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Kinesiologie - Wikipedia

Kinesiologie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Kinesiologie ist eine esoterische medizinische Lehre. Der Begriff Kinesiologie wird zusammengesetzt aus den altgriechischen Worten κίνησις (kinesis) „Bewegung“ und λόγος (logos) „Wort, Lehre“ und bedeutet „Lehre von der Bewegung“. Der Begriff steht gleichermaßen für diagnostische und therapeutische Verfahren. Zentrales Werkzeug der Kinesiologie ist der so genannte „Muskeltest“. Der Kinesiologie wird vorgeworfen kein schlüssiges Konzept zu besitzen, weiterhin konnte eine Wirksamkeit ihrer Methoden trotz vieler Versuche nicht gezeigt werden. Das Verfahren an sich gilt somit zumindest als äußerst fragwürdig.

Die Kinesiologie verwendet u.a. Begriffe und Dogmen der allgemeinen Esoterik wie die Meridian- und Elementenlehre. So wird beispielsweise der Begriff Energie in Anlehnung an das daoistische Qi im Sinne von „Lebensenergie“ benutzt. Die Kinesiologie sieht sich selbst als eine Methode, die den Menschen in seiner „Ganzheitlichkeit“ wahrnehme, das heißt, Befunde werden nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit emotionalen und mentalen Einflüssen und Abhängigkeiten betrachtet. Die Kinesiologie wird meist von Heilpraktikern ausgeübt, aber auch von Ärzten verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kinesiologen behaupten, ihre Methode sei auf altes überliefertes Wissen verschiedener Kulturkreise zurückzuführen, das von dem amerikanischen Chiropraktiker George Goodheart Mitte des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt worden sei. Er versuchte diese Erkenntnisse zu systematisieren und machte sie als „Angewandte Kinesiologie“ zu einem Teilgebiet der heutigen Esoterik. Goodheart wollte in seiner chiropraktischen Arbeit zufällig beobachtet haben, dass die Funktionsweise bestimmter Muskeln scheinbar bestimmte körperliche und/oder seelische Vorgänge widerspiegeln solle.

1964 entwickelte er den kinesiologischen Muskeltest, welcher ohne Apparate den Spannungszustand von Muskeln messen soll.

Goodheart glaubte, dass bestimmte Muskeln mit bestimmten Akupunkturmeridianen korrespondieren, und dass sich aus der Funktion des jeweiligen Muskels Rückschlüsse auf einen proklamierten Energiefluss im jeweiligen Meridian und den dazugehörigen Organen ziehen lassen.

In den den späten 70-ern erweiterte John Diamond (Dr.) die von ihm eingeführte Angewandte Kinesiologie mit einer neuen Disziplin, der Verhaltenskinesiologie. Diamonds glaubte entdeckt zu haben, dass Indikatormuskeln nicht nur bei vorhandenen positiven oder negativen körperlichen Reizen, sondern auch bei emotionalen und intellektuellen Stimuli stark oder schwach reagieren. Ein Lächeln stärke sie, während die Aussage Ich hasse dich sie schwäche.[1].

Der kinesiologische Muskeltest

Anwender der Kinesiologie gehen davon aus, dass anhand des sogenannten „Muskeltests“ Substanzen, Informationen, Emotionen, Methoden usw. für jeden Menschen individuell ausgetestet werden können. Der Muskeltest dient Kinesiologen als „Biofeedback-System“.

