Gerhard Kittel
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Gerhard Kittel (* 23. September 1888 in Breslau; † 11. Juli 1948 in Tübingen) war ein deutscher evangelischer Theologe (Neutestamentler).
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[Bearbeiten] Leben
Kittel war der Sohn des Professors für Altes Testament Rudolf Kittel. Er besuchte in Leipzig das König Albert-Gymnasium und studierte dort 1907-1912 Theologie und orientalische Sprachen. Weitere Studienorte waren Tübingen, Berlin und Halle. 1913 promovierte und habilitierte er in Kiel. Im 1. Weltkrieg amtierte er als Marinepfarrer, 1917 wurde er Privatdozent in Leipzig und leitete das kirchliche Religionsseminar, bis er 1921 außerordentlicher Professor wurde. Er wurde im selben Jahr zum ordentlichen Professor für Neues Testament nach Greifswald berufen und übernahm 1926 den Lehrstuhl Adolf Schlatters in Tübingen. Hier veröffentlichte er Studien und Aufsätze zu historischen und religionsvergleichenden Forschungen über das antike Judentum und das palästinische Urchristentum. Dabei interessierte weniger „die rassische oder politische Fragestellung, sondern ... die religiöse, ... das Verhältnis von Israel, Judentum und Christentum zueinander“ [1]. 1933 übernahm er die Neuherausgabe des Wörterbuches von Hermann Cremer und Julius Kögel.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten trat er im Mai 1933 in die NSDAP ein und saß im Führerrat der Universität. Mit dem 1933 herausgegebenen Aufsatz „Die Judenfrage“ beteiligte er sich an der nationalsozialistischen Ausgrenzungspolitik der jüdischen Bevölkerung, und erfuhr von jüdischer (Martin Buber) wie auch christlicher Seite (Ernst Lohmeyer) Widerspruch. 1935 gehörte Kittel zu den Mitbegründern des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland und war seit 1936 Mitarbeiter der Münchner Zweigstelle des Instituts zur Erforschung der Judenfrage. Vom Herbst 1939 bis April 1943 hatte er zusätzlich den Lehrstuhl für Theologie in Wien inne. 1945 wurde Kittel von den Franzosen verhaftet, des Amtes enthoben, in Balingen interniert und 1946 wieder freigelassen. Bis 1948 unterstand er einem Aufenthaltsverbot für Tübingen.
1946 bis 1948 war er Seelsorger in Beuron. Kurz nach seiner Rückkehrerlaubnis nach Tübingen starb er vor der Aufnahme des Spruchkammerverfahrens.
So tragisch die Biografie Kittels ist, so unbestritten wertvoll bleiben die Erträge seiner wissenschaftlichen Arbeit. Besondere Bedeutung hat das von ihm herausgegebene "Theologische Wörterbuch zum NT" (ThWNT).
[Bearbeiten] Werke
- Die Oden Salomos. Überarbeitet oder einheitlich? (Diss. Kiel 1913), 1914
- Jesus als Seelsorger, 1917
- Rabbinica, 1920
- Das Religionslehrer- Seminar in Leipzig. Aufbau u. Ziele im Auftrag des Christl. Volksdienstes dargestellt, 1921
- Die religiöse und die kirchliche Lage in Deutschland, 1921
- Seelsorge an jungen Mädchen, 1925
- Urchristentum-Spätjudentum-Hellenismus. Akademische Antrittsvorlesung vom 28.10. 1926 in Tübingen, 1926
- Jesus und die Juden, 1926
- Die Probleme des palästinischen Spätjudentums u. das Urchristentum, 1926
- Die Judenfrage, 1933
- Kirche und Judenchristen, 1933
- Ein theologischer Briefwechsel (mit Karl Barth), 1934
- Christus u. Imperator. Das Urteil der Ersten Christenheit über den Staat, 1939
- Die historischen Voraussetzungen der jüdischen Rassenmischung, 1939
- Dichter, Bibel und Bibelrevision, 1939
- Meine Verteidigung. Neue, erweiterte Niederschrift, 1946
- Der Jakobusbrief und die Apostolischen Väter. (Aus dem Nachlaß veröff. v. Karl Heinrich Rengstorf), in: ZNW 43, 1950/51, 54-112
[Bearbeiten] Literatur
- Robert P. Erickson: Theologian in the Third Reich: The Case of G. K. In: Journal of Contemporary History 12, 1977, 595-622
- Kurt Schubert: Möglichkeiten und Grenzen des christlich-jüdischen Gesprächs. In: Kairos 29, 1987, 129-146, bes. 141f
- Otto Michel: Das wissenschaftliche Vermächtnis G. Kittels. In: DtPfrBl 58, 1958, 415-417
- Leonore Siegele-Wenschkewitz: Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. G. Kittels theol. Arbeit im Wandel dt. Geschichte. 1980
- Leonore Siegele-Wenschkewitz: Mitverantwortung und Schuld der Christen am Holocaust. In: EvTH 42, 1982, 171-190
- Eberhard Röhn/ Jörg Thierfelder: "Juden-Christen-Deutsche", Band 4/II 1941-1945, 349-354, Calwer Verlag, 2007
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Gerhard Friedrich in: ThLZ 74 (1949), 171-175
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Gerhard Kittel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
Personendaten | |
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NAME | Kittel, Gerhard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher evangelischer Theologe |
GEBURTSDATUM | 23. September 1888 |
GEBURTSORT | Breslau |
STERBEDATUM | 11. Juli 1948 |
STERBEORT | Tübingen |