Constantin Lipsius
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Johann Wilhelm Constantin Lipsius (* 20. Oktober 1832 in Leipzig, † 11. April 1894 in Dresden) war ein deutscher Architekt und Architekturtheoretiker des Historismus. Er war der Erbauer des Lipsius-Baus, des ehemaligen Kunstakademie- und Kunstausstellungsgebäudes auf der Brühlschen Terrasse in Dresden (1883–1894), in dem heute die Hochschule für Bildende Künste Dresden ihren Sitz hat.
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[Bearbeiten] Leben
Nach dem Gymnasium studierte Lipsius zunächst an der Dresdner Baugewerkeschule, danach am Bautelier der Dresdner Kunstakademie unter Georg Hermann Nicolai, dem Nachfolger Gottfried Sempers. Im Anschluss unternahm er eine Italienreise, auf der ihn besonders die Bauten in Venedig begeisterten. Danach hielt er sich in Paris auf und arbeitete kurz für Jakob Ignaz Hittorf. Hier setzte er sich auch mit dem Werk von Henri Labrouste, Charles Garnier und Eugène Viollet-le-Duc auseinander; der Einfluss der französischen Architektur ist in seinem späteren Schaffen sichtbar.
Zu Beginn der 1860er-Jahre nahm Lipsius an einer Reihe regionaler und nationaler Architekturwettbewerbe teil. Zugleich erweiterte er seine Kenntnisse beim Bau von Wohnhäusern und Restaurierungen. Sein Wettbewerbsbeitrag zum Bau der Dresdner Kunstakademie 1866 zeigt bereits Einzelheiten, die er in seinem endgültigen Entwurf rund 20 Jahre später wieder aufgreifen sollte. Sein preisgekrönter Entwurf zum Wiederaufbau des Leipziger Johannis-Hospitals brachte Lipsius den Titel eines Königlichen Baurats ein. 1874 wurde Lipsius zum Präsidenten der neu gegründeten Vereinigung Leipziger Architekten ernannt und übernahm die Leitung der Baugewerkeschule. 1877 begann er die Restaurierung der Thomaskirche, die bis 1889 andauerte. Sie gilt heute als bedeutendste Leistung ihrer Art in Sachsen.
In den späten 1870er-Jahren begann Lipsius mit August Hartel zusammenzuarbeiten. Sie entwarfen die Leipziger Peterskirche und die Johanneskirche in Gera und beteiligten sich 1882 mit einem Entwurf am zweiten Wettbewerb um den Bau des Deutschen Reichtags.
Als Georg Nicolai 1881 starb, wurde Lipsius zum Professor für Architektur an der Dresdner Kunstakademie ernannt. Kurz danach erhielt er den Auftrag, den gesamten Akademie-Komplex neu zu erbauen, was im Spiegel der damaligen Presse innerhalb kürzester Zeit zu einem kontrovers diskutierten Vorhaben wurde. Der Grund für die Auseinandersetzung war, dass das Gebäude als zu groß für den Bauplatz erachtet wurde. Dazu sahen viele Zeitgenossen es als mangelhafte Nachempfindung der Leipziger Neorenaissance-Bauten von Semper und Nicolai an.
Dass der Auftrag zudem ohne eine öffentliche Ausschreibung vergeben worden war, trug Lipsius erhebliche Missgunst ein. Die Meinungen über den Bau sind bis heute geteilt. Einige Anwohner stoßen sich an der ungewöhnlichen Glaskuppel und nennen sie die „Zitronenpresse“; dennoch steht der Bau zweifelsohne für die fortschrittlichste Architekturtheorie der ersten Hälfte der 1880-er Jahre in Europa. Er repräsentierte damals eine konservative Annäherung an die architektonische Sprache Gottfried Sempers, wie sie in der dekorativen Ausführung des Kunsthistorischen Museums Wien zu finden ist. Zugleich wandte Lipsius sich damit dem architektonischen Symbolismus als stilistische Erneuerung zu. Vor diesem Hintergrund wird die bizarre Glaskuppel zum Vorbild von nicht repräsentativer Architektur. Dieses Konzept, das Lipsius ausdrücklich auf die Theorien Gottfried Sempers bezieht, spiegelt die erste Phase des architektonischen Realismus wider. Kurz nach Vollendung des Akademie-Komplexes erschien er als ein groteskes, viel zu ornamental geratenes Ungetüm; der architektonische Realismus war bereits vorangeschritten und hatte im theoretischen Werk Otto Wagners viel schärfere Konturen erhalten. Die Ablehnung seines Hauptwerks in der Öffentlichkeit verbitterte Lipsius bis zu seinem Lebensende.
In den 1880er-Jahren wurde Lipsius zum stärksten Befürworter des Realismus; dieser nahm der sklavischen Nachahmung historischer Standardformen die Bedeutung, überdachte die ursprüngliche symbolische Kraft der Bauformen neu und versuchte damit, die zeitgenössische Architektur wiederzubeleben. Architekturrealisten in Deutschland, Österreich, Frankreich und in der Schweiz hofften so, dass eine Stilerneuerung sich organisch entwickeln würde. Diese Theorie wurde zum Ausgangspunkt der frühen Moderne und führte über den Jugendstil zu den späteren Entwicklungen im 20. Jahrhundert.
Nach seinem Tod folgte Paul Wallot, der Architekt des Reichstagsbaus, als Professor auf Lipsius’ Lehrstuhl.
