Theo Jörgensmann
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Theo Jörgensmann (* 29. September 1948 in Bottrop) ist ein deutscher Klarinettist, Jazz-Musiker und Komponist. Theo Jörgensmann gehört zur zweiten Generation der europäischen Free Jazz Musiker. Er hat die Renaissance der Klarinette in der Improvisationsmusik mitgestaltet und gilt als einer der herausragenden Solisten auf diesem Instrument. Jörgensmann gehört zu den wenigen Klarinettisten, die unbegleitete Solo-Konzerte geben oder Solo-CDs veröffentlichen.
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[Bearbeiten] Leben
Theo Jörgensmann's Vater war Gastwirt einer typischen Ruhrgebietskneipe. In diesem Umfeld ist er als ältester Sohn mit zwei Brüdern und einer Schwester aufgewachsen. Ähnlich der Choreographin Pina Bausch hielt Theo Jörgensmann sich als Kind in der elterlichen Gaststube gerne unter den Tischen auf, um von dort aus ungestört Leute zu beobachten. Bevor er sich ganz und ohne akademisch-musikalische Vorbildung - Jörgensmann ist Autodidakt - der Klarinette zuwandte, arbeitete er als Chemielaborant. Erst mit 18 Jahren begann er Klarinette zu spielen. In der Zeit von 1969 - 1972 nahm er privaten Klarinettenunterricht bei einem Dozenten der Folkwang Hochschule in Essen. Das Fachabitur machte Jörgensmann, der mit 15 die Realschule verlassen hatte, Anfang der 70er Jahre. Nach seinem Wehrdienst in Münster (1973) arbeitete er mit behinderten Kindern und begann ein Sozialpädagogik-Studium, das er aber nicht abschloss. Etwa 1975 wurde Jörgensmann Berufsmusiker.
Seit 1997 lebt Theo Jörgensmann in Brüel (Mecklenburg-Vorpommern).
[Bearbeiten] Wirken
[Bearbeiten] Anfangsjahre
Eine der ersten Gruppen, mit der Jörgensmann Anfang der 1970er Jahre überregional in Erscheinung trat, war das Contact Trio 1970-1973 mit Alois Kott (Kontrabass) und Michael Jüllich (Schlagzeug). Mit dieser Gruppe spielte er 1972 als Newcomber auf dem Deutschen Jazzfestival Frankfurt.
Dem Trio folgte 1974-1975 die Jazz-Rock Formation Out, in der er elektrisch verfremdete Klarinette spielte. Die Musiker dieser Fusion- Band - Hendrik Schaper (Keyboard), Micky Meuser (Bass; und Udo Dahmen (Drums) - konnten sich in der Rock- und Popszene einen Namen machen. Gleichzeitig spielte er auch noch in der Gruppe Clarinet Contrast - einem Klarinetten-Pool - mit den Klarinettisten Bernd Konrad, Hans Kumpf, Perry Robinson, Michel Pilz, sowie Günter Lenz (Bass) und Peter Giger (Drums).
Ab 1976 organisierte er dann sein erstes eigenes Quartett. Eine Gruppe die man dem "Free Bop" zuordnen kann. Diese bis 1982 bestehende Gruppe überzeugte Kritik und Publikum gleichermaßen. So trat Jörgensmann mit diesem Quartett als deutscher Vertreter der European Broadcasting Union 1977 in Hilversum auf.
[Bearbeiten] Interdisziplinäre- und Jazzprojekte
Etwa zehn Jahre lang, in der Zeit von 1982 - 1992, konzipierte und moderierte Jörgensmann unter redaktioneller Leitung von Manfred Niehaus Jazzsendungen für den WDR. Zusammen mit Rolf-Dieter Weyer verfasste er in dieser Zeit eine "Kleine Ethik der Improvisation." Immer wieder kooperiert Jörgensmann interdisziplinär mit Dichtern, Schauspielern, bildenden Künstlern und Filmemachern. Beispiele für diese Arbeiten sind die experimentelle Oper Die Eroberung des Schönen mit u. a. Rainald Schnell (Filmemacher, Schauspieler), Robert Bosshard (Filmemacher, Schriftsteller), Peter Thoms (Künstler) und Anna Fechter (Schauspielerin), die das WDR-Fernsehen 1995 produzierte, sowie die szenische Lesung Der Pojaz von Karl Emil Franzos mit Oskar Ansull.
Zeitweise arbeitete er auch als Theatermusiker, so vertrat er an der Volksbühne Berlin im November 1984 den Klezmer-Klarinettisten Giora Feidman bei 23 Vorstellungen des Theaterstücks "Ghetto" von Joshua Sobol.
Daneben konzertierte Jörgensmann mit Musikern der internationalen Jazz- und Improvisationsszene. Von 1981 bis 1996 spielte er in der Band European Interface des New Yorker Pianisten und Malers John Fischer sowie von 1985 bis 1998 in der Contraband des Posaunisten Willem van Manen. 1983 gründete Pianist Georg Gräwe mit Jörgensmann und Eckard Koltermann das großformatige Grubenklangorchester, und zusammen mit dem Bassklarinettisten Eckard Koltermann bildete Jörgensmann das German Clarinet Duo (1986-1996).
