Karl Ballmer
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Karl Ballmer (* 23. Februar 1891 in Aarau; † 7. September 1958 in Lugano) war ein Schweizer Kunstmaler und philosophischer Schriftsteller.
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[Bearbeiten] Leben
Karl Ballmer wurde als Sohn eines Bankangestellten in Aarau geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters betrieb die Mutter eine Pension.
Die Schulzeit an der Bezirksschule, dann der Kantonsschule Aarau beschreibt Ballmer als eher trostlos. Als 16-Jähriger bewies er sein Zeichentalent, indem er seinen Gesangslehrer karikierte. Als der Rektor ihm zur Strafe eine Ohrfeige gab, diktierte Ballmer seiner Mutter die Austrittserklärung und begann eine Zeichnerlehre bei einem Architekten.
Ballmer setzte den Weg einer künstlerischen Ausbildung fort (zuletzt Kunstakademie München) und arbeitete 1913-14 als Grafiker in Bern und Zürich. 1915-16 war er als Redakteur für Presseagenturen tätig und hoffte, im Journalismus Fuß zu fassen. Meine Existenz, seit ich im Frühjahr 1911 von München nach Aarau zurückkehrte, war bis in den Herbst 1918 eine einzige schwerste Krisis. Nicht so sehr, dass mir die Mittel fehlten zu einem ruhigen Studium war der tiefere Grund einer grauenvollen Verzweiflung. Vielmehr war es die Verzweiflung, der menschlichen Existenz, so wie ich sie damals empfand, überhaupt einen tragenden Sinn abzugewinnen.
Dies änderte sich nachhaltig, als er 1917 die Anthroposophie und 1918 Rudolf Steiner persönlich kennenlernte. Ballmer sagte später, dass er Steiner buchstäblich sein Leben verdanke, und setzte sein ganzes weiteres Leben für den Versuch ein, die gebildete Welt auf das Ereignis Rudolf Steiner – wie er die Anthroposophie nannte – aufmerksam zu machen.
Von den Anthroposophen in Dornach, wo Steiner ihn zur Mitarbeit an der künstlerischen Ausgestaltung des ersten Goetheanums gebeten hatte, war Ballmer jedoch offenbar abgeschreckt. Um zu einem selbständigen Standpunkt der Anthroposophie gegenüber zu gelangen, "flüchtete" er aus Dornach und studierte als Autodidakt an deutschen Bibliotheken – nach einigen Zwischenstationen vor allem ab 1922 in Hamburg.
Hamburg ist zu Ballmers geliebter Wahlheimat geworden, der er später nachgetrauert hat. Neben den intensiven philosophischen Privatstudien malte er, und die zeitgenössische Künstleravantgarde, die sich in Hamburg gerade als Hamburgische Sezession [1] formiert hatte, wurde auf ihn aufmerksam. Insbesondere der Leiter des Museums für Kunst und Gewerbe, Max Sauerlandt, war ab 1930 ein wichtiger Förderer. Die Anerkennung, die Ballmer hier genoss, zeigt sich darin, dass seine Bilder in Ausstellungen zusammen mit Klee und Kandinsky gezeigt wurden und auch von den Preisveranschlagungen her ähnlich geschätzt waren. Im intensiven Austausch mit anderen Künstlern wie Rolf Nesch, Richard Haizmann und Willem Grimm trug Ballmer dazu bei, die Arbeit der Hamburgischen Sezession auf höchstem künstlerischen Niveau weiterzuentwickeln.
Ballmers schriftstellerische Versuche, eine intellektuelle Verständigung zwischen Anthroposophie und zeitgenössischer Philosophie zu etablieren, fand dagegen auf beiden Seiten kaum Resonanz. Seine Interpretation der Anthroposophie als autonomistisches Ideenkunstwerk Steiners machte ihn auch bei dessen Anhängern zum enfant terrible. Als er in den 50er Jahren zunehmend Kritik an anthroposophischen Veröffentlichungen äußerte, die seiner Meinung nach in ihrer Scheinwissenschaftlichkeit den Kern der Steinerschen Sache verrieten und dessen Ansehen schädigten, wurde er geradezu geächtet und totgeschwiegen.
Die Hamburgische Sezession wurde als erste künstlerische Vereinigung sofort nach der Machtübernahme der Nazis verboten. Ballmer erhielt 1937 Berufsverbot. Seine Lebensgefährtin Katharina van Cleef war Jüdin; 1937 heirateten beide und zogen in ein neugebautes Atelierhaus in Glinde bei Hamburg (unter den Gästen des Richtfestes war der junge Samuel Beckett, der Ballmer in seinem Atelier besucht hatte und ihn noch Jahrzehnte später als "großen unbekannten Maler" pries). Doch konnten sie auch auf dem Dorf nicht dem Terror entgehen und flüchteten im September 1938 in die Schweiz. Nach einigen Monaten in Basel ließen sich die beiden in Lamone bei Lugano (Tessin) nieder.
