Cem (Religion)
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Cem, eigentlich Cem Ayini, ist ein religiöses Ritual der Aleviten.
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[Bearbeiten] Herkunft des Wortes "Cem"
Das Wort wird im heutigen Türkischen für mehrere zusammenhängende Handlungen benutzt und hat entwicklungsgeschichtlich verschiedene Bedeutungen. Entwickelt hat es sich aus drei verschiedenen Wörtern aus dem Arabischen und aus dem Persischen:
- das arabische Wort dschamʿ (جمع) = Versammlung
- das persische Wort dschām (جام; Unipers: jâm) = Kelch
- der persische Name Dscham (جم) = männlicher Vorname aus der iranischen Mythologie: König Dschamschid (verkürzt: Dscham)
Aufgrund fehlender Laute im Türkischen werden alle drei Lehnwörter als Cem geschrieben und ausgesprochen.
Cem ayini ist eine Wortverdrehung des persischen āyina-ye dscham (Unipers: âyinaye jam), was wörtlich übersetzt Spiegel des Dschamschid bedeutet. In diesem Zusammenhang bedeutet es jedoch Ritual des Dschamschid. Der Spiegel steht im Sufismus, der islamischen Mystik, sowohl für die Nächstenliebe als auch für das Einswerden mit dem Göttlichen.
- ... Ich sah Gott in einen Traum und fragte ihn: "Wer bist du?" Er antwortete: "Du selbst!" ... -Mansur al-Halladsch
- ... Ich habe nach Gott gesucht und fand nur mich selbst. Ich habe nach mir selbst gesucht und fand nur Gott ... -Nur ud-Din Abd al-Rahman Dschami
[Bearbeiten] Sinngemäße Bedeutungen für die Aleviten
Das arabische Wort dschamʿ, Versammlung, findet sich auch im türkisierten Wort cemaat, Treffen oder Gemeinde, und wird unabhängig von religiösen Ritualen verwendet. In dieser Bedeutung entspricht Cem der muslimischen Moschee, hat aber nicht dieselbe Funktion.
Die beiden persischen Wörter stammen aus der iranischen und zoroastrischen Mythologie, welche die islamische Mystik ( Sufismus) stark beeinflusst hat. Als zusammenhängender Begriff Dschām-e Dscham (جام جم), Kelch des Dschamischid, haben die beiden Wörter eine sehr bedeutsame Symbolik in der persisch-islamischen Mystik und beziehen sich überwiegend auf das altiranische Neujahrsfest Nouruz, der bedeutendste Feiertag des Zoroastrismus. (siehe auch: Iranische Mythologie).
Der Dschām-e Dscham, welcher symbolisch die höchste Form der göttlichen Erkenntnis beschreibt, ist in der persischsprachigen, mystischen Poesie sehr beliebt. Derjenige, der aus dem Kelch trinkt, erlebt die gesamte Schönheit der göttlichen Schöpfung und verliert sich selbst im Göttlichen (wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine post-islamische "Erinnerung" der Perser an den alten Soma-Kult der Indoiraner). Von orthodoxen Muslimen wird diese Symbolik als Genuss von Alkohol und somit als unislamisch misinterpretiert, was immer wieder zu brutalen Verfolgungen der Sufis oder auch der Aleviten geführt hat.
Die ursprünglich rein symbolische Bedeutung des Dschâm-e Dscham wurde im Laufe der Zeit praktisch in die religiösen Rituale der Aleviten übernommen. So wird zum Beispiel während eines Cem (= arabisch dschamʿ, Versammlung) ein Kelch (= Cem = persisch dschām) herumgereicht und somit das Cem ayini (= persisch āyina-e dscham, Ritual des Dscham) "nachgespielt".
Ihren Weg in die religiösen Praktiken der Aleviten fanden diese Begriffe über persische Mystiker und Dichter, allen voran durch den zentralasiatischen Mystiker Baktāsch Wali, weswegen die Aleviten auch als Bektaşi-Aleviten oder Bektaşi-Kizilbasch bekannt sind.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Irène Mélikoff, Hadji Bektach, Un mythe et ses avatars. Genèse et évolution du soufisme populaire en Turquie., Leiden, 1998 [Islamic History and Civilization, Studies and Texts, volume 20], ISBN 9004109544
- Annemarie Schimmel, Sufismus - Eine Einführung in die islamische Mystik, München, 2000, ISBN 3406460283