Bürgerferne
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Mit dem Schlagwort Bürgerferne wird eine Politik bezeichnet, die wenig bürgernah, sozusagen „über die Köpfe der Bürger hinweg“, betrieben wird. Kritisiert wird dabei vor allem, dass die Politik die Wünsche der Bevölkerung nur unzureichend berücksichtige, dass die Bürger nicht in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden seien und dass bestimmte politische Kreise keinen Kontakt zur Alltagserfahrung der restlichen Bevölkerung hätten und infolgedessen eine lebensfremde Politik verträten.
Ob der Vorwurf in einem gegeben Fall den Tatsachen entspricht oder eher einer gefühlsmäßigen Einschätzung entspringt, ist vielfach Interpretationssache und wird auch von verschiedenen Parteien bzw. Ebenen der Politik unterschiedlich ausgelegt.
Mitte des Jahres 2005 richtete sich der Vorwurf der Bürgerferne erstmals äußerst massiv (aber teilweise undifferenziert) gegen die EU-Politik im Allgemeinen und den EU-Verfassungsentwurf 2004 im Besonderen. Er führte bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden – noch verstärkt durch Probleme der Innenpolitik – zur Ablehnung der europäischen Verfassung und löste damit eine Identitätskrise der Union aus, die im Oktober 2005 bis in die Frage des Verhandlungsrahmens mit der Türkei (siehe türkischer EU-Beitritt) und die Präsidentenwahl in Polen hineinwirkte.
Die sogenannte „Nachdenkpause“ zur Erreichung einer größeren Bürgernähe der EU wird von einigen führenden Politikern zu eigenwilligen Wortmeldungen genützt, von anderen als zu „schläfrig“ kritisiert. Insbesondere populistische Parteien benutzen den Vorwurf der Bürgerferne häufig als Kritik an den Regierungsparteien, bzw. den sogenannten „etablierten“ Parteien.