin zugehörig und gehört somit nicht zu den alternativmedizinschen Methoden oder der anthroposophischen Lehre.
[Bearbeiten] Pädagogische Anthropologie
Die Pädagogische Anthropologie ist eine wissenschaftliche Subdisziplin mit deren Hilfe die impliziten und expliziten Annahmen der Pädagogik über den Menschen reflektiert werden. Sie nutzt die neusten Erkenntnisse der Forschung (im Besonderen der Gehirnforschung) und ist bestrebt, die Erkenntnisse für die Erziehung nutzbar zu machen. Empirische Einzeldaten sollen unter einem einheitlichen pädagogischen Grundgedanken zusammengefasst werden, dazu dienen Kategorien. Fundamentalkategorien sind die Erziehung/ Bildung und die Erziehungsbedürftigkeit/ Bildsamkeit. Zu den Unterkategorien der pädagogischen Anthropologie gehört beispielsweise die Theorie des Lernens.
[Bearbeiten] Anthropologie in den Sozialwissenschaften
Die zwei fast schon klassischen Menschenbilder, wenn auch bereits von ihren Schöpfern nur als analytische, vereinfachende Modelle, und nicht als ganzheitliche Beschreibung des Menschen gedacht, sind der homo oeconomicus der Wirtschaftswissenschaften und der homo sociologicus der Soziologie. Eine 'realistische' Variante des individualistischen homo oeconomicus ist das RREEMM-Modell des Menschen, allerdings wird in der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung wegen Operationalisierungsproblemen auch weiterhin überwiegend auf die einfacheren Modelle zurückgegriffen.
[Bearbeiten] Anthropologie als Oberbegriff bzw. Dachwissenschaft
Manchmal wird „Anthropologie“ als Oberbegriff für mehrere der oben genannten Einzelwissenschaften aufgefasst. Insbesondere in den USA gibt es dementsprechende Bestrebungen, Biologische Anthropologie, Kulturanthropologie, Ethnolinguistik und Archäologie unter einem Dach zu vereinen.
Die „Theorie der Anthropologie[2]“ ist Orientierungswissen, das Zusammenhänge zwischen den Disziplinen und Schulen aufzeigt. Der entsprechende Bezugsrahmen ist in seiner Grundstruktur einfach: Er erschließt sich, wenn anhand des Rasters der Vier Grundfragen der biologischen Forschung (nach Nikolaas Tinbergen: Verursachungen [= Ursache-Wirkungsbeziehungen bei den Funktionsabläufen], Ontogenese, Anpassungswert, Phylogenese) gefragt wird und gleichzeitig die Bezugsebenen (vergleiche Nicolai Hartmann; z.B. Zelle, Organ, Individuum, Gruppe) berücksichtigt werden, auf die sich die Fragen richten:
Verursachungen | Ontogenese | Anpassungswert | Phylogenese | |
---|---|---|---|---|
Molekül | ||||
Zelle | ||||
Organ | ||||
Individuum | ||||
Gruppe | ||||
Gesellschaft |
Dem tabellarischen Orientierungsrahmen aus Grundfragen und Bezugsebenen lassen sich alle anthropologischen Spezialgebiete zuordnen; er ist Grundlage für eine konsistente Vernetzung und Strukturierung ihrer Ergebnisse.
