Gesamtänderung der Bundesverfassung
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Eine Gesamtänderung der Bundesverfassung bezeichnet eine grundlegende Novelle der Österreichischen Bundesverfassung, insbesondere des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG). Eine Gesamtänderung muss zwingend vom Bundesvolk per Volksabstimmung genehmigt werden.
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[Bearbeiten] Gesetzestext
Die relevante Gesetzesnorm ist Art 44 Abs 3 B-VG:
- Jede Gesamtänderung der Bundesverfassungs, eine Teiländerung aber nur, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates verlangt wird, ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42, jedoch vor der Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen.
[Bearbeiten] Bedeutung
Entgegen dem Wortlaut ist mit Gesamtänderung aber nicht die Änderung der gesamten Verfassung, also dem Austausch der bestehenden Verfassung durch eine neue gemeint. Es bezieht sich vielmehr auf eine Änderung oder Beseitigung eines oder mehrerer der Baugesetze der Verfassung. Diese Baugesetze sind:
- Das bundesstaatliches Prinzip
- Das demokratisches Prinzip
- Das gewaltenteilendes Prinzip
- Das liberale Prinzip
- Das rechtsstaatliches Prinzip
- Das republikanische Prinzip
Sollen diese eingeschränkt oder überhaupt beseitigt werden, so darf dies nur nach Genehmigung durch das Volk per Volksabstimmung erfolgen.
[Bearbeiten] Anwendung
Die Norm hat seit Bestehen der Bundesverfassung erst einmal dazu geführt, dass tatsächlich eine Volksabstimmung auf ihrer Grundlage durchgeführt wurde. Dies war der Fall bei der Abstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 12. Juni 1994, die vom Volk mit 66,6 % Jastimmen angenommen wurde. Aufgrund der mit dem Beitritt verbundenen tiefgreifenden Eingriffe in mehrere der Prinzipien war die Volksabstimmung notwendig gewesen; aus politischen Gründen wäre sie wohl aber auch ohne Pflicht dazu durchgeführt worden. Betroffen vom Beitritt waren insbesondere das demokratische Prinzip (Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen an die demokratisch nicht direkt legitimierten EU-Organe), das rechtsstaatliche Prinzip (da das davor gültige Normprüfungsmonopol des Verwaltungsgerichtshofes teilweise an europäische Instanzen übertragen wurde) sowie das bundesstaatliche Prinzip (Aufgrund der Übertragung von Landeskompetenzen an EU-Organe).
Aufgrund dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings 2001 – erstmalig – eine andere Verfassungsbestimmung wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben.
[Bearbeiten] Quelle
- Theo Öhlinger: Verfassungsrecht. WUV Universitätsverlag. Wien, 2003. ISBN 3-85114-766-9.
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