Bis zu seinem Tod lebte Ballmer hier in relativer Abgeschiedenheit. Den Anschluss an die Schweizer Kunstszene fand er nicht – er suchte ihn auch nicht offensiv –, malte jedoch weiterhin. Unermüdlich studierte er alle ihm erreichbaren Neuerscheinungen über Philosophie, Theologie und Anthroposophie, nahm über Pressedienste und Radio am kulturellen Leben des deutschsprachigen Raumes teil und meldete sich immer wieder über Zeitungsartikel und Briefe an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu Wort.
Die geistige Leidenschaft Karl Ballmers, wie sie aus den tausenden Briefen und Manuskriptblättern spricht, die im Staatsarchiv des Kantons Aargau [2] liegen, galt der Formulierung einer universellen Weltanschauung, die er auf höchst eigenwillige Art aus der Anthroposophie entwickelte. An welcher philosophischen, theologischen oder auch physikalischen Einzelfrage er auch anknüpfte,stets ging es ihm ums Ganze, um die (jedoch anti-theistisch verstandene) Gottesfrage, um das mit Steiner geteilte Anliegen, den Menschen von den Fundamenten her aufzuerbauen. Seine Antworten und Fragen (denn er vertrat die These, erst aus aufgefundenen Antworten könnten Fragen entwickelt werden) können sich dabei an keine Disziplingrenzen halten. Ballmers dichte, holzschnittartige Sprache ist schwer verständlich und will sich nicht an akademischen Kriterien messen lassen. Die Wirklichkeit des Widerspruchs, in traditionell-abendländischer Wissenschaft verdrängt oder marginalisiert, ist ihm geradezu Wahrheitskriterium.
Ballmers "postmodern" anmutende Thesen lassen fast an den späteren "Radikalen Konstruktivismus" denken, haben aber gleichzeitig ein eindeutig "sensualistisches" Moment, was sicherlich auf Steiners Antikantianismus und letzten Endes auf Goethe zurückgeht. In den letzten Lebensjahren bezeichnete er seine Philosophie sogar in Gänze als eine schlichte Lehre vom Sinneswahrnehmungswesen, oder in Anknüpfung an Herman Schmalenbach als Lehre vom Sichwahrnehmbarmachen des Logos. – Ein abschließendes Urteil über den Gehalt dieses außergewöhnlichen philosophischen Denkens ist noch nicht zu fällen.
[Bearbeiten] Werk und Rezeption
Ballmers malerisches Werk erlangte kurz vor und dann nach seinem Tod vor allem in der Schweiz wieder Bekanntheit. Die große Retrospektive zum 100. Geburtstag umfasste den größten Teil des zugänglichen Werkes und ist in einem Bildband hervorragend dokumentiert. Auch umfangreiche biographische Informationen sind hier enthalten.
Im Zuge der historischen Wiederentdeckung der Hamburgischen Sezession und überhaupt der von den Nazis zerstörten jungen noch unetablierten künstlerischen Bestrebungen (als "Verlierer der Kunstgeschichte")[3] ist Ballmer auch in Deutschland seit den 90er Jahren wieder als Maler entdeckt worden.
Die schriftstellerische Hinterlassenschaft führt eher ein Dornröschendasein. Ballmer gründete 1953 mit einem Freund den "Verlag Fornasella", der im Tessin noch existiert und einige Schriften Ballmers herausgibt, jedoch sehr schwer erreichbar ist. Seit 1994 gibt der deutsch-französische Verlag Edition LGC Schriften aus dem umfangreichen Nachlass heraus.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Schriften von Karl Ballmer:
a) Verlag Fornasella, O. Gessner, CH-6863 Besazio
b) Edition LGC, Rosenweg 22, D-57072 Siegen [4]
c) Karl Ballmer: Umrisse einer Christologie der Geisteswissenschaft. Texte und Briefe. Hrsg. v. Karen Swassjan. Dornach: Verlag am Goetheanum 1999, ISBN 3-7235-1072-8.
[Bearbeiten] Bildband
Karl Ballmer. 1891-1958. Der Maler, Verlag Lars Müller, CH-5401 Baden 1990, ISBN 3-906700-34-8
[Bearbeiten] Über Karl Ballmer
Karen Swassjan: Die Karl-Ballmer-Probe. Die Karl-Ballmer-Probe. Mit zwei Aufsätzen von Karl Ballmer (Co-Autor), Edition LGC, 1994.
Johannes Spallek: Karl und Katharina Ballmer. Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn 2006 (24. Jahrgang), herausgegeben vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, Kreisverband Stormarn. M+K Hansa Verlag GmbH, Ahrensburg, ISBN 3-920610-79-2.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Karl Ballmer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Staatsarchiv des Kantons Aargau
- Kunsthaus Aarau
- Edition LGC
Personendaten | |
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NAME | Ballmer, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | Kunstmaler und philosophischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 23. Februar 1891 |
GEBURTSORT | Aarau |
STERBEDATUM | 7. September 1958 |
STERBEORT | Lugano |