Buddhismus in der Mongolei
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Der Buddhismus in der Mongolei ist ein tibetisch geprägter Buddhismus (Lamaismus).
Traditionell verehren die Mongolen den Himmel (den „klaren blauen Himmel“) und ihre Ahnen und folgten der alten nordasiatischen Praxis des Schamanismus, in der ein menschliches Medium in Trance verfällt um in und aus der Richtung einiger der zahllosen unendlichen Geister zu sprechen, die für das menschliche Schicksal verantwortlich sind.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Einflüsse
[Bearbeiten] Buddhismus
Der tibetische Buddhismus, der Elemente der Mahayana- und tantrischen Schulen des Buddhismus mit traditionellen tibetischen Heilungsritualen und Exorzismen verband, teilt das allgemeine buddhistische Ziel der individuellen Erlösung vom Leiden und des Kreislaufs der ewigen Wiedergeburt. Nach der Religion kann das Heil in der Erlösung vom Kreislauf der Wiedergeburten durch die Fürbitte der mitfühlenden Buddhas (Erleuchtete) errungen werden, die ihr eigenes Eingehen in den Zustand der selbstlosen Glückseligkeit (Nirwana) aufgeschoben haben, um andere zu retten. Solche Buddhas, von denen es eine große Anzahl gibt, werden in Wirklichkeit mehr als Götter, denn als erleuchtete Menschen verehrt und besetzen die Mitte eines reich bevölkerten polytheistischen Pantheons untergebener Gottheiten, feindlicher, bekehrter und verwandelter Dämonen, Wandergeister und heiliger Menschen, das die Volksreligionen der jeweiligen Gebiete reflektierte, in die der Buddhismus vorgedrungen war.
[Bearbeiten] Tantrismus
Dem Tantrismus entstammen geheime Techniken der Meditation und die Vielfalt an Heiligenbildern, Sprüchen und Gesten, die leicht pragmatisch (anstatt transzendent) und magisch interpretierbar sind. Die Religion geht in zunehmendem Maße Schritte vom Konkreten zum abstrahierenden Symbol. So wird ein Ritual, das ein normaler Yakhirt als direkten Exorzismus der Krankheitsdämonen wahrnimmt, von einem älteren Mönch als Repräsentation widerstreitender Tendenzen im Sinn eines meditierenden Asketen gedeutet.
Der mongolische Buddhismus kombinierte nun die bunten Volkszeremonien und Heilungsrituale der Massen mit dem Studium der Geheimlehre der Klosterelite. Die gelbe Sekte betonte im Gegensatz zu den konkurrierenden Sekten die Klosterdisziplin, den Gebrauch der Logik und die förmlichen Diskussion als Hilfsmittel der Aufklärung. Sie kombinierte die grundlegende buddhistische Lehre der Reinkarnation mit dem tantrischen Gedanken, der Buddhazustand könne bereits zu Lebzeiten einer Person erreicht werden, und schuf so eine Kaste von Führern, die als im Besitz des Buddhawesens und Reinkarnation vorhergegangener Führer verehrt wurden. Diese Führer, inkarnierte oder lebendige Buddhas genannt, besaßen die weltliche Macht und führten eine Körperschaft normaler Mönche oder Lamas (vom tibetischen Titel bla-ma, "der Verehrte"). Die Mönche wurden durch die Laien unterstützt, die sich somit religiöse Verdienste und von den Mönchen Unterweisung in den Grundlagen des Glaubens und der mönchischen Dienste beim Heilen, in der Weissagung und bei Bestattungen erwarben.
Der Buddhismus und das buddhistische Mönchtum haben in Mittel- und Südostasien stets eine bedeutende politische Rolle gespielt, und die buddhistische Gemeinschaft der Mongolei bildete keine Ausnahme. Kirche und Staat unterstützten einander, und die Lehre der Reinkarnation machte es den lebenden Buddhas leicht möglich, jeweils in den Familien der machthabenden mongolischen Adligen entdeckt zu werden.
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Der mongolische Buddhismus ist eine Klosterreligion. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, gab es in der äußeren Mongolei 583 Klöster und Tempelkomplexe, die schätzungsweise 20 % des Landes beherrschten. Fast alle mongolischen Städte sind in der Nähe von Klöstern entstanden. Yihe Huree, später als Ulaanbaatar bekannt, war Sitz des hochangesehenen lebenden Buddhas der Mongolei (Jebtsundamba Khutuktu, alias Bogdo Gegen, später Bogdo Khan), der nach dem Dalai Lama und Panchen Lama an dritter Stelle in der geistlichen Hierarchie rangierte. In den beiden größten Klöstern lebten etwa 13.000 und 7000 Mönche; ihr mongolischer Siedlungsname bei Außenstehenden war in vorrevolutonärer Zeit Urga, Yihe Huree, - Großes Kloster.