Außerdem leitete Jörgensmann von 1985 bis 1987 das Klarinetten-Quartett CL 4 mit Lajos Dudas bzw. Bob Driessen, Dieter Kühr, Eckard Koltermann und anderen.
[Bearbeiten] Neuer Aufbruch
Eine der international erfolgreichsten deutschen Gruppen der letzten Jahre ist das Theo Jörgensmann Quartet
Theo Jörgensmann Quartet | |
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Gründung: | 1997 |
Auflösung: | 2004 |
Genre: | Jazz Label HatHut Records |
Gründungsmitglieder | |
Theo Jörgensmann, Christopher Dell, Christian Ramond, Klaus Kugel |
[Bearbeiten] Theo Jörgensmann Quartett
Ende 1996 formt Jörgensmann nach intensiven Material- und Strukturstudien eine neue Band mit dem Bassisten Christian Ramond, Drummer Klaus Kugel und Christopher Dell am Vibraphon. Besonders in den USA, Kanada und den Niederlanden waren Publikum und Jazzkritiker von der Musik des Quartetts begeistert. So tourte das Theo Jörgensmann Quartet dreimal durch Kanada und die USA und spielte als erste deutsche Band zweimal auf dem größten Jazzfestival der Welt dem Montreal International Jazz Festival oder den Jazzfestivals in Vancouver, Edmonton und San Francisco. Diese Formation, die (2002) auch in China auftrat, ist eine experimentielle Soundschmiede und Jörgensmann's Idee von einer klangsinnlichen, kommunikativen europäischen Improvisationsmusik.
[Bearbeiten] Trio Oles Jörgensmann Oles
Seit 2003 spielt Jörgensmann im Trio Oles Jörgensmann Oles mit den jungen polnischen Zwillingen Marcin (Bass) und Bartlomiej Oles (Drums). Auf Einladung des polnischen Kulturinstituts gab das Trio 2004 während der Orangenen Revolution Konzerte in der Ukraine. Außerdem trat die Band in Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich, Frankreich, Ungarn und Slowenien auf. Ihre zweite CD "Directions" wählte das polnische Internet-Jazzmagazin Diapazon zum "The Best Album of The Year 2005". Teilweise erweitert sich das Trio um den Violinisten Albrecht Maurer.
[Bearbeiten] Aspekte seiner Musik
Jörgensmanns Musik wird durch die Einflüsse unterschiedlicher Musikbereiche bestimmt. Geprägt durch einen exellenten Umgang mit der Inside-Outside-Improvisation verbindet er in seinem von ihm über Jahrzehnte entwickelten Improvisationsstil Elemente des Jazz, der Neuen Musik, der Klassik und Folklore. In seiner Musik wechseln Passagen erzählenden Charakter's mit solchen, die ganz auf den Klang konzentriert sind. Das Tempo und die Richtung der Melodielinien unterliegen dabei schnellen, spontanen Veränderungen, so dass der Hörer dem sich ständig wechselden Klangbild nur mit äußerster Konzentration folgen kann. Eine von Jörgensmann's großen Qualitäten ist es, sich ganz dem Spielprozess hinzugeben und dennoch strukturierend in den Spielverlauf einzugreifen.
Improvisationsmusik mit einer umfassenden, weitsichtigen und weit vorausschauenden Berücksichtigung möglichst vieler Aspekte und Zusammenhänge, wie sie Jörgensmann in dem mit Rolf-Dieter Weyer verfaßten Buch - Kleine Ethik der Improvisation - definiert, zielt weniger auf das stilistische Miteinander von swingenden Hardbop-Fragmenten, modalen Elementen und neoklassischen Melodieführungen ab. "Ganzheitlich" ist bei Jörgensmann offenbar in einem anthropologisch-sozialen Sinne zu verstehen: als Ausdruck von Unabhängigkeit und Freiheit des Einzelnen, als Aufbegehren gegen den Versuch, die eigene Individualität in die Zwangsjacke der Konventionen und Normen zu verabschieden.