Der Grundgedanke des Muskeltests ist es, dass ein Muskel auf Stress (in Form einer Substanz, Information, Emotion usw.) mit einem kurzen „Abschalten“ oder Nachgeben reagiert und diese kurze Erstreaktion des Muskels vom autonomen Nervensystem gesteuert wird und nicht willentlich vom Verstand kontrolliert oder manipuliert werden kann. Je nach Kinesiologie-Richtung dienen einer oder mehrere Muskeln als Indikator-Muskeln (=Anzeige-Muskeln). Der Klient wird mit der zu testenden Substanz, Information, Emotion, Methode usw. konfrontiert und der Muskeltest wird unmittelbar durchgeführt. Ist z.B. der Armmuskel Deltamuskelder Indikator-Muskel, übt der Kinesiologe für einen Moment einen bestimmten Druck auf den ausgestreckten Arm des Klienten aus. Entweder bleibe der Arm im kinesiologischen Sinne stark und „eingerastet“ oder er werde für einen Moment weich und nachgiebig. Die jeweilige Muskelreaktion ergibt so eine „Antwort“ auf die vorher festgelegte Fragestellung. In der Regel wird dem Klienten vorher erklärt, was eine starke oder schwache Muskelreaktion bedeuten soll. Für den kinesiologischen Muskeltest können nur binäre Fragestellungen genutzt werden, also „ja / nein“ oder „stark / schwach“ oder „schädlich / unschädlich“ usw. In der Regel bleibt die Interpretation der vom Kinesiologen gefühlten Muskelanspannung des Probanden dem Untersucher überlassen und ist als eine subjektive Erfahrung zu bezeichnen. Die unterschiedliche Muskelanspannung auf Seiten des Klienten kann so deutlich ausfallen, dass diese auch von ihm selbst bemerkt wird. Je nach Erwünschtheit der Antwort ist der Proband jedoch jederzeit in der Lage, die passende Antwort bewusst zu erzielen und das Ergebnis in der gewünschten Richtung zu verfälschen.

Anwendungsmöglichkeiten

In vielen Bereichen der Kinesiologie wird der Muskeltest angewandt um entweder das richtige Medikament für einen Patienten zu bestimmen oder Unverträglichkeiten und Allergien zu diagnostizieren. Andere Bereiche der Kinesiologie beschäftigen sich mit psychischen Blockaden und Problemen.

In den Jahren seit der Entstehung der Kinesiologie wurde eine Vielzahl von erweiterten Ansätzen entwickelt. Größere Kinesiologiesysteme sind heute: Touch for Health, dass sich vor allem an Laien wendet und weitere Elemente der traditionellen chinesischen Medizin aufnimmt, in dem Muskelgruppen Medianen zugeordnet und somit Blockaden, Unter- und Überenergien diagnostiziert und durch das Berühren von Reflexpunkten geheilt werden sollen. Touch for Health ist die Grundlage vieler heutiger Kinesiologierichtungen. Edu-Kinestetik beschäftigt sich mit Lernschwierigkeiten und verwandten Problemen wie Hyperaktivität. Three In One Concepts (3-in-1) beschäftigt sich mit psychischen Blockaden, ebenso die Psycho-Kinesiologie (PK) und die Integrative Kinesiologie (IK), die sich als Zusammensetzung aus Kinesiologie und Gesprächstherapie nach Rogers versteht. Wirkungsnachweise oder ein schlüssiges Konzept stehen jedoch auch für alle diese Verfahren aus, trotz vieler Versuche sie zu erbringen.

Kritik

Alle Formen der Kinesiologie sind als Pseudowissenschaften einzuordnen. Dies liegt einerseits am mangelnden Wirksamkeitsnachweis, andererseits an der bisher fehlenden Offenlegung eines möglichen Wirkmechanismus durch ihre Befürworter. Vorstellungen wie diejenige, der Körper wisse, ob der Inhalt eines verschlossenen Glasröhrchens gut für ihn sei, sind mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaft nicht in Einklang zu bringen. Ein neutraler Nachweis für eine derartige Fähigkeit konnte bislang auch nicht erbracht werden.

Mehrere wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass diagnostische Aussagen kinesiologischer Tests nicht reproduzierbar waren. Vielmehr waren die Ergebnisse häufig rein zufällig. So kamen unterschiedliche Kinesiologen nicht überzufällig häufig zu der gleichen Diagnose und die empfohlenen Therapien führten nicht zu einer statistisch signifikanten Verbesserung[2]. Eine andere Studie untersuchte Patienten mit bekannter starker Wespenstichallergie. Kinesiologen waren nicht in der Lage ein Röhrchen mit Wespengift üerzufällig häufig von einem Röhrchen mit Kochsalzlösung zu unterscheiden[3]. Kinesiologen konnten auch eignene Diagnosen unter verblindeteten Bedingungen nicht überzufällig häufig bestätigen [4] Andere Studien lieferten ähnliche Ergebnisse [5] [6] [7] [8]. Eine nicht doppel-blinde Studie ergab die Bestätigung von wahren und unwahren Testaussagen.[9]
Die Behandlungskostenübernahme durch einige deutsche Krankenkassen ändert nichts daran, dass diese "Therapie" als eine nicht wirksam bewertete Behandlung einzustufen ist, da Krankenkassen ausdrücklich nicht dazu verpflichtet sind, nur wirksame Therapien zu bezahlen und in solchen Entscheidungen wie auch eine Werbung neuer Mitglieder einbezogen werden.[10]

