Dred Scott v. Sandford
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Dred Scott v. Sandford | ||||||
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Entschieden 6. März 1857 |
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Aussage | ||||||
Schwarze, ob sie Sklaven sind oder nicht, können nicht Bürger der Vereinigten Staaten werden. Damit fehlt dem Kläger die Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage. Der Kläger wird auch nach der Reise durch Gebiete, welche die Sklaverei abgeschafft haben, nicht von der Sklaverei befreit, da dies sonst die Eigentumsrechte seines Besitzers verletzen würde. |
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Positionen | ||||||
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Angewandtes Recht | ||||||
Verfassung der Vereinigten Staaten, 5. Zusatzartikel; Missouri-Kompromiss |
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Reaktion | ||||||
Abschaffung der Sklaverei durch Verabschiedung des 13. und 14. Zusatzartikels |
Dred Scott v. Sandford war ein Gerichtsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Das durch Chief Justice Roger B. Taney verkündete Urteil, das die Rechte der Sklavenhalter stärkte, wird von vielen als ein Hauptanlass für den Ausbruch des Amerikanischen Sezessionskriegs und der nachfolgenden Abschaffung der Sklaverei durch Verabschiedung von den Zusatzartikeln 13., 14. und 15. zur Verfassung der Vereinigten Staaten gesehen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Hintergrund
Dred Scott war ein Schwarzer, der von Weißen in Sklaverei gehalten wurde. Er wurde um 1833 von Dr. John Emerson, einem Chirurgen in der amerikanischen Armee, gekauft. Emerson diente für über zwei Jahre im Fort Armstrong im Bundesstaat Illinois, dessen Verfassung zu dem Zeitpunkt die Sklaverei schon abgeschafft hatte. 1836 wurde er zum Wisconsin-Territorium (heute Minnesota) versetzt, das entsprechend dem Missouri-Kompromiss ebenfalls als „frei“ galt. Während dieser Zeit heiratete Scott Marritt Robinson, was ihm in den sklavenhaltenden Südstaaten verwehrt gewesen wäre.
1837 wurde Emerson nach St. Louis im Bundesstaat Missouri versetzt. Er ließ aber Scott mit seiner Ehefrau für einige Monate im Wisconsin-Territorium und verlieh ihn dort an andere, obwohl der Missouri-Kompromiss in diesem Territorium die Sklavenhaltung verbot.
Emerson starb unerwartet im Dezember 1843, als Scotts Familie noch in St. Louis wohnte und durch ihn an andere ausgeliehen war, eine Situation, die sich auch nach Emersons Tod nicht änderte. Drei Jahre später versuchte Scott, sich von Emersons Witwe loszukaufen, sie lehnte dies allerdings ab. Im April 1846 reichte Scott Klage auf Entbindung von der Sklaverei ein.
[Bearbeiten] Verfahrensverlauf
[Bearbeiten] Vor den Gerichten Missouris
Die erste Klage wurde abgewiesen: Scott konnte nicht beweisen, dass er samt seinen Angehörigen wirklich der Familie Emerson gehörte. Ein zweites Verfahren wurde für Dezember 1847 angesetzt. Emersons Witwe legte beim Obersten Gerichtshof Missouris Berufung ein, verlor aber 1848. Ein erneutes Verfahren begann 1850. In diesem entschied die Jury zugunsten von Scott und seiner Familie. Emerson legte beim Obersten Gerichtshof Berufung ein und übergab anschließend die Verantwortung für den Fall an ihren Bruder, John F. A. Sanford aus dem Bundesstaat New York, der sie vor dem Gericht vertrat. Obwohl die Fallbezeichnung Scott v. Sandford lautet, war der Nachname des Beklagten tatsächlich Sanford. Der Name wurde falsch geschrieben und nie korrigiert. Der Oberste Gerichtshof hob das erstinstanzliche Urteil auf und erklärte, dass Scott weiter als Sklave gelte.
[Bearbeiten] Vor Bundesgerichten
Scott verklagte Sanford auf 9.000 US-Dollar wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Das Ziel dieser Klage war weniger der Schadensersatz als die erhoffte Feststellung des Gerichts, dass Scott wirklich frei war. Sanford, der Scott unter seiner Kontrolle hatte, wäre der Freiheitsberaubung nur dann schuldig gewesen, wenn Scott nicht mehr als Sklave gegolten hätte. Das Gericht war also gezwungen, durch ein Urteil in der Klage auch nochmal den Status Scotts zu überprüfen. Dass dieser Klage überhaupt vor einem Bundesgericht verhandelt werden konnte, lag daran, dass sich Scott selbst als Bürger Missouris ansah, Sanford aber in New York wohnte. Die Verfassung sieht vor, dass für Klagen zwischen Bürgern verschiedener Bundesstaaten die Bundesgerichte zuständig sind. Sanford lehnte die Zuständigkeit allerdings ab und beantragte vor Gericht die Abweisung der Klage, da Scott als Schwarzer kein Bürger Missouris wäre und damit auch keine Zuständigkeit der Bundesgerichte gegeben sei. Dem schloss sich der Bundesrichter Robert W. Wells allerdings nicht an und ordnete die Aufnahme des Gerichtsverfahrens an.
