Inside-Outside-Improvisation
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Inside-Outside-Improvisation ist die kreative Voraussetzung für die Entwicklung des improvisierten Jazz.
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[Bearbeiten] Allgemein
Technisch gesehen bezeichnet man im Jazz eine Improvisation als Inside-Outside-Improvisation, wenn der Improvisator die vorgegebene Tonart verläßt, um in einem von ihm frei zu bestimmenden Moment wieder in dieselbe zurückzukehren.
Auch im Free Jazz gibt es Inside-Outside-Improvisation. Hier können Situationen mit eindeutigen Stimmungsbildern (moods) entstehen, die man auflösen und anschließend zu einem sich ergebenen Zeitpunkt wieder aufleben lassen kann.
Üblich ist aber im allgemeinen die Improvisation über Changes. Als Changes bezeichnet man für gewöhnlich die Akkordfolgen eines Jazz-Standards oder einer Komposition. Diese Akkordfolgen können durch verschiedene Tonarten gehen, deren Beziehungsgeflecht der Solist zu berücksichtigen hat. Das heißt, es gibt festgelegte Regeln, die dem Improvisator Zwänge in Bezug auf seine Tonauswahl auferlegen. Der Improvisierende verfügt dabei über eine beschränkte Auswahl an Tonmaterial, das er auf bestimmte Akkorde anzuwenden hat.
[Bearbeiten] Harmonisches Gerüst (Beispiel)
Gegeben sei die Akkordfolge A Major7 - Ab Moll 7 - G7(b9) - C Moll 7
Bei A Major 7 hat man z. B. die Möglichkeit die Tonleitern oder Skalen A Ionisch, A Lydisch oder A Lydisch #9 zu spielen
Bei Ab Moll 7 hat man z. B. die Möglichkeit Ab Äolisch, Ab Dorisch oder Ab Phrygisch zu spielen
Bei G7 (b9) hat man z. B. die Möglichkeit G Mixolydisch (b9/b13), G Alteriert oder G HalbtonGanzton zu spielen,
Bei C Moll 7 bestehen Skalentechnisch wieder dieselben Möglichkeiten wie bei Ab Moll 7 - also C Äolisch, C Dorisch oder C Phrygisch
[Bearbeiten] Erweiterung mittels I.-O.-Improvisation
Es gibt aber noch die Möglichkeit, mittels Inside-Outside-Improvisation diese Akkorde zu erweitern. Das Besondere der Technik des Inside-Outside-Improvisierens besteht darin, die natürlichen Grenzen der Harmonik zu überschreiten.
Hierfür gibt es verschiedene Optionen.
1. - Man verläßt intuitiv die vorgegebenen Tonarten und verlagert die melodischen Schwerpunkte auf akkordfremde Töne, um zu gegebener Zeit wieder in die Ausgangs-Tonart zurückzukehren.
2. - Man entwickelt sogenannte "Ghost Changes" - als theoretisches Konstrukt - über die man dann improvisiert, obwohl in Wirklichkeit von den jeweiligen Mitspielern andere - nämlich die vorgegebenen - Changes gespielt werden.
Dabei gilt die Regel
Je mehr man den Schwerpunkt des Spiels von In nach Out verlagert, desto abstrakter erscheint die Musik.
Beispiel für Punkt 2
Die Vorgegebenen Changes sind:
4 Takte A Moll 7 + 4 Takte Bb Major 7 + 4 Takte H Moll 7(b5) + 4 Takte E7(b9)
Imaginäre Ghostchanges könnten sein:
3 Takte A Moll7 - 1 Takt F7(#9) + 3 Takte Bb Major 7 - 1 Takt C Major 7 (#11) + 3 Takte H Moll 7(b5) - 1 Takt F9(#11) + 3 Takte E7 (b9) - 1 Takt Bb13
[Bearbeiten] Psychologische Voraussetzung
Unabhängig aller akademischen Betrachtungen ist die I-O-Improvisation ein Mittel Improviationen interessant und spannungsreich zu gestalten. Das Spannungsfeld zwischen Unschärfe und Genauigkeit eröffnet dem Spieler eine Vielzahl an Möglichkeiten sich für unterschiedliche Verläufe der Improvisation zu entscheiden. Ein wichtiger Aspekt dieser Improvisationsweise ist dabei das Erlangen einer inneren Sicherheit. Diese Sicherheit ist der Garant dafür, dass die Töne oder Melodien beim Hörer nicht den Eindruck eines "falschen" Klangs erzeugen, sondern Ausgangspunkt für neue spannungsreiche Tonfolgen bilden. Descartes Satz:" Ich denke, also bin ich." wird hier in abgewandelter Form angewandt: "Ich spiele, also bin ich richtig." Seit Anbeginn führt diese Erkenntnis den improvisierten Jazz zu immer neuen Formen. Alle großen Improvisatoren folgen diesem Grundsatz, egal ob sie harmoniegebundenen oder freien Jazz spielen.
Siehe auch
- Beispiele für Jazzkünstler, die diese Art zu improvisieren kultiviert haben, können sein: John Coltrane, Allan Holdsworth, Woody Shaw, Christof Lauer, Eric Dolphy, Joe Zawinul, Christopher Dell, Kenny Garrett u. v. a.