[Bearbeiten] Geschichte
1578 lud Altan Khan, ein mongolischer Heerführer, der den Ehrgeiz hatte, die Mongolen zu vereinen und Tschingis nachzueifern, das Haupt der sich ausbreitenden gelben Sekte des tibetischen Buddhismus zu einem Gipfel ein. Sie schlossen ein Bündnis, das Altan das Recht und die religiöse Legitimation für seine imperialen Ansprüche einräumte und das die buddhistische Sekte unter Schutz und Patronat stellte. Altan gab dem tibetischen Führer den Titel Dalai Lama (Ozean Lama), an dem auch seine Nachfolger festhalten. Altan starb bald darauf, doch verbreitete sich die gelbe Sekte im folgenden Jahrhundert in der Mongolei, teilweise unterstützt durch den Kampf mongolischer Aristokraten um die religiöse Legitimierung und Unterstützung der Massen für ihre letztlich erfolglosen Bemühungen, die Mongolen in einem gemeinsamen Staatswesen zu vereinen. In der gesamten Mongolei wurden Klöster errichtet, häufig an Handelswegen, Migrationsrouten oder den Sommerweiden gelegen, wo die Hirten sich zu schamanistischen Ritualen und Opfern versammelten. Die buddhistischen Mönche führten einen langwierigen Kampf gegen die eingeborenen Schamanen und folgten ihnen gleichsam in der Funktion als Heiler, Wahrsager und Abgabenempfänger und verdrängten die Schamanen religiös und kulturell.
Über die Jahrhunderte erwarben die Klöster Reichtümer und weltliche Abhängige; sie steigerten auf ihrer Seite stufenweise Vermögen und Macht, woraus auf Seiten des mongolischen Adels ein Absinken resultierte. Einige Adlige lieferten an Stelle ihrer Abgaben einen Teil ihrer abhängigen Familien –Menschen, anstelle von Land bildeten die Grundlage des Reichtums und der Macht in der alten Mongolei – an die Klöster; einige Hirten widmeten sich und ihre Familien dem Klosterdienst entweder aus Frömmigkeit oder dem Streben, den willkürlichen Forderungen des Adels zu entgehen. In einigen Gebieten waren die Klöster und ihre lebenden Buddhas (von denen es 1924 insgesamt 140 gab), auch die weltliche Behörde. In den 1920er Jahren gab es ungefähr 110.000 Mönche einschließlich Kinder, etwa ein Drittel der männlichen Bevölkerung, auch wenn eine große Zahl außerhalb der Klöster und nicht nach der Regel lebten. Etwa 250.000 Menschen, mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung, lebten entweder in durch Klöster und lebende Buddhas verwalteten Gebieten, oder waren Leibeigene der Klöster. 1911 mit dem Ende der chinesischen Vorherrschaft sah man in der buddhistischen Gemeinschaft und ihrem Klerus das einzig vorhandene politische System, und der autonom gewordene Staat nahm infolgedessen die Gestalt einer schwach zentralisierten Theokratie an, geführt von Jebtsundamba khutuktu in Yihe Huree.
Bis zum zwanzigsten Jahrhundert war der Buddhismus tief in die mongolische Kultur eingedrungen, und die Bevölkerung unterstützte bereitwillig Lamas und Klöster. Ausländische Beobachter hatten durchweg eine negative Meinung von den mongolischen Mönchen, die sie als faul, unwissend, korrupt und verdorben verurteilten, was das mongolische Volk jedoch anders sah. Die Mongolen kombinierten offenbar gemeinhin einen zynischen mit einem realistischen Antiklerikalismus, der sowohl die Störungen und die menschliche Fehlbarkeit der einzelnen Mönche oder Mönchsgruppen als auch den tiefen und unerschütterlichen Blick für die transzendenten Werte der Religion aufmerksam registrierte.