Während des Hauptverfahrens gab Sanford zu, bei Scott die „Hand leicht angelegt“ zu haben, behauptete aber auch, dass er als Besitzer des Sklaven durchaus das Recht dazu hatte. Die Jury wurde vom Richter angewiesen, die Tatsachen nach dem Recht Missouris zu beurteilen. Da der Oberste Gerichtshof Missouris bereits festgestellt hatte, dass Scott weiterhin Sklave sei, befand die Jury im Mai 1854 zugunsten Sanfords.
[Bearbeiten] Vor dem Obersten Gerichtshof
Scott legte im Dezember 1854 Berufung beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ein mit der Begründung, dass Wells bei seiner Juryanweisung fehlerhaft gehandelt hatte. Der Gerichtshof nahm die Berufung an und setzte eine viertägige mündliche Verhandlung für den Februar 1856 fest. Die Vertreter beider Parteien beschäftigten sich mit den Fragen, ob Schwarze als Bürger der Vereinigten Staaten gälten, ob der Kongress in den Bundesterritorien die Sklaverei abschaffen könne und ob der Missouri-Kompromiss verfassungswidrig sei. Das Gericht vertagte die Entscheidung noch einmal für ein weiteres Jahr und setzte eine weitere mündliche Verhandlung für den Dezember 1856 an, in der zwei Fragen geklärt werden sollten:
- War das Bundesgericht für den Fall und dessen Entscheidung zuständig? Lag also eine Klagebefugnis vor?
- Sollte die Klagebefugnis gegeben sein: War dann das Urteil fehlerhaft?[1]
Das Gericht stellte zunächst fest, ob es für den Fall überhaupt zuständig sei. Der 3. Artikel, 2. Abschnitt, 1. Satz der Verfassung der Vereinigten Staaten bestimmte, dass sich die Bundesgerichtsbarkeit auf Streitigkeiten zwischen Bürgern verschiedener Bundesstaaten erstreckte. Dazu befand das Gericht, dass Scott kein Bürger eines Bundesstaates im Sinne der Verfassung sei, wie dieser Begriff zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verfassung verstanden wurde, und damit kein Recht habe, in den Bundesgerichten Klage einzureichen.[2] Ob eine Person zum Zwecke der Feststellung einer Klagebefugnis als Bürger eines Bundesstaates gelte, war für das Gericht eine ausschließlich auf Bundesebene zu beantwortende Frage. Damit war es Bundesstaaten also auch verwehrt, nach der Verabschiedung der Verfassung eigenmächtig festzulegen, wer als ihr Bürger galt. Stattdessen konnte diese Feststellung nur durch die Bundesgerichte erfolgen. Es war also völlig unerheblich, ob Missouri Scott als Bürger ansah oder nicht.
Die einzige relevante Frage war danach nur noch, ob Scott vielleicht als Bürger der Vereinigten Staaten vor der Verabschiedung der Verfassung gelten könnte. Auch diese Möglichkeit wurde allerdings vom Gericht verneint. Es stellte vielmehr fest, dass alle Schwarzen zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verfassung als „Wesen einer unteren Ordnung“ betrachtet worden seien, die auch „allgemein nicht mit den Fähigkeiten ausgestattet sind, sich mit der weißen Rasse, ob politisch oder gesellschaftlich, zu assoziieren, und auch soweit untergeordnet sind, dass sie keine Rechte hätten, die der weiße Mensch respektieren müsste.“[3]. Dagegen argumentierte Curtis in seinem Sondervotum damit, dass viele freie Schwarze Bürger von fünf Bundesstaaten waren und sogar an den Ratifikationsabstimmungen für die Verfassung teilnahmen.
