Diazepam
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Steckbrief | |
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Name (INN) | Diazepam |
Wirkungsgruppe | Anxiolytikum; Benzodiazepin |
Handelsnamen | Valium®, Faustan®, Lamra®, Stesolid®, Valiquid®, Valocordin® und mindestens 120 weitere |
Klassifikation | |
ATC-Code | N05BA01 |
CAS-Nummer | 439-14-5 |
Rezeptpflicht: JA |
Fachinformation (Diazepam) | |
Chemische Eigenschaften | |
IUPAC-Name: 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl- 5-phenyl-1H-1,4-benzodiazepin-2-on |
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Summenformel | C16H13ClN2O |
Molmasse | 284.7 g/mol |
Diazepam ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der langwirksamen Benzodiazepine. Es wird insbesondere als Psychopharmakon zur Behandlung von Angstzuständen, in der Therapie epileptischer Anfälle und als Schlafmittel angewendet. Diazepam wurde allerdings auch als Lifestyle-Droge missbraucht - beschrieben u.a. im Rolling-Stones-Song Mother's Little Helper.
Diazepam wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die "Liste der unentbehrlichen Medikamente" aufgenommen, welche zum Ziel hat, allen Menschen weltweit Zugang zu den notwendigsten Arzneimitteln zu sichern.[1]
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Klinische Angaben
Diazepam wirkt anxiolytisch, antikonvulsiv, muskelrelaxierend und sedierend. Es besitzt eine lange Halbwertzeit (24-48 h). Auch seine Abbauprodukte sind pharmakologisch aktiv (Halbwertzeit 50-80 h). Der Abbau von Diazepam ist altersabhängig. Die Halbwertszeit beträgt bei Erwachsenen ca. 30 h, während sie bei 60- bis 90-Jährigen um die 80 h liegt.
[Bearbeiten] Anwendungsgebiete (Indikationen)
Neben seiner Anwendung zur symptomatischen Behandlung von akuten und chronischen Spannungs-, Erregungs- und Angstzuständen wird Diazepam in der Prämedikation vor chirurgischen und diagnostischen Eingriffen eingesetzt. Ebenso findet es als Muskelrelaxans und als Notfalltherapeutikum zur Behandlung epileptischen Grand-mal-Anfällen sowie zur Vermeidung von Grand-mal-Anfällen, falls Anzeichen vorher bemerkbar sind, Verwendung (siehe Antikonvulsivum).
[Bearbeiten] Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Diazepam wird über das Cytochrom P450-Enzymsystem (CYP 3A4) abgebaut. Hemmstoffe dieses Enzymsystems (z. B. Cimetidin) führen zu einem verlangsamten Abbau von Diazepam verbunden mit dessen verlängerter oder verstärkter Wirkung.
Diazepam verstärkt die Wirkung anderer Muskelrelaxantien sowie die Wirkung von Lachgas und Analgetika. Die Wirkung von Diazepam wird durch Alkohol verstärkt.
[Bearbeiten] Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)
Diazepam führt zu einer Reduktion des Skelettmuskeltonuses und zur Schläfrigkeit und beeinträchtigt dadurch das Reaktionsvermögen auf längere Zeit.
Diazepam kann bei regelmäßiger Einnahme über einen längeren Zeitraum insbesondere psychische, aber auch physische Abhängigkeit hervorrufen. Es ist bei regelmäßiger Anwendung zu äußerster Vorsicht zu raten! Das gilt nicht nur für die missbräuchliche Anwendung, sondern auch für den therapeutischen Dosisbereich. Es wird geschätzt, dass in Deutschland mehrere hunderttausend Menschen betroffen sind.
Beim plötzlichen Absetzen der Therapie nach längerer Anwendung können starke Entzugserscheinungen eintreten.
[Bearbeiten] Pharmakologische Eigenschaften
[Bearbeiten] Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)
Diazepam wirkt als allosterischer Modulator des GABAA-Rezeptors und verstärkt die Wirkung des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Dabei bindet Diazepam als Agonist an die Benzodiazepinbindungsstelle dieses Rezeptors (ein Chlorid-Ionenkanal) und bewirkt so seine konformationelle Änderung; diese erhöht die Rezeptor-Empfindlichkeit gegenüber GABA. Eine verstärkte GABA-Aktivität resultiert in einer erhöhten Öffnungsrate am Chloridkanal und damit in einem verstärkten Einstrom von Chloridionen in die Zelle. Die Erhöhung der intrazellulären Chloridkonzentration führt durch Hyperpolarisation zu einer verminderten Erregbarkeit der Zelle.
[Bearbeiten] Bioverfügbarkeit
Diazepam wird nach oraler Einnahme zu nahezu 100% resorbiert.
[Bearbeiten] Metabolismus
Die Verstoffwechslung umfasst vorwiegend die Schritte N-Demethylierung und Hydroxylierung und liefert die aktiven Abbaustoffe Desmethyldiazepam, Temazepam und Oxazepam.
[Bearbeiten] Toxikologie
Als Antidot (Gegengift) bei Vergiftungen mit Benzodiazepinen wird Flumazenil (Handelsname Anexate®) verwendet (ein spezifischer Antagonist).
[Bearbeiten] Chemie
Diazepam ist ein N-methyliertes Benzodiazepin. Als solches ist es durch eine Lactamstruktur gekennzeichnet. Diazepam wurde Mitte der 1950er Jahre erstmals durch Leo Sternbach (1908-2005) ausgehend von Chlordiazepoxid synthetisiert[2]. Alternativ dazu veröffentlichte Leo Sternbach einen Syntheseweg ausgehend von p-Chloranilin über 2-Amino-5-chlorbenzophenon und Glycinethylesterhydrochlorid[3].
[Bearbeiten] Geschichte
Diazepam wurde von Leo Sternbach entwickelt und erstmals 1963 von der Fa. F. Hoffmann-La Roche unter dem Handelsnamen Valium® auf den Markt gebracht. Nach Chlordiazepoxid (1960) war es das zweite Benzodiazepin.
[Bearbeiten] Rechtsstatus in Deutschland
Diazepam ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Aufführung in der Anlage III BtMG ein verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Davon ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III bis zu 1 vom Hundert als Sirup oder Tropflösung, jedoch nicht mehr als 250 mg je Packungseinheit, oder je abgeteilte Form bis zu 10 mg Diazepam enthalten. Der Umgang ohne Erlaubnis oder Verschreibung ist grundsätzlich strafbar. Weitere Informationen sind im Hauptartikel Betäubungsmittelrecht in Deutschland zu finden.
[Bearbeiten] Literatur
- L.H. Sternbach (1979). The Benzodiazepine Story. J. Med. Chem. 22:1
- Fachinformation für Valium, Roche Pharmaceuticals
- Bandelow, Borwin et al. Handbuch der Arzneimitteltherapie, Bd.1, Psychopharmaka, 2nd edition. Enke, 2004. ISBN 3-13-113041-5.
- Benkert, Otto et al. Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, 5th edition. Springer, 2003. ISBN 3-540-21893-9.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ WHO Model List of Essential Medicines (PDF-Datei, 450kB), 14. Edition (März 2005), Hrsg. Weltgesundheitsorganisation.
- ↑ Sternbach LH, et al. (1961): J. Org. Chem., 26: 4488-97
- ↑ Übersicht über Syntheseverfahren
[Bearbeiten] Weblinks
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