[Bearbeiten] Bekannte Anthropologen
- G. Acsadi
- Herbert Bach
- Johann Jakob Bachofen
- Gregory Bateson (Philosoph)
- Franz Boas
- Vladimír Boublík
- Alfred Czarnetzki
- Alexander Ecker
- Egon Freiherr von Eickstedt (NS-Rassentheoretiker)
- Paul Ekman
- Brian M. Fagan
- Fernando Ortíz Fernández
- Eugen Fischer
- Helen Fisher
- Marvin Harris
- Winfried Henke
- Bernd Herrmann (Anthropologe)
- Friedrich Keiter
- Karl Landsteiner
- Louis Leakey
- Mary Leakey
- Claude Lévi-Strauss
- Bertil Lundman
- Bronislaw Malinowski
- Rudolf Martin (Anthropologe)
- Margaret Mead
- Wilhelm Emil Mühlmann (NS-Rassentheoretiker)
- Karl Valentin Müller
- J. Nemeskeri
- Adolf Portmann
- Alfred Reginald Radcliffe-Brown
- Friedrich Wilhelm Rösing
- Karl Saller
- Friedemann Schrenk
- Rolf Schirm
- Otto Schoetensack
- Ilse Schwidetzky
- M. Stloukal
- Maria Teschler-Nicola
- Rudolf Vogl
- Viktor von Weizsäcker
- Fei Xiaotong
- Karl Landsteiner
- Eike-Meinrad Winkler
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellenangaben
- ↑ Viktor von Weizsäcker: Der Arzt und der Kranke. In: V. von Weizsäcker (Hrsg), Stücke einer medizinischen Anthropologie. Erschienen in: Die Kreatur, II. Jahrgang. 1927, Lambert Schneider; Berlin, Stuttgart: K.F. Koehler Verlag (1949): Seite 62-88
- ↑ Gerhard Medicus: Grundlagen der Anthropologie, Naturwissenschaftliche Rundschau (2006), 59: Heft 2, Seite 65-71
[Bearbeiten] Literatur
- Rainer Knußmann: Vergleichende Biologie des Menschen. Lehrbuch der Anthropologie und Humangenetik. 2., völlig neu berarb. Aufl., G. Fischer, Stuttgart 1996
- Rainer Knußmann (Hg.): Anthropologie. Handbuch der vergleichenden Biologie des Menschen. Bd. 1/I und 1/II, 1988 und 1992
- Wilhelm E. Mühlmann: Geschichte der Anthropologie. 4. Aufl. Aula, Wiesbaden 1986
- Ilse Schwidetzky: Das Menschenbild der Biologie. Ergebnisse und Probleme der naturwissenschaftlichen Anthropologie. G. Fischer, Stuttgart 1959 (2. Auflage 1970)
- Ilse Schwidetzky: Hauptprobleme der Anthropologie. Bevölkerungsbiologie und Evolution des Menschen. Rombach, Freiburg i.Br. 1971
- Ilse Schwidetzky: Rassen und Rassenbildung beim Menschen. Fischer, Stuttgart 1979
- Egon v. Eickstedt: Die Forschung am Menschen. 3 Bde., Enke, Stuttgart 1940-1962 (2643 S.)
- Ilse Schwidetzky: Geschichte der Anthropologie. In: Rainer Knußmann (Hg.): Anthropologie. Handbuch der vergleichenden Biologie des Menschen. Bd. 1/I, Stuttgart 1988, S. 47-126
- Ilse Schwidetzky: History of Biological Anthropology in Germany. International Association of Human Biologists, Occasional Papers, vol. 3, no. 4, Newcastle upon Tyne 1992
- Gisela Grupe u.a.: Anthropologie. Ein einführendes Lehrbuch . Springer, Berlin 2005 (490 S.)
- Uwe Hoßfeld: Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Nachkriegszeit. Steiner, Stuttgart 2005 (504 S.)
- Christoph Wulf: Anthropologie. Geschichte, Kultur, Philosophie. Rowohlt, Reinbek 2004. ISBN 3-499-55664-2
- Friedemann Schrenk, Timothy G. Bromage, Henrik Kaessmann: Die Frühzeit des Menschen. Zurück zu den Wurzeln. in: Biologie in unserer Zeit. 32.2002,6, S. 352-359. ISSN 0045-205X
- Winfried Henke, Hartmut Rothe: Menschwerdung. Fischer, Frankfurt M 2003. ISBN 3596155541.
- Werner Fuchs u. a. (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie. 2., verbesserte und erweiterte Aufl., Westdeutscher Verlag, Opladen 1978
- Zeno Bucher, "Die Abstammung des Menschen als naturphilosophisches Problem." Koenigshausen & Neumann, Würzburg 1992, ISBN 3-88479-721-2
- Marvin Harris, Menschen, DTV, München (1996), ISBN 3-423-30530-4.
- Rüdiger Zymner, Manfred Engel (Hg.): Anthropologie der Literatur. Poetogene Strukturen und ästhetisch-soziale Handlungsfelder. Paderborn: mentis 2004 (Poetogenesis. Studien und Texte zur empirischen Anthropologie der Literatur), ISBN 3-89785-451-1
[Bearbeiten] Weblinks
- Info Anthropologie
- Tatort deutsche Biowissenschaft. Anthropologie als Wegbereiter für NS-Vernichtungspolitik
- - das Moving Anthropology Student Network/Moving Anthropology Social Network (MASN) verbindet Studierende der Anthropologie und junge Akademiker aus ganz Europa
- Anthropologie Freiburg i. Br.
- Gesellschaft für Rechtsmedizin
- Masterstudiengang 'Transdisziplinäre Anthropologie' an der Universität Hildesheim