Kritiker sehen beim Muskeltest Fehler- und Fälschungsmöglichkeiten sowohl auf Seiten des Therapeuten als auch des Klienten. Da der Therapeut aktiv mit seiner eigenen Muskelspannung die des Klienten prüft, kann er seinen prüfenden Druck entsprechend seiner vorgefassten Lieblingsdiagnose anpassen. Der Klient wiederum kann durch Beeinflussung seiner Muskelspannung das Testergebnis willkürlich verändern. Außerdem ermüdet der Testmuskel nach mehreren Testläufen.

Die Edu-Kinestetik ist aus Sicht der Psychologie und Pädagogik eine Sammlung bekannter Entspannungs- und Gedächtnistechniken, die auf vereinfachenden und teils grob falschen Vorstellungen über Anatomie und Physiologie des Gehirns basiert. Die scheinbare Wirkung der Kinesiologie beruht auf den Mechanismen des Placeboeffekts, der eine nachweisbare Wirkung erzielt. Die Wirksamkeit der Kinesiologie ging in Studien jedoch nicht über die Wirksamkeit eines Placebos hinaus, d.h. die Kinesiologie besitzt keine ursächliche Eigenwirkung. Kritiker werfen Kinesiologen somit vor, unzureichende Instrumente zu benutzen und somit zu falschen Diagnosen und falschen Therapien zu kommen, mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für den Patienten, weil gefährliche Therapien begonnen werden oder wirksame Therapien zu spät oder gar nicht begonnen werden oder abgebrochen werden.

Quellen

  1. Dr. John Diamond: Der Körper lügt nicht. In: Einleitung, Deutschesfachbuch.de [1]
  2. Kenney JJ, Clemens R, Forsythe KD: Applied kinesiology unreliable for assessing nutrient status. In: J Am Diet Assoc. 1988 Jun;88(6):698-704 PMID 3372923
  3. R Lüdtke: Test-retest-reliability and validity of the kinesiology muscle test In: complementar ther med, 2001, 9:141 PMID 11926427
  4. HJ Staehle, MF Koch, T Pioch: Doubleblind Study on Materials Testing with Applied Kinesiology. In: J Dent Res, 84(11), 2005, S.1066-1069 PMID 16246943 (siehe auch zm 96, Nr. 19, 1. Oktober 2006, Seite 52-58)
  5. MH Friedman: Applied kinesiology - double-blind study. In: prosthetic dentistry, 42, 1981, S.321
  6. JS Garrow: Kinesiology and food allergy. In: BMJ 1988,296:1573
  7. M Haas: Muscle testing response to provocative vertebral challenge and spinal manipulation: a randomized controlled trial of construct validity. In: j manip physiol ther 1994,17:141
  8. R Pothmann: Evaluation der klinisch angewandten Kinesiologie bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten im Kindesalter. In: Forsch Komplementärmedizin Klass Naturheilk 2001;8:336-344
  9. DA Monti, J Sinnott, M Marchese, EJ Kunkel, JM Greeson: Muscle test comparisons of congruent and incongruent self-referential statements. In: PubMed (National Library of Medicine and the National Institutes of Health) PMID10407911
  10. Edzard Ernst: Falsch verstandene "Patientenfreundlichkeit". In: MMW - Fortschritte der Medizin.8 (2007). S.55

Literatur

  • Diamond, John, Dr. med (2001): Der Körper lügt nicht. Eine neue Methode, die Ihr Leben verändern wird. VAK Verlags GmbH; 21. Auflage, ISBN 3924077002
  • Walker, Barbro (2004): Edu-Kinestetik - ein pädagogischer Heilsweg? Eine kritische Analyse, Marburg (Tectum), ISBN 3828886825
  • Klingelhöffer, Dr. Werner (2006): Strategie für den Erfolg. Kinesiologie im Sport, TX-Team-Verlag Penzberg, ISBN 3-9810557-0-5

Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: Kinesiologie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

Kritische Weblinks

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