Gaußscher Integralsatz
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Der gaußsche Integralsatz, auch Satz von Gauß-Ostrogradski, Satz von Gauß oder Divergenzsatz, ist ein Ergebnis aus der Vektoranalysis. Er stellt einen Zusammenhang her zwischen der Divergenz eines Vektorfeldes und dem durch das Feld vorgegebenen Fluss durch eine geschlossene Oberfläche.
Der gaußsche Integralsatz folgt als Spezialfall aus dem Satz von Stokes, der wiederum den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung verallgemeinert.
[Bearbeiten] Formulierung des Satzes
Sei kompakt mit abschnittsweise glattem Rand (S). Der Rand sei orientiert durch ein äußeres Normalen-Einheitsfeld
. Sei ferner
ein stetig differenzierbares Vektorfeld auf einer offenen Umgebung von V. Dann gilt
mit der Abkürzung .
[Bearbeiten] Bedeutung
Der gaußsche Integralsatz findet in vielen Bereichen der Physik Anwendung, vor allem in der Elektrodynamik und der Fluiddynamik.
Im letzteren Fall wird die Bedeutung des Satzes besonders anschaulich. Nehmen wir an, das Vektorfeld beschreibt fließendes Wasser in einem gewissen Raumbereich. Dann beschreibt die Divergenz von
gerade die Stärke von Quellen und Senken in einzelnen Punkten. Möchte man nun wissen, wie viel Wasser aus einem bestimmten Bereich V insgesamt herausfließt, so ist intuitiv klar, dass man folgende zwei Möglichkeiten hat:
- Man untersucht, wie viel Wasser durch die Oberfläche von V aus- und eintritt. Dies entspricht dem Oberflächenintegral.
- Man bilanziert, wie viel Wasser insgesamt innerhalb von V verschwindet und hinzukommt, addiert also die Effekte von Quellen und Senken. Dies wird gerade durch das Volumenintegral über die Divergenz realisiert.
Der gaußsche Integralsatz besagt, dass tatsächlich beide Möglichkeiten gleichermaßen zum Ziel führen. Er hat damit den Charakter eines Erhaltungssatzes.
Ein sehr bildhaftes Anwendungsbeispiel des gaußschen Integralsatzes ist der mathematisch versierte Jäger auf der winterlichen Wildschweinjagd: Er wird, um festzustellen, ob sich in einem freistehenden Wäldchen noch Wildschweine befinden, nicht in das Wäldchen hineinlaufen und die Tiere aufscheuchen, sondern er zählt die herausführenden und die hineinführenden Spuren und weiß, durch Differenzbildung, wie viele Wildschweine sich noch in dem Wäldchen befinden (wir haben hier Wildschweinquellfreiheit im Unterraum „Wäldchen“ vorausgesetzt).
[Bearbeiten] Geschichte
Der Satz wurde wahrscheinlich zum ersten Mal von Joseph Louis Lagrange im Jahre 1762 formuliert und unabhängig davon später von Carl Friedrich Gauß (1813), George Green (1825) und Michail Wissilowitsch Ostrogradski (1831) neu entdeckt. Ostrogradski lieferte auch den ersten formalen Beweis.