[Bearbeiten] Werke
[Bearbeiten] Private Bauten
- Grabkapelle der Gräfin von Ebestein, Schönfeld (1855)
- Wohnhaus Ernst Keil, Königstraße, Leipzig (1860–1861)
- Wohnhaus Frege, Dörrienstraße in Leipzig (nicht datiert)
- Schloss Wetzelstein (Familie Frege), Saalfeld (nicht datiert)
- Spiegelhalle des Schützenhauses, Leipzig (1876)
- Café Felsche (Café Français), Augustusplatz in Leipzig (nicht datiert)
- Schloss Klein-Zschocher (Baron von Tauchnitz), Leipzig (nicht datiert)
- Kapelle Frege, Abtnaudorf bei Leipzig (1888–1889)
- Mausoleum für den Grafen von Fabrice, Dresden (1891–1893)
- Restaurant Baarmann, Katharinenstraße Leipzig (nicht datiert)
[Bearbeiten] Öffentliche Bauten
- Johannis-Hospital, Hospitalstraße Leipzig (1867–1872)
- Börse in Chemnitz (1864–1867)
- Ausstattung der Ausstellungshalle für die Kunstgewerbeausstellung, Leipzig (1879)
- Kunstakademie- und Ausstellungsgebäude (heute Lipsius-Bau), Dresden (1883–1894)
[Bearbeiten] Kirchen
- Kirche von Wachau, (1866–1867)
- Johanniskirche, Gera (nicht datiert)
- Petrikirche (mit August Hartel), Schletterplatz Leipzig (1877–1885)
- Nathanaelkirche (mit August Hartel), Leipzig-Lindenau (1882–1884)
[Bearbeiten] Restaurierungen
- Hotel Russie, Peterstraße Leipzig (nicht datiert)
- Turm der Jacobikirche, Oelsnitz (1866–1867)
- Stadt- und Pfarrkirche, Borna (1866–1868)
- St. Peter, Bautzen (nicht datiert)
- Schloss Hohenthal, Püchau (1873–1879)
- Thomaskirche, Leipzig (1878–1889)
- Goldene Pforte, Freiburg (1883–1889)
[Bearbeiten] Wettbewerbe
- Rathaus, München (1866)
- Kunstakademie Dresden, (1867) (Motto: „D. K. J. K.“)
- 1. Wettbewerb zum Reichstagsbau, Berlin (1872)
- St. Gertrud-Kirche, Hamburg (1880)
- 2. Wettbewerb zum Reichstagsbau, Berlin 1882 (Motto: „Das ist’s“)
[Bearbeiten] Miscellanea
- Festausstattung für den Besuch Wilhelm I., Leipzig (1875)
- Sockel der Reiterskulptur Augusts des Starken, Dresden (um 1890)
[Bearbeiten] Literatur
- Berry, J. Duncan: "Steinerne Glock gegen Zitronenpresse: Lipsius' Ikonologie der Kuppel," in: Gilbert Lupfer et al. (eds.), Der Blick auf Dresden. Die Frauenkirche und das Werden der Dresdner Stadtsilhouette (Dresden, 2005), S. 16-19. ISBN 3422065768
- Fritsch, Karl Emil Otto: Die Börse in Chemnitz. Erfunden von Constantin Lipsius, Architekt in Leipzig. In: Deutsche Bauzeitung 5 (1871), S. 370 + Tafeln.
- Fritsch, Karl Emil Otto: Zur Erinnerung an Constantin Lipsius. In: Deutsche Bauzeitung 24 (1895), S. 181-184, 186-187, 189-191, 194-195, 201-203.
- Helas, Volker: Sempers Dresden. Die Bauten und die Schüler (Dresden, 2003), S. 38, 42, 49-51, 71. ISBN 3930382954
- Kühn, Bernhard: Rede beim Begräbnis des Königl. Baurates und Professors an der Akademie der bildenden Künste Johann Wilhelm Constantin Lipsius in Dresden (Leipzig, 1894).
- Lier, H. A.: Constantin Lipsius. In: Allgemeine Deutsche Biographie, vol. 52 (1905), S. 5-7.
- Loeffler, Fritz: Das alte Dresden. 8th ed. (Leipzig, 1983), S. 389. ISBN 3865020003
- Rother, Wolfgang: Der Kunsttempel an der Brühlschen Terrasse. Das Akademie- und Ausstellungsgebäude von Constantin Lipsius in Dresden (Dresden/Basel, 1994). ISBN 3364002924
- Schumacher, Fritz: Strömungen in deutscher Baukunst seit 1800 (Braunschweig/Wiesbaden, 1982 [1935/1955]), S. 75. ISBN 3528086866
[Bearbeiten] Weblinks
- Dresden & Sachsen.de
- Kunstakademie Dresden
- Elbtal.com
- Staatliche Kunstsammlungen Dresden: Kunsthalle im Lipsius-Bau
- GermanArchitects.com
- Wiederherstellung des Lipsius-Bau, um 1998-2000
Personendaten | |
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NAME | Lipsius, Constantin |
ALTERNATIVNAMEN | Lipsius, Constantin Wilhelm Constantin |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Architekt und Architekturtheoretiker des Historismus |
GEBURTSDATUM | 20. Oktober 1832 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 11. April 1894 |
STERBEORT | Dresden |