Benutzer:AT/Geschlechterkultur
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Geschlechterkulturen (englisch: gender cultures) ist ein Modell der betriebswirtschaftlichen Forschung im Bereich der Organisationskultur. In diesem Modell beschreiben die britischen Organisationsforscherinnen Su Maddock and Di Parkin[1] kulturelle Unterschiede, wie Frauen in verschiedenen Unternehmen behandelt werden. Sie sprechen von gender culture (geschlechtsspezifische Kultur), welche von Frauen besser wahrgenommen werden, als von Männer, weil besonders weibliches Verhalten und Ausdrucksweisen eingeschränkt werden. Dabei werden sechs Ausprägungen unterschieden.
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[Bearbeiten] Der Herrenclub
Den Herrenclub (The Gentleman's Club) betrachten Frauen als äußerst schwierig herauszufordern. In dieser Kultur sind Männer zuvorkommend und höflich. Frauen werden in traditionellen Rollen gehalten und auf die netteste Art bevormundet. Man erinnert sich an Geburts- und Namenstage genauso, wie an das erkrankte Kind der Sekretärin. Frauen setzen ihren Standpunkt in solchen Kulturen oft nicht energisch durch, „weil ... so ein netter Mann ist“.
Solange Frauen sich in ihren Rollen wohl fühlen, werden sie keine Probleme haben. Man erwartet aber auch nicht von ihnen, aus diesen Rollen auszubrechen. Werden Frauen zu fordernd, zu durchsetzungsstark und drängen auf Beförderungen oder Veränderungen, dann verlieren sie die freundliche (gentlemanly) Behandlung und werden zum Außenseiter gestempelt. Die Kultur erhält sich dadurch, dass Frauen wissen, was sie verlieren, wenn sie sich wehren.
[Bearbeiten] Der Kasernenhof
Diese Kultur herrscht in hierarchischen Organisationen vor, wo durchgehende Befehlsketten existieren. Der Kasernenhof (engl. barrack yard) wird mit dem Militär assoziiert, obwohl die Streitkräfte heutzutage modernere Managementsysteme aufzuweisen haben, als viele andere öffentliche oder private Organisationen. Der Kasernenhof ist eine Kultur, wo Untergebene angebrüllt werden, man aber nicht auf sie hört. Frauen - genau so wie Ausländer oder andere Minderheiten - werden verachtet. Es ist eine durch und durch autoritäre Kultur, die allein die Machthabenden akzeptiert.
[Bearbeiten] Die Umkleidekabine
Die Umkleidekabine (engl. locker room) ist eine ausschließende Kultur, wo Männer Beziehungen auf der Basis wechselseitiger Vereinbarungen und Annahmen aufbauen. Häufig wird über Sport gesprochen und sexuelle Anspielungen, die die Heterosexualität der Mitglieder unterstreichen. Ein Außenseiter kann durch Anspielungen in den Club aufgenommen werden, für Frauen ist das aber schwieriger.
„„Männer schließen Frauen immer noch von dem „Bierchen nach der Arbeit“ aus, man kann Frauen einfach nicht fragen, weil sonst jeder glaubt, man wolle etwas von ihr, selbst wenn man nur über Arbeit sprechen möchte.“ Men still exclude women form 'drinks-in-the-pub' and evening socializing, it's difficult asking a woman because everyone assumes you must fancy her even if all you want to do is talk about work“
– Male director of housing
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Ein Mann in einer Umkleidekabinen-Kultur mag Pin-Ups für harmlosen Spaß halten, hängt diese dann so, dass er jüngere Kolleginnen einschüchtert.
[Bearbeiten] Geschlechtsblinde Kultur
Die geschlechtsblinde Kultur (engl. gender-blind culture) entstand in den 1980ern, als Manager davon überzeugt wurden, dass es zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied gäbe. Daraus entstand die Idee, dass Frauen und Männer genau gleich ticken. Der geschlechtsblinde Blickwinkel ignoriert die Erfahrungen von Frauen, Farbigen und anderen Minoritäten vollständig und versteift sich auf die Behauptung, dass „jeder es schaffen kann, wenn er sich nur genug anstrengt“. So entstehen beispielsweise Schichteinteilungen für 24-Stunden-Arbeitsplätze ohne Rücksicht auf das erhöhte Gefahrenpotenzial für Frauen in Parkhäusern. Oft entstehen solche Kulturen aus einer männlichen Angst, Frauen offene Fragen zu stellen.
