Indische Mythologie
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Die indische Mythologie beruht weitgehend auf den Vorstellungen des Hinduismus. Sie lässt sich zurückführen bis auf die Hymnen des Rigveda (ab 1200 v.Chr.), die Epen wie das Mahabharata (400 v.Ch. bis 400 n.Ch.) und das Ramayana sowie die Puranas.
Der indische Götterhimmel hat jedoch durchaus eine Wandlung durchgemacht. Die alten vedischen Götter wie Indra, Agni und Varuna wurden im Laufe der Zeit verdrängt durch Shiva, Vishnu und Krishna. Vishnu wird zwar auch schon im Veda erwähnt, hatte jedoch nicht diesen hohen Stellenwert, Shiva findet unter dem Namen Rudra Erwähnung und der heute populäre Name Krishna tauchte erst später auf.
Der Hinduismus beruht auf der Vorstellung der permanenten Wiedergeburt (Reinkarnation), dem ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen (Samsara). Diese Vorstellung gilt auch für das Auftreten der Götter. Die Götter manifestieren sich in der irdischen Welt in Form von Inkarnationen (Avatars). Sie kommen in die Welt, um den Dharma (kosmisches Gesetz) zu schützen. Das beste Beispiel ist Vishnu, der in zehn Inkarnationen verehrt wird. Der beliebteste der indischen Helden, Rama zum Beispiel gilt wie auch Krishna als eine in menschlicher Gestalt erscheinende Inkarnation des Gottes Vishnu.
Die höchsten indischen Götter bilden die Trimurti oder Dreieinigkeit. Es sind die drei Götter Brahma (der Schöpfer), Vishnu (der Erhalter) und Shiva (der Zerstörer). Ihre Gattinen sind Sarasvati (Göttin der Weisheit), Lakshmi (Göttin des Glück) und Parvati, die auch als Durga oder Kali (die Schwarze) verehrt wird. Ganesha, der beliebte elefantenköpfige Gott, ist der Sohn von Shiva und Parvati. Maya ist die Göttin der Illusion. Im Shaktismus wird Gott in weiblicher Form (Shakti) als das Höchste verehrt.
[Bearbeiten] Bedeutung
Die am meisten verbreiteten Werke der indischen Mythologie sind das Ramayana, das Mahabharata und die verschiedenen Puranas, wobei jede hinduistische Glaubensrichtung ihre eigenen Hauptwerke hat, etwa Anhänger des Vishnu und Krishna das Bhagavatapurana und Anhänger der Göttin das Devi Bhagavata und Markandeyapurana. Offiziell haben diese Werke nicht den Stellenwert der Veden und Upanishaden, in der Praxis aber sind sie es, die den Gläubigen das gesamte religiöse Wissen vermitteln. Vordergründig erzählen die meist märchenhaften Geschichten von Kampf und Abenteuer der Vorzeit, von Göttern, Helden und Dämonen - von unzähligen menschlichen Schicksalen. Für den jedoch, der sich ernsthaft darauf einlässt, eröffnet sich in der Vielschichtigkeit ein Quell tiefster Weisheit in einfacher Sprache. Vieles in diesen Erzählungen mag der Phantasie entspringen - im Kern jedoch findet sich viel Historisches: Sie tradieren die Geschichte des Landes sowie der Vorfahren und verherrlichen deren Taten. Mündlich auf dem ganzen indischen Subkontinent durch Jahrhunderte weitergetragen, sind sie noch heute äußerst lebendig. Hörten die Kinder früher bei Eltern und Großeltern die alten Geschichten, ist es heute das Fernsehen, das sie unzählige Male bringt oder bunte Comics in Fortsetzungen. Alle Sparten der Kunst setzen sich immer wieder mit diesen Werken auseinander.
[Bearbeiten] Bildsprache
Die hinduistische Mythologie verfügt über eine reiche Bildersprache, sie hat unzählige Symbole, die immer wiederkehren und die unzählige Erklärungsmodelle zulassen, historische, philosophische und psychologische ebenso wie esoterische. Ein Beispiel ist die Lotusblüte: Als Wassersymbol steht sie für den Ursprung des Lebens sowie für Reinheit, das Öffnen der Blätter bei Sonnenschein erinnert an das Öffnen des Geistes durch das göttliche Licht - was sie zum Zeichen für Weisheit und Erkenntnis macht. Die verschiedenen Stadien der Blüte erinnern an die Stadien der Evolution und ihre Schönheit ist sprichwörtlich. Sie ist eines der am häufigsten verwendeten Merkmale der hinduistischen Bildsprache, viele Götterdarstellungen sind mit ihr verbunden.
Immer wieder finden sich in der Symbolik auch Waffen. Das Schwert etwa (Messer, Axt, Lanze) ist, wie alle Kriegsgeräte, nicht nur ein Zeichen des Todes, sondern auch der Erlösung: die Göttinnen Durga und Kali sowie der Gott Shiva mit seinem Dreizack vernichten auf mythologischer Ebene damit Dämonen und retten dadurch das Universum. Auf geistiger und psychologischer Ebene dagegen zerschlagen sie Verwirrung, Unwissenheit, Bindungen - und machen so den Weg frei zur Erkenntnis.
Wirksame Symbole können nicht willkürlich gewählt werden und werden auch nicht erfunden; Hindus gehen davon aus, dass Seher und Heilige sie in Meditation erfahren und in einer jahrtausendalten Tradition überliefert haben. Die Puranas mit ihren alten Göttergeschichten erläutern viele, aber es gibt keinerlei einheitliche Erklärung. Jede Glaubensgruppe sieht darin ihr eigenes theologisches System. Damit können dieselben Symbole in unterschiedlicher Weise Stufen sein zu einem höheren Verständnis. Sie bieten die Verbindung zwischen dem oft diffamierten 'Volksglauben' und der Philosophie. Ein Beispiel dafür ist die Bhagavadgita, ein Bestandteil des Epos Mahabharata. Obwohl Teil der Mythologie enthält sie doch die wichtigsten philosophischen Aussagen des Hinduismus. Für den deutschen Gelehrten Wilhelm Humbold war es “...das schönste, ja vielleicht einzig wahrhaftig philosophische Gedicht, das alle uns bekannten Literaturen aufzuweisen haben”.
Das Wesen der personal dargestellten Götter ist am besten erkennbar an ihren Attributen; nicht nur was sie in den Händen halten ist wichtig, sondern auch die Handstellung (Mudras) selbst, Begleittiere, Haartracht, Bekleidung und Sitz. Die Ikonographie dieser sogenannten 'Murtis' ist bis ins kleinste Detail in den Puranas festgelegt. Trotzdem sind sie nicht eindeutig erklärbar. Keine Lehre lässt sich daraus ableiten, aber der Verehrer kennt die Botschaft: Die rechte erhobene Hand mit der Innenfläche auf den Verehrer gerichtet, verspricht Schutz und Trost, die Hand nach unten gerichtet, etwa bei Lakshmi, der Göttin des Glücks, ist Ausdruck ihrer Gnade und verspricht spirituelle ebenso wie materielle Geschenke. Auch diese Bilder haben keine verbindlichen Erklärungsmodelle. Aber wer sie lesen kann, dem drücken sie in poetischer Weise vielschichtige, spirituelle Wahrheiten aus, die keine Erklärung in Worte fassen könnte.