[Bearbeiten] Diskographie (Auswahl)
- Oles Jörgensmann Oles miniatures( 2003) directions (2005) mit Marcin Oles und Bartlomiej Oles
- Theo Jörgensmann Quartet: ta eko mo (1997) / Snijbloemen (2000) / Hybrid Identity (2002) mit Christopher Dell, Christian Ramond und Klaus Kugel
- Theo Jörgensmann/Albrecht Maurer: European Echoes mit Barre Phillips, Denis Colin, Bobo Stenson, Wolter Wierbos, Kent Carter, Benoit Delbecq, u. a. (1999)
- Theo Jörgensmann: Fellowship mit Petras Vysniauskas, Charlie Mariano, Karl Berger, Kent Carter und Klaus Kugel (1998)
- Theo Jörgensmann/Eckard Koltermann: Pagine Gialle (1995)
- Herbert Somplatzki: Wortmusik mit Eckard Koltermann (1995)
- Hans-Günther Wauer/Theo Jörgensmann/Günter "Baby" Sommer: Merseburger Begegnung (1994)
- CL 4: Alte und neue Wege (1986)
- Theo Jörgensmann Laterna Magica Solo (1983)
- Theo Jörgensmann Quartet: in time (Gast: Perry Robinson) (1976)
[Bearbeiten] Als Sideman (Auswahl)
- Ig Henneman Tentet: Indigo mit u.a. Ab Baars, Tristan Honsinger, Lori Freedman, Wilbert de Joode, Steve Arqüelles (1998)
- Karoly Binder featuring Theo Jörgensmann: Live at Music Academy Budapest Solo und Duo (1993)
- Willem van Manen: Live at Bimhuis Amsterdam (1988)
- Andrea Centazzo Mitteleuropa Orchestra: Doctor Faustus mit Enrico Rava, Carlos Zingaro, Carlo Actis Dato, Albert Mangelsdorff, Gianluigi Trovesi, Franco Feruglio (1984)
- Clarinet Summit: You better fly away mit John Carter, Perry Robinson, Gianluigi Trovesi, Bernd Konrad, Ernst-Ludwig Petrowsky, Didier Lockwood, Stan Tracey, Eje Thelin, Kai Kanthak, J.F. Jenny-Clark, Günter "Baby" Sommer, Aldo Romano (1979)
- Jazz Ensemble des Hessischen Rundfunks: Atmospheric Conditions Permitted (nur auf einem Stück "Walzer für Sabinchen" mit Alexander von Schlippenbach, Peter Kowald, Günther Christmann, Rüdiger Carl, Paul Lovens u.a., 1973)
[Bearbeiten] Kompositionen (Auswahl)
- Room in New York. Tanztheaterstück für 2 Tänzer, 1 Schauspieler, 1 Sprecher und 2 Musiker nach einem Text von Michael Klaus (1996). Choreografie: Claudia Lichtblau, Komposition: Theo Jörgensmann/Karoly Binder.
- aesthetic direction. Kammermusik für Klarinette , Bassklarinette, Violine, Violoncello und Schlagwerk. UA (1993). CD Konnex Records (Interpreten: Theo Jörgensmann Werkschau Ensemble)
- Der Monolog. Filmmusik zu dem gleichnamigen Film von Rainald Schnell. WDR Fernsehen Produktion (1990)
[Bearbeiten] Instrumentarium
- B♭ Bassettklarinette bis tief C (Unikat, deutsches System, Baujahr 1997) Harald Hüyng
- Fass/Birne Wolfgang Dietz
- Mundstück Charles Bay
- Ligature/Blattbefestigung Rovner (Kombination)
- Blätter Vandooren 56 Rue Lepic Nr. 3
[Bearbeiten] Lehrtätigkeit und Auszeichnungen
- Von 1983 bis 1993 war Jörgensmann Lehrbeauftragter für Klarinette und Ensemble an der Universität-Gesamthochschule Duisburg.
- Von 1993 bis 1997 war er Dozent für Improvisation am Institut für Musiktherapie der Universität Witten-Herdecke
- Das Theo Jörgensmann Quartett erhielt 1980 den Kunstförderpreis der Stadt Aachen.
- 1990 wurde Theo Jörgensmann mit dem Kulturpreis der Stadt Bottrop ausgezeichnet.
[Bearbeiten] Literatur
- Dita von Szadkowski: Grenzüberschreitungen. Jazz und sein musikalisches Umfeld der 80er Jahre"". ISBN 3-596-22977-4
- Martin Kunzler: Jazz Lexikon. ISBN 3-499-16317-9
- Theo Jörgensmann & Rolf-Dieter Weyer: Kleine Ethik der Improvisation: vom Wesen, Zeit und Raum, Material und Spontangestalt ISBN 3-924-272-99-9
- Der ganzheitliche Improvisationsbegriff bei Theo Jörgensmann und seine Bedeutung für die Nordoff/Robbins Musiktherapie. (Diplomarbeit 1995), Institut für Musiktherapie, Universität Witten-Herdecke
[Bearbeiten] Dokumentarfilme
- Menschen im Ruhrgebiet. Theo Jörgensmann, Bottrop, Klarinette von Christoph Hübner 16mm, 30 Min (1987) [1]
- Musikinstrumente und ihre Geschichte. Die Klarinette NDR (1987)
- Wagner Bilder Film- und Videoinstallation mit u.a. Bochumer Symphoniker, Christoph Schlingensief von Christoph Hübner, 2x Beta, Farbe, 72 Min. (2001/2002)
[Bearbeiten] Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Jörgensmann, Theo |
KURZBESCHREIBUNG | Jazz-Musiker |
GEBURTSDATUM | 29. September 1948 |
GEBURTSORT | Bottrop |