[Bearbeiten] Lippenbekenntnisse und feministische Heuchler
Organisationen, die Gleichberechtigungskampagnen (engl. equal opportunity policy) eingeführt haben, produzieren oft Lippenbekenner, denen feministische Parolen leicht von der Lippe gehen und die sich selbst als nicht-sexistisch betrachten, sowie Geschlechter-Heuchler, die ihren wahren Standpunkt verschleiern.
Typisch für Heuchler ist, dass oft genug die Regeln nach deren Einführung missachtet werden und wenig für die Gleichberechtigung getan wird . Die Kultur der Geschlechter-Heuchler und der Lippenbekenner ist eine, wo Männer und Frauen sich gegenseitig zu übertreffen suchen, wie denn Gleichberechtigung zu erreichen sei. Es entwickeln sich Hackordnungen, die sich daran orientieren, wo man auf einer Leiter von Frauen, Homosexuellen, Farbigen usw. steht. In solchen Kulturen entwickeln sich neue Formen der Unterdrückung. Wer nicht nach den Spielregeln spielt, wird abgewertet und unterdrückt.
[Bearbeiten] Gerissene Machos
Das Klima im britischen National Health Service (NHS) in den 1990ern und in anderen Organisationen, wo Effizienz vor allen anderen Kriterien betont wird, erzeugte den Tummelplatz für den gerissenen Macho-Manager. Diese Manager sind so besessen vom Erreichen ihrer Budget- und sonstiger Ziele, dass sie niemanden daran hindern, 80-Stunden-Wochen zu leisten, solange die gewünschten Ergebnisse geliefert werden. Diese neuen Manager sind extrem konkurrenzorientiert. Sie diskriminieren diejenigen, die nicht mithalten wollen oder können, indem sie diese Personen entlassen, herabstufen oder übergehen.
Es handelt sich im Grunde genommen nur um eine rücksichtslosere Form der geschlechterblinden Kultur. Oft sind die weiblichen wie männlichen Manager dieser neuen Art kinder- und beziehungslos, ohne feste Bindungen und höchst mobil.
[Bearbeiten] Folgerungen
Aus den geschlechterspezifischen Kulturbeschreibungen ziehen Su Maddock and Di Parkin[1] Folgerungen, die wertend und damit kontrovers sind. Das Thema kann nicht ohne Standpunkt diskutiert werden, da alle Leser eine primär männliche oder weibliche Position einnehmen. Die Wertungen stellen ein Fazit aus den untersuchten Kulturen dar. Die Darstellung nimmt eine relativ neutrale Position ein und lässt eine offene Diskussion zu.
Nach Maddock/Parkins Meinung spielen Führungskräfte eine wesentliche Rolle bei der Entstehung, dem Erhalt und der Veränderung von Geschlechterkulturen. Frauen passen sich den Kulturen an, ohne die Ursachen zu hinterfragen, konzentrieren sich aufgrund der Hoffnungslosigkeit auf ihre Kinder oder wechseln die Laufbahn. Viele Männer glauben, dass das Fehlen von Frauen in Führungspositionen nur an dem weiblichen Mangel an Ambitionen liege.
Oft fürchten auch Führungskräfte, dass eine Frau „plötzlich“ schwanger wird und sich dann eine nicht schließbare Lücke auftun würde. In Wirklichkeit planen Frauen ihre Schwangerschaften nach der Arbeit und nicht ihre Arbeit nach der Schwangerschaft. Zudem fehlen weibliche Führungskräfte selten mehr als 3 Monate wegen einer Schwangerschaft. All dies sind nur Rationalisierungen gegen Gleichberechtigung.Das Schwangerschaftsbeispiel ist nur ein Beispiel für geschlechterspezifische Kulturen. Häufig genug investieren Organisationen in ihre männlichen Führungskräfte, die dann prompt den Arbeitsplatz wechseln, ignorieren aber Frauen, die meist standortfester sind.
Alle geschlechterspezifischen Kulturen stellen Barrieren für Frauen dar und wirken verheerend auf die Organisation. Demokratische Organisationen entwickeln sich nur, wenn die Macht der Geschlechterkulturen anerkannt wird und sowohl von Männern als auch von Frauen herausgefordert wird.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ a b Su Maddock and Di Parkin; Gender cultures: women's choices and strategies at work in Jon Billsberry (ed.) The Effective Manager; The Open University, 1997