[Bearbeiten] Die Unterdrückung des Buddhismus
Als die Revolutionäre – in der Absicht, ihr Land zu modernisieren und seine Gesellschaft zu verbessern –die Macht übernahmen, standen sie einer massiven kirchlichen Struktur gegenüber. Ihr gehörte der größte Bevölkerungsteil an, die besaß das Monopol der Ausbildung und des Gesundheitswesens, in einem großen Teil des Landes der Rechtsprechung und kontrollierte den größten Teil des nationalen Vermögens. Die buddhistische Religionsgemeinschaft zeigte zudem keinerlei Interesse an Reformen oder an der Modernisierung des Landes. Daraus entspann sich ein langwieriger politischer Kampf, der die Macht und die Aufmerksamkeit der Partei und ihrer sowjetischen Berater für fast 20 Jahre absorbierte. 1934 zählte die Partei schließlich 843 buddhistische Zentren, ungefähr 3000 Tempel verschiedener Größe, und fast 6000 zugehörige Gebäude, die gemeinhin einzigen lokal fixierten Gebäude in einer Welt von Filzzelten. Das Jahreseinkommen der Religionsgemeinschaft betrug 31 Million Tugrik, das Staatseinkommen hingegen 37.5 Million Tugrik. Eine Parteiquelle behauptete, 1935 hätte der Anteil der Mönche 48 % der erwachsenen männlichen Bevölkerung ausgemacht. In einer Kampagne aus Taktieren, dem Wechsel zwischen Versöhnung und Verfolgung und bewaffneten von Mönchen und Äbten angeführten Aufständen wurde die buddhistische Religionsgemeinschaft allmählich aus der öffentlichen Verwaltung verdrängt, Steuern unterworfen, mit dem Verbot des Schulunterrichts, der Mönchsausbildung, sowie des Einsatzes lebender Buddhas belegt. Der Zeitpunkt der Kampagne fiel zusammen mit Josef Stalins Verfolgung der russische orthodoxen Kirche. 1938 – unter dem Vorwand, die Religionsgemeinschaft und die Klöster konspirierten mit den Japanern zugunsten eines panmongolischen Marionettenstaates – wurden die restlichen Klöster aufgelöst, enteignet und ihre Mönche säkularisiert. Die Klostergebäude wurden übernommen und zu lokalen Regierungsstellen oder Schulen umfunktioniert. Erst dann war die regierende Partei, die seit 1921 stufenweise einen Kader politisch zuverlässiger und weltlich gebildeter Verwalter geschaffen hatte, fähig, die Religionsgemeinschaft zu zerstören und den Reichtum des Landes und seine Bevölkerung für ihr Programm der Modernisierung und der sozialen Veränderung zu mobilisieren.
[Bearbeiten] Buddhismus heute
Spätestens Anfang der 1970er Jahre wurde ein Kloster, das Gandan Kloster, mit einer Gemeinschaft von 100 Mönchen, in Ulaanbaatar eröffnet. Es war das einzige seinem Zweck dienende Kloster des Landes. Einige alte Klöster überlebten als Museen; das Gandan Kloster diente als lebendes Museum und als Touristenattraktion. Zu seinen Mönchen zählten einige junge Männer, die eine fünfjähriges Ausbildung absolviert hatten, aber deren Motive und Auswahlmodus westlichen Beobachtern unbekannt blieben. Die Partei meinte offenbar, der Buddhismus stelle mittlerweile keine Herausforderung ihrer Herrschaft dar und der Buddhismus habe einen so wesentlichen Teil in Geschichte, Tradition, Kunst und Kultur des Landes gespielt, dass eine vollständige Entfernung des Wissens über Religion und ihre Praxis die modernen Mongolen zum Schaden ihrer nationalen Identität von ihrer Vergangenheit abschneiden würde. Einige betagte ehemalige Mönche wurden beauftragt, tibetischsprachige Handbücher über Kräuter und traditionelle Medizin zu übersetzen. Regierungssprecher bezeichnen die Mönche des Gandan Klosters als nützliche Arbeiten verrichtend.
Nach der politischen Wende erblühte der mongolische Buddhismus erneut. Das Gandan Kloster wurde zum Wallfahrtsort u.a. von Russen, Burjaten, Kalmüken und Tuwinen wie auch der Bewohner der autonomen chinesischen Inneren Mongolei. 140 Klöster mit heute ca. 2500 Mönchen wurden rekonstruiert. Der Dalai Lama ernannte 1991 den Tibeter Jampel Namdron Chokye Gyaltsen zum mongolischen geistlichen Oberhaupt und zur Inkarnation des 1924 verstorbenen Führers Jetsundamba Khutukhku. 2001 wird erstmals in einem Kloster mongolisch statt tibetisch als liturgische Sprache eingesetzt. Jüngste mit der Verkündung der Religionsfreiheit 1992 einher gehende christliche wie islamische Missionsbestrebungen verdächtigen Mönche, der Dalai Lama wie auch bestimmte Regierungsstellen als Versuche, die gesellschaftlichen Normen und Werte zu destabilisieren.
[Bearbeiten] Literatur
- M. Weiers (Hrsg.), Die Mongolen. Beiträge zu ihrer Geschichte und Kultur