Das Gericht benutzte ein argumentum ad consequentiam, ein Urteil zugunsten Scotts hätte unerträgliche Folgen:
“It would give to persons of the negro race, [...] the right to enter every other State whenever they pleased, [...] the full liberty of speech in public and in private upon all subjects upon which its own citizens might speak; to hold public meetings upon political affairs, and to keep and carry arms wherever they went[4]”
„Es würde den Personen der Negerrasse das Recht geben, nach Belieben jeden Bundesstaat zu betreten, die vollständige Meinungsfreiheit in der Öffentlichkeit und im Privaten in allen Themen, zu denen seine [des Bundesstaats] eigenen Bürger sprechen könnten, auszuüben, öffentliche Versammlungen zu politischen Themen abzuhalten und Waffen zu besitzen und zu tragen.“
Auch wenn das Gericht seine Zuständigkeit für Scotts Fall abgelehnt hatte, erklärte es trotzdem, dass er kein freier Mann sei, obwohl er längere Zeit in Minnesota gelebt hatte. Das Gericht begründete dies damit, dass dem Kongress die Kompetenz fehlte, den Missouri-Kompromiss zu verabschieden.[5] Damit ist dieser nichtig und kann auch nicht von den Gerichten angewandt werden. Diese Interpretation stützte sich sowohl auf der Ansicht, dass der Kongress nur bedingt Gesetze für Bundesterritorien erlassen konnte, als auch auf den 5. Zusatzartikel der Verfassung, welcher indirekt Gesetze verbot, die Sklavenhaltern beim Eintritt in Bundesterritorien ihr Eigentum, also die Sklaven, entzogen. Außerdem entschied das Gericht, ohne dass diese Frage im Fall aufgeworfen wurde, dass die Parlamente in den Territorien auch keine Befugnis hatten, die Sklaverei abzuschaffen.
Dies war erst das zweite Mal, dass der Gerichtshof seit dem Grundsatzurteil im Verfahren Marbury v. Madison ein Bundesgesetz als verfassungswidrig erklärt hatte. Richter Curtis schrieb in seinem Sondervotum, dass das Gericht nach der Feststellung der nichtvorhandenen Zuständigkeit den Fall einfach hätte abweisen müssen.
Sechs Richter schlossen sich der Meinung des Vorsitzenden Taney an, Nelson stimmte dem Ergebnis, aber nicht der Begründung zu. Die Richter Curtis und McLean trugen das Urteil nicht mit.
[Bearbeiten] Auswirkungen
Das Urteil war der Höhepunkt einer politischen Bewegung, die Sklavenhaltung in den Vereinigten Staaten zu erweitern. Als Folge der Vergrößerung der Territorien und der daraus resultierenden Aufnahme neuer Bundesstaaten und des Missouri-Kompromisses war ein Machtverlust für die Südstaaten vorauszusehen, da die Sklaverei in allen neuen Staaten verboten sein würde. Daher versuchten Politiker in der Demokratischen Partei, den Missouri-Kompromiss aufzuheben, womit sie durch die Verabschiedung des Kansas-Nebraska Acts auch erfolgreich waren. Das Gesetz erlaubte jedem neuen Bundesstaat südlich des 40. Breitengrads selbst zu entscheiden, ob die Sklaverei erlaubt oder verboten sein sollte. Mit dem Dred-Scott-Urteil des Gerichtshofs war es nunmehr jedem Territorium und Bundesstaat möglich, eigenständig über die Sklaverei zu entscheiden.
Obwohl Richter Taney glaubte, dass die Sklavenfrage mit dem Verdikt endgültig beantwortet wäre, erreichte er damit doch das vollkommen entgegengesetzte Ergebnis. Im Norden einte es vielmehr die Gegner der Sklaverei, ermunterte sezessionistische Elemente in den Südstaaten dazu, noch größere Forderungen zu stellen, zersplitterte die Demokratische Partei landesweit und kräftigte die Republikanische Partei.
Die Söhne Peter Blows, des ersten Besitzers Dred Scotts, erkauften seine Freiheit und die seiner Familie am 26. Mai 1857. Scott verstarb knapp ein Jahr später, am 17. September 1858, an Tuberkulose.
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ Urteil, S. 400
- ↑ Urteil, S. 427
- ↑ Urteil, S. 407: beings of an inferior order, and altogether unfit to associate with the white race, either in social or political relations, and so far inferior that they had no rights which the white man was bound to respect'
- ↑ Urteil, S. 417
- ↑ Urteil, S. 451 f.
[Bearbeiten] Literatur
- Dred Scott Case. In: The Columbia Encyclopedia. Sixth Edition. 2001 (englisch, hier online).
- Don Edward Fehrenbacher: The Dred Scott Case: Its Significance in American Law and Politics. Oxford University Press, Columbia, Missouri 2001, ISBN 0-19-514588-7 (englisch).
- Don Edward Fehrenbacher: Slavery, Law, and Politics: The Dred Scott Case in Historical Perspective. Oxford University Press, New York, New York 1981, ISBN 0-19-502883-X (englisch).
- Paul Finkelman: Dred Scott v. Sandford: A Brief History with Documents. Bedford Books, Boston, Massachusetts 1997, ISBN 0-312-12807-X (englisch).
- Kermit L. Hall: The Oxford Guide to United States Supreme Court Decisions. Oxford University Press, New York, New York 1999, ISBN 0-19-511883-9 (englisch).
- Kenneth C. Kaufman: Dred Scott’s Advocate: A Biography of Roswell M. Field. University of Missouri Press, Columbia, Missouri 1996, ISBN 0-8262-1092-